Dokumentarfilm „Eng Äerd“: Hurra, wir retten den Planeten!

Tom Aleschs neuster Film wirft einen hoffnungsvollen Blick auf die luxemburgische Umweltbewegung, der beinahe vergessen macht, wie düster die Aussichten sind.

„Eng Äerd ist“ ein hübsches, aber etwas zu optimistisches Porträt der luxemburgischen Umweltbewegung.

Acht Erden bräuchten wir, wenn die ganze Menschheit mit dem Ressourcenverbrauch der Ein-
wohner*innen Luxemburgs leben wollte. Wir haben aber nur eine einzige, weswegen immer mehr Initiativen auch hierzulande versuchen, eine nachhaltigere Lebensweise an den Tag zu legen. Dieser Sachverhalt wird im Prolog von „Eng Äerd“ mithilfe einer Animation dargelegt. Danach stellt Regisseur Tom Alesch viele verschiedene luxemburgische Gruppen und Projekte vor, die sich einer nachhaltigeren Lebensweise verschrieben haben. Er konzentriert sich dabei vor allem auf den Kanton Redingen und die Transition-Bewegung im Umfeld des Centre for Ecological Learning Luxembourg (Cell). Das nicht von ungefähr, denn die Dokumentation ist in Zusammenarbeit mit dem Gemeindesyndikat des Kantons und der Transition-Bewegung entstanden.

Nachhaltigkeit hautnah

Eine Art zweiter Prolog zeigt die Betonwüste in Esch-Belval, die sich in ein grünes Paradies verwandelt, unterlegt mit den Worten eines Akteurs der Transition-Bewegung. Über solche möglichen Utopien redet der Film jedoch wenig, denn er stellt vor allem konkrete Projekte aus verschiedenen Themenbereichen wie Energie, Ernährung, Mobilität, Wohnbau und Wirtschaft vor.

Aus jedem dieser Themenbereiche werden zwei bis drei Projekte vorgestellt. Nach längeren Szenen, die jeweils eine Energiekooperative, einen Betrieb der solidarischen Landwirtschaft, einen Unverpackt-Laden, eine Upcycling-Schneiderei, ein gemeinschaftliches Wohnprojekt und Ähnliches zeigen, erklären die Initiator*innen in einer Expert*innenrolle, was sie warum genau machen und wieso ihre Idee nachhaltig ist.

Eine Erzähler*innenstimme gibt es nicht, die Zuschauer*innen müssen das Gezeigte und Gesagte also selbst einordnen. Das ist nicht immer einfach, denn bei manchen der dokumentierten Projekte fehlen Erklärungen. Ohne die Website des Films wäre zum Beispiel nicht ersichtlich, dass die Kinder, die unter Anleitung eines Erwachsenen aus alten Getränkedosen einen solarbetriebenen Dörrapparat bauen, dies im Rahmen des Projektes „Nachhaltigkeit macht Schule“ der „Energieagence“ tun. Ebenso wird im sehr knappen Mobilitätskapitel ein „Pedibus“ – Schulkinder gehen von Erwachsenen betreut gemeinsam zu Fuß in die Schule – gezeigt, das Konzept jedoch nicht erklärt.

Auch die Einordnung der im Film getätigten Aussagen bleibt dem Publikum überlassen – es kommen keine Expert*innen, etwa aus der Forschung, zu Wort. Gerade in den Segmenten über Kreislaufwirtschaft kommt es durchaus auch zu widersprüchlichen Aussagen, die nicht aufgelöst werden. So schwärmt ein Akteur davon, dass sich sämtliche Probleme mit geplanter Obsoleszenz in Luft auflösen würden, wenn wir zum Beispiel Fenster mieten statt besitzen würden. In der nächsten Szene wird ein Repair-Café gezeigt. Beide Ideen sind jedoch nur schwer miteinander kompatibel. Der Aushandlungsprozess, welche Modelle für welche Bereiche Sinn ergeben können, wird im Film ausgeblendet.

Foto: CNA/CELL

Zu optimistisch

„Eng Äerd“ ist ein enorm optimistischer Film, der sich auf die Lösungen fokussiert, ohne sich lange damit aufzuhalten, die Probleme zu erklären. Was es genau bedeutet, dass der luxemburgische Lebensstil acht Erden verbraucht, wird nicht erläutert. Das hat jedoch den großen Nachteil, dass die Zuschauer*innen entweder ein großes Vorwissen über Zusammenhänge haben müssen oder aber es unmöglich wird, die gezeigten Bilder einzuordnen. So stehen die solidarische Landwirtschaft, der Bio-Großhandel und das Haus aus alten Reifen irgendwie alle auf einer Ebene, obwohl es vielleicht deutliche Unterschiede gäbe, die jedoch nicht zur Sprache kommen.

Am Ende zeigt der Film die Klimademonstration von Youth for Climate vom 15. März 2019. Es ist einer der seltenen Momente, in denen politische Forderungen und systemische Zusammenhänge vom Film irgendwie thematisiert werden. Selbst das Segment, das die Lëtzebuerger Vëlosinitiativ vorstellt, fokussiert sich auf die Freude am Radfahren und die Radfahrschule für Erwachsene – nicht etwa auf politische Forderungen und zähes Rangen um jeden Zentimeter Radweg.

Nachhaltigkeit wird gemeinhin als Modell mit drei Säulen beschrieben: Ökologisch, wirtschaftlich und sozial. Bis auf das gemeinschaftliche Wohnprojekt Ad-Hoc wird auf die soziale Dimension in „Eng Äerd“ kaum Rücksicht genommen. Oft fällt der Satz „Eigentlich müsste das billiger sein“ – warum Kohlekraftwerke weiter billig CO2 in die Luft blasen und konventionelle Landwirtschaft für Bodenerosion nicht zahlen muss, wird jedoch nicht thematisiert.

Bei unbedarften Zuschauer*innen könnte am Ende des Films der Eindruck entstehen, dass es ohnehin genügend Menschen gibt, die sich um die Weltrettung kümmern, und man selbst nichts tun müsse. Gut, dass das Cell mit dem Film auf Tour durch Schulen und Gemeindezentren gehen will – so können in den anschließenden Diskussionen alle jene Punkte Platz finden, die in „Eng Äerd“ fehlen. Der bietet immerhin einen guten, visuell ansprechenden, aber doch unvollständigen Blick auf die luxemburgische Umweltbewegung.

In der Cinémathèque.

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