Drogen und Feiern: Den Rausch planen

Drogenkonsum gehört für viele zum Feiern dazu. Die Initiative Pipapo setzt sich dabei für einen bewussteren Konsum ein. Ein Interview mit Carlos Paulos, der für eine andere Feierkultur plädiert.

Carlos Paulos leitet das Projekt Pipapo und tritt für eine bewusstere Feierkultur ein. (Foto: Pipapo)

woxx: Das Motto von Pipapo ist „Sex, Drugs and Rock‘n‘Roll“, aber Drogenkonsum ist dennoch euer Hauptaugenmerk. Warum ist das so?


Carlos Paulos: Drogenkonsum ist oft der Aufhänger, der die meisten Menschen anzieht und sie mit uns ins Gespräch bringt. Wenn es ums Feiern geht, geht es halt immer irgendwie um Drogen und Sex. Und Drogen sind der Hauptfokus unseres Projektes, auch weil wir den Substanzanalyse-Service anbieten.

Was ist die Philosophie hinter eurer Arbeit? Steht „sicherer Konsum“ nicht ein wenig im Gegensatz zur Präventionsarbeit? 


Wir machen schon Präventionsarbeit, wir nennen sie nur nicht unbedingt explizit so, weil das manchmal abschreckend wirkt. Wir erklären unsere Arbeit so, dass wir das Feiern unterstützen. Und zwar so, dass das so gut wie möglich abläuft und die Menschen später sicher und gesund nach Hause kommen. Das ist ganz klar eine Ergänzung zur klassischen Präventionsarbeit.

Wer ist euer Zielpublikum?


Seit Jahren machen wir eine Umfrage, bei der wir die Menschen, die zu unseren Ständen kommen, fragen, wie alt sie sind, welches Geschlecht sie haben und was sie die letzten zwei Wochen konsumiert haben. Das Durchschnittsalter liegt bei 23 bis 24 Jahren. Also junge Erwachsene, die aktiv weggehen – was auch daran liegt, dass wir meistens am Wochenende an jenen Orten, an denen gefeiert wird, wie Clubs oder Festivals, anzutreffen sind. Gerade auf Festivals treffen wir aber auf mehr Alters-
gruppen, von 12 bis 65 Jahren. Regelmäßiger Drogenkonsum fängt aber meistens erst ab 18 Jahren so richtig an, wobei wir vor allem Alkohol, Tabak und – immer mehr – Cannabis antreffen.

„Wir machen Präventionsarbeit, wir nennen sie nur nicht unbedingt explizit so, weil das manchmal abschreckend wirkt.“

Wer sind die Menschen, die auf den Ständen von Pipapo stehen und welche Ausbildung haben sie?


Wir haben drei Mitarbeiter, die hauptamtlich bei 4Motion für das Projekt Pipapo arbeiten. Daneben gibt es einen Pool von jungen Erwachsenen, die sich für das Thema Feiern und Gesundheit interessieren. Die werden jedes Jahr neu geschult und gebrieft. Wir organisieren diese 20-stündige Schulung eigenständig und vermitteln dort gemeinsam mit unseren Partnern wie dem Staatslabor, Planning Familial, HIV Berodung alle nötigen Informationen.

Reichen 20 Stunden Weiterbildung, um Menschen gut beraten zu können?


Nein, das reicht sicherlich nicht, aber es ist ein erster Input. Im Rahmen der Schulung gibt es auch eine Nachtintervention, bei der die neuen Freiwilligen in der Gruppe erste Erfahrungen sammeln können. Natürlich lernt man vieles auch erst während der Arbeit, weswegen immer jemand von unseren festen Mitarbeitern mit dabei ist. Wir haben einen Peer-Ansatz, das heißt wir wollen den Menschen auf Augenhöhe begegnen. Es ist also auch absolut kein Problem, etwas nicht zu wissen und Informationen gegebenenfalls gemeinsam nachzusuchen, zum Beispiel auf unseren Informationskarten. Gerade bei Drogen gibt es viele Halbwahrheiten, deswegen ist es für uns am wichtigsten, mit dem Konsumenten ins Gespräch zu kommen.

Was sind denn die häufigsten Fragen, die euch gestellt werden? 


Meistens fängt es ganz banal damit an, dass die Menschen wissen wollen, warum wir vor Ort sind. Dann stellen sie sich manchmal Fragen über ihren eigenen Konsum, über die Substanzen, die sie nehmen. Oft ist es jedoch auch so, dass wir sehr viele Informationen von den Konsumenten kriegen: Über die Wirkungen, über die Konsumformen und so weiter. Das ist wirklich ein permanenter Austausch, der sehr wertvoll und durch nichts zu ersetzen ist.

Was ist eigentlich sicherer Konsum?


Unser Ziel ist es, dass die Menschen allgemein informiert sind über die Drogen, die sie haben, und sich dann die Frage stellen, ob sie das konsumieren wollen oder nicht – und warum. Am besten ist es, wenn das im Vorfeld geplant wird. Dabei sollten schon vor dem Feiern die Grenzen abgesteckt werden, denn währenddessen ist das sehr schwierig. Wenn man sich nicht schon vor dem Rausch Gedanken gemacht hat, ist es meistens zu spät, um sich noch abzubremsen. Damit man sich während dem Feiern gehen lassen kann – dafür geht man ja feiern – ist eine gewisse Vorbereitung notwendig. Aber auch die Nachbereitung sollte nicht zu kurz kommen. Es ist wichtig, sich nach der Party mit Freunden darüber auszutauschen, wie es gelaufen ist und wie es war. In unserer Arbeit reden wir oft von Feierkultur: Es ist nicht egal, mit wem und wie man feiert. Man sollte mit Menschen feiern, die man kennt oder kennenlernt und mag. Der Freundeskreis spielt da eine wichtige Rolle. Wir legen den Menschen immer ans Herz, in der Gruppe aufeinander aufzupassen und sich auch gemeinsam auf den Heimweg zu machen. Gerade bei Festivals, wo viele Menschen auf einem Haufen sind, ist das sehr wichtig.

Haben die Feiernden in Luxemburg diese Feierkultur verinnerlicht oder ist das eher etwas, was unbekannt ist?


Es gibt von allem. Es gibt Menschen, die sehr naiv sind und sozusagen alles nehmen, was sie in die Finger bekommen und auch nicht darauf achten, von wem das kommt. Andere sind wirklich Experten und kennen sich sehr gut aus. Das hängt sehr davon ab, wer zu uns kommt. Gesamtgesellschaftlich habe ich aber das Gefühl, dass viele sich eher weniger informieren und der reine Konsumgedanke im Vordergrund steht. Da versuchen wir auch gegenzusteuern und klar zu machen, dass sich auch eine Party nicht einfach so konsumieren lässt. In den letzten Jahren sind in Luxemburg einige interessante Projekte in dem Bereich entstanden, wo auch größere Gruppen Feste, Konzerte oder Festivals mit partizipativem Ansatz planen, wo die Besucher mit in die Organisation eingebunden werden.

Informationsmaterial, Sticker und Quietscheentchen: Ein typischer Stand von Pipapo.

Wie funktioniert euer Drug-Checking-
Service?


Wir nennen den Service „Duck“, also eine Kompression aus „Drug“ und „Checking“ – und als Symbol haben wir eine Quietscheente. Den Dienst stellen wir auf verschiedenen Events zur Verfügung, wobei wir versuchen, ihn immer öfter anzubieten. Alles läuft völlig anonym ab. Wir nehmen eine Probe – wenige Milligramm – des Produkts und stellen ein paar Fragen zur Substanz. Der Konsument bekommt von uns einen Code, mit dem er das Resultat auf unserer Website abrufen kann. Wir analysieren die Substanzen nicht vor Ort, sondern lassen dies im Staatslabor machen. Innerhalb von 48 Stunden ist das Resultat online. Dort vergleichen wir nicht nur die Informationen vom Konsumenten und vom Labor, sondern geben auch Hinweise, die beim Konsum wichtig sind. Die Resultate sind nicht öffentlich, aber im Rahmen eines europäischen Projektes arbeiten wir gerade an einer App. Darin sollen generelle Informationen zu Substanzen, die gerade in Umlauf sind, geografisch dargestellt werden, sodass man weiß, worauf man aufpassen soll, wenn man gerade in einer bestimmten Region unterwegs ist.

Was für Drogen werden in Luxemburg konsumiert und welche werden bei euch getestet? 


Also wenn wir davon reden, was wir so testen lassen, ist es meistens Ecstasy und MDMA. Vor ein paar Jahren lag das immer in Form von Pillen vor, mittlerweile auch viel in Form von Kristallen, Puder oder Puder in Kapseln. MDMA ist oft hochkonzentriert und sehr rein. Deswegen weisen wir oft auf die Konzentration von MDMA hin, damit die Nutzer abwarten, um unangenehme Nebeneffekte von hohen Dosierungen wie zum Beispiel Krämpfe zu vermeiden. Das andere, was letztes Jahr durch den CBD-Hype aufgekommen ist, ist Cannabis. Dadurch, dass viele solche Produkte verkauft werden, ist es schwierig zu unterscheiden, welche Stoffe in welcher Konzentration da vorliegen. Auch wenn unsere Priorität eher bei synthetischen Drogen liegt, kommen wir dem Wunsch vieler, auch Cannabis testen zu lassen, natürlich nach. Das auch, weil wir Fälle hatten, in denen Konsument*innen mit synthetischen Cannabidoiden unterwegs waren und dachten, es wäre normales Cannabis. Visuell ist da oft kein Unterschied zu erkennen, weil es in der Form von Shit vorliegt oder die Cannabidoide auf Hanfblüten gesprüht wurden.

„Bei Amphetaminen 
gibt es eine 50:50-Chance, dass etwas ganz anderes in der Probe vorhanden ist.“

Ansonsten testen wir Kokain und Amphetamine. Beim Kokain ist die Qualität recht stabil, bei Amphetaminen ist es jedoch so, dass es eine 50:50-Chance gibt, ob überhaupt Amphetamine oder etwas ganz anderes in der Probe vorhanden sind. Manchmal bekommen die Menschen reines Koffein oder einfach eine Mischung mit Zucker.

Wie sieht denn der legale Rahmen für den Drug-Checking-Dienst aus?


Wenn wir Drug-Checking machen, müssen wir eine spezielle Genehmigung der Staatsanwaltschaft beantragen, um Proben nehmen und diese ins Labor transportieren zu können. Die müssen wir auch immer wieder neu beantragen. Das beruht auf einer Ausnahmeregelung einer EU-Direktive, die es erlaubt, ein Monitoring der Substanzen vorzunehmen.

Es kommen ja ständig neue Drogen auf den Markt, die teilweise als „Research Chemicals“ bekannt sind. Woher bekommt ihr Informationen über solche Substanzen?


Die Informationen über Research Chemicals oder neue psychoaktive Substanzen (NPS) bekommen wir in erster Instanz natürlich direkt vom User. Wenn wir solche Substanzen zum Testen bekommen, fragen wir auch, wo sie gekauft wurden, also auf der Straße, von Freunden oder im Netz. Solche Substanzen kommen vor, sind aber eher die Ausnahme.

Foto: US-DEA

Was macht ihr mit Menschen, von denen ihr das Gefühl habt, dass sie Probleme mit ihrem Konsum haben?


Wir kümmern uns eigentlich um den Freizeitkonsum, der in der Fachsprache auch „nicht-problematischer Konsum“ genannt wird. Wenn das Gespräch jedoch dahin geht, dass es eventuell problematisch sein oder werden könnte, dann verweisen wir auf spezialisierte Dienste, die die Betreuung übernehmen können. Da hört dann unsere Zuständigkeit und unsere Verantwortung auf. Wir können, wenn es notwendig ist, für die Person die Kontaktaufnahme machen und sie dahin begleiten. Wir wissen, dass das immer ein großer Schritt ist, nach Hilfe zu fragen, deswegen sorgen wir dafür, dass die Person zumindest beim nächsten Schritt begleitet wird und zu einem spezialisierten Dienst gehen kann.

Pipapo ist ein Projekt des Vereins 4Motion, der sich im Bereich des Peer-Trainings für die Bekämpfung von Diskriminierung und für partizipative Demokratie einsetzt. Gemeinsam mit den Organisator*innen von Konzerten, Festen und Festivals versucht Pipapo, den Besucher*innen Informationen rund um das Feiern zu geben. Die Mitglieder des Projektes sind im luxemburgischen Nachtleben an Informationsständen anzutreffen, wo sie Kondome, Ohrstöpsel und Informationen zum Drogenkonsum verteilen. Der Fokus liegt dabei nicht darauf, Menschen vom Drogenkonsum abzuhalten, sondern ihnen zu ermöglichen, informiert Entscheidungen zu treffen und sicher zu feiern. Auch deswegen wird eine Analyse von Drogen angeboten. Dabei können Konsument*innen überprüfen, ob sie wirklich jene Stoffe zu sich nehmen, die ihnen verkauft wurden – und sich im Vorfeld über eventuelle Risiken informieren. Auf welchen Festen Pipapo in nächster Zeit anzutreffen sein wird, lässt sich unter pipapo.lu nachlesen. Dort finden sich Auskünfte zu den verschiedensten Drogen, aber auch weitere Informationen für Menschen, die interessiert daran sind, an dem Projekt mitzuwirken.

Online weiterlesen: Cannabis-Legalisierung

Als DP, LSAP und Déi Gréng Ende letzten Jahres ihr neues Koalitionsabkommen präsentierten, war die Cannabis-Legalisierung eines jener Projekte, das für die meiste Aufregung sorgte. Die woxx hat sich mit Carlos Paulos natürlich auch über dieses Vorhaben unterhalten. Dabei ging es unter anderem um das umstrittene Thema des THC-Gehaltes und um den momentanen CBD-Hype. Lesen sie diesen Teil des Interviews online unter woxx.eu/cannabis – dort erklären wir auch, was sich hinter CBD und THC versteckt.


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