Erderwärmung: Das Klima drückt auf die Seele

Die Auswirkungen der Klimakrise auf die materiellen Lebensbedingungen der Menschen und auch die Folgen für die Weltwirtschaft werden häufig diskutiert. Aber wie sieht es speziell mit der mentalen Gesundheit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus? Aktuelle Studien zeigen eine dramatische Entwicklung auf.

Eine Zukunft, die in der Tonne landet? Umfragen zeigen, dass auch in Luxemburg nicht zuletzt der Klimawandel die Ängste von Kindern und Jugendlichen prägt. (Foto: EPA-EFE/Jakub Kaczmarczyk/Poland Out)

Über die Folgen der Coronapandemie auf die mentale Gesundheit wird derzeit viel berichtet. Dies ist jedoch nicht die einzige Krise, die insbesondere jungen Menschen seelisch viel abverlangt. Die Ergebnisse einer vergangene Woche veröffentlichten Eurobarometer-Umfrage zeigen, dass 91 Prozent der 15- bis 24-Jährigen davon überzeugt sind, die Eindämmung des Klimawandels könne „zur Verbesserung ihrer persönlichen Gesundheit und ihres individuellen Wohlergehens beitragen“.

„Normalerweise sollte man sich auf die Zukunft freuen können, doch wegen der Klimakrise kommen ganz andere Gedanken hoch“, bestätigt eine junge Klimaaktivistin aus Luxemburg, die ungenannt bleiben will, den Eurobarometer-Befund. Umweltpro-
bleme beeinträchtigen das Wohlbefinden von Jugendlichen, heißt es auch im nationalen Bericht zur Situation der Jugend in Luxemburg 2020. Sieht man von dieser Feststellung ab, gibt es jedoch kaum Zahlen hierzu. Lediglich der „Youth Survey Luxembourg“ (YSL) von 2019 präzisiert, dass fast 88 Prozent der Jugendlichen Angst vor Umweltverschmutzung und 83,5 Prozent Angst vor dem Klimawandel haben. In Interviews, die im Rahmen des Jugendberichts 2020 gemacht wurden, berichten Befragte zudem von starken Zukunftsängsten. Viele sagen, es mache sie traurig, dass die Umwelt zerstört oder verschmutzt wird. Mohammed, einer der Interviewten, fürchtet, er zähle womöglich zu einer der letzten Generationen „die jetzt noch [von der Natur] profitieren können“.

Beim Cepas (Centre Psycho-Social et d’Accompagnement Scolaires) ist man sich der Dimension des Pro-
blems bewusst. Es sei daher extrem wichtig, in den Schulen über die mentale Gesundheit von jungen Menschen zu reden und dieses Thema weiterhin zu enttabuisieren, meint Armanda Hamitaux vom Cepas gegenüber der woxx: „Wir sollten die Resilienz von Jugendlichen stärken und ihnen helfen Strategien zu entwickeln, um mit schwierigen Situationen umzugehen.“ Der Jugendbericht sei ein klarer Hinweis, dass Jugendliche unter anderem Angst vor der Klimakrise hätten.

„Angst oder Panik lassen sich selten an einem einzelnen Faktor wie dem Klimawandel festmachen“, sagt Hamitaux. Junge Menschen, die sich im Sepas (Service psycho-social et d’accompagnement scolaires) ihrer jeweiligen Schule Unterstützung holen, hätten derzeit vor allem mit den Auswirkungen der Pandemie und mit Zukunftsängsten zu tun. Auch wer beim „Kanner- a Jugendtelefon“ um Rat suche, spreche nicht konkret den Klimawandel an. Armanda Hamitaux meint, dass dies womöglich damit zusammenhängt, dass die Konsequenzen des Klimawandels in Luxemburg bislang weniger spürbar sind.

Unsicherheit macht Angst

Eine internationale Umfrage der „University of Bath“, die im September publiziert wurde, bestätigt Hamitaux’ Vermutung: Länder, in denen sich die Teilnehmer*innen der Erhebung mehr Sorgen um den Klimawandel machen und größere Auswirkungen auf ihre mentale Gesundheit spüren, sind tendenziell ärmer, liegen im Globalen Süden und sind direkter von dessen Folgen betroffen. Unter den Industrienationen führt Portugal, wo die Waldbrände seit 2017 dramatisch zugenommen haben, die Liste an.

Für die Umfrage wurden in zehn verschiedenen Ländern Gespräche mit insgesamt 10.000 Personen im Alter von 16 bis 25 Jahren geführt; Luxemburg war nicht dabei. Fast 60 Prozent der Befragten in allen Ländern sind „sehr“ oder „extrem“ besorgt über den Klimawandel. Über die Hälfte gab an, sich ängstlich, traurig, wütend, machtlos, hilflos und/oder schuldig zu fühlen. Die am wenigsten häufig genannten Gefühle sind Optimismus und Gleichgültigkeit. 41 Prozent zögern sogar, Kinder zu bekommen. Die Befragten äußerten eine Reihe negativer Gedanken, wobei 77 Prozent sagten, die Zukunft sei beängstigend.

„Es ist diese Unsicherheit, die mir Angst macht (…). Ich frage mich manchmal, ob es überhaupt einen Sinn hat, fünf Jahre lang zu studieren, wenn ich überhaupt nicht weiß, ob ich meinen erlernten Beruf dann auch ausüben kann“, meint ein Mitglied von Move, der Jugendsektion des Mouvement écologique gegenüber der woxx. Die junge Frau nutzt ihre Einstellung als Anstoß, aktiv zu werden und sich zu engagieren. Das mache ihr Spaß, aber es sei nicht immer einfach, da auch private Faktoren mitspielen: „Ich habe Schwierigkeiten von negativen Gedanken wegzukommen. Ich versuche dann, mich auf den Moment selber zu fokussieren, ihn zu genießen. Ohne jede Hoffnung ist ihr Blick in die Zukunft aber noch nicht.

Elena Bienfait sagt, dass Angst um die Zukunft und Perspektivlosigkeit gerade bei jungen Menschen ein häufiges Problem darstellt. „Erwachsene sind an einem anderen Punkt im Leben. Die meisten haben einen Beruf erlernt, haben ein Einkommen und bestimmte Ziele im Leben erreicht“ so die Direktorin des „Centre National de Prévention des Addictions“ (Cnapa): „Bei Jugendlichen sieht die Welt anders aus: Sie sind noch in der Findungsphase.“ Gerade von Erwachsenen bekämen sie häufig vermittelt, dass die Welt immer unsicherer wird. Die Auswirkungen dieser Weltsicht seien bei jungen Menschen allerdings viel stärker als bei Erwachsenen, „weil sie erst an dem Punkt im Leben sind, wo sie eine Perspektive zu entwickeln beginnen“. Natürlich litten Menschen aus allen Altersgruppen unter Ängsten, aber die vage Furcht vor den Auswirkungen des Klimawandels betreffe eher die jüngeren Generationen.

„In vielen Teilen der Erde ist die Gesundheitsinfrastruktur überhaupt nicht auf die Klimakrise vorbereitet“, sagt der Psychologe Felix Peter von der Initiative „Psychologists 4 Future“ in einem Interview mit dem Online-Magazin „Klimareporter“. „Aber auch in unserer Erdregion mit guter Gesundheitsversorgung und noch vergleichsweise seltenen Extremwetter-
ereignissen ist mit höheren psychischen Belastungen zu rechnen.“ Gleichwohl wird in Luxemburg derzeit noch keine Weiterbildung zu den Auswirkungen der Klimakrise auf die mentale Gesundheit angeboten.

Bildquelle: EPA-EFE/Christian Bruna

Erhöhtes Risiko

Ein Bericht des Imperial College London vom vergangenen Jahr weist darauf hin, dass Menschen, die bereits unter psychischen Erkrankungen leiden, anfälliger für die Auswirkungen des Klimawandels auf ihre physische und psychische Gesundheit sind. Derzeit betrifft dies eine Milliarde Menschen weltweit. Wer die Auswirkungen des Klimawandels am eigenen Leib erfährt, hat ein erhöhtes Risiko für eine posttraumatische Belastungsstörung (PTSD), Depressionen und extreme Verzweiflung. Zudem bestehe ein Zusammenhang zwischen erhöhten Temperaturen und der Zahl der Suizide. So steige mit jedem zusätzlichen Grad über der gewohnten, ortsüblichen Temperatur die Suizid-
rate um ein Prozent. Und auch auf den Schlaf hat der Klimawandel teils deutlich negative Auswirkungen, wie eine im Fachjournal „Current Psychology“ publizierte Studie unter Berücksichtigung der Situation in 25 Ländern zeigt.

Die meisten Menschen in unseren Breitengraden kommen jedoch nur indirekt mit dem Klimawandel in Berührung, nämlich über die Darstellung der aktuellen Umweltveränderungen und -katastrophen in den Medien. Wie auch die Politik hätten die Medien daher eine besondere Verantwortung, insbesondere in schwierigen Zeiten, sagt Elena Bienfait. „Wir brauchen Hoffnung auf glückliches Leben. Und die Medien können das nicht berichten.“ Sie sieht die Medien, neben den Eltern, als Miterzieherinnen und spricht sich für eine gesundheitsfördernde Kommunikation aus. Menschen entwickelten irrationale Ängste, wenn sie zu lange und zu viel mit Negativem konfrontiert würden.

Etienne Degeest, Verantwortlicher von Move, beobachtet dies auch bei den jugendlichen Aktivist*innen in der Gruppe. Diese hätten ein großes Bewusstsein für die Krise, dadurch aber auch emotional damit zu kämpfen. Motivation und Engagement würden durchaus manchmal von der Angst gedämpft, dass die Politik und die Gesellschaft zu langsam agieren. Die Gefühlslage sei von dem Wissen geprägt, dass es schnelles und konkretes Handeln braucht, um die Krise noch in den Griff zu bekommen. „Vielen von ihnen geht es darum, klarzustellen, dass sie es sind, die in der Zukunft die Fehler der Vergangenheit und leider auch noch jene der Gegenwart ausbaden müssen“, so Degeest.

Frustriert von der Politik

Einig sind sich die genannten Expert*innen und Aktivist*innen, dass beispielsweise die Klimademonstrationen ein gutes Mittel seien, um das Zusammengehörigkeitsgefühl der jungen Schüler*innen zu stärken, die auf diese Weise erfahren, dass sie mit ihren Ängsten nicht alleine sind. Wichtig sei aber, dass der Aktivismus auch etwas bewirke. Ansonsten sei mit viel Frust und Niedergeschlagenheit zu rechnen.

Zu Frust führen laut der Umfrage der „University of Bath“ auch die klimapolitischen Maßnahmen vieler Regierungen. Die Studie kommt zu dem Schluss, „dass das Versagen der Regierungen, den Klimawandel angemessen zu reduzieren, zu verhindern oder abzuschwächen, zu psychischem Stress, moralischer Verletzung und Ungerechtigkeit beiträgt“. Über 60 Prozent der Stichprobe hatten jede positive Aussage abgelehnt und jeder negativen Aussage zugestimmt.

Vertrauen in die Regierung, wenn es um Klimapolitik geht, ist also international ein Problem für junge Menschen. Dies trifft auch in Luxemburg zu: Als Antwort auf die Mobilisierung der Schüler*innen für den Klimaschutz 2019 hatte die hiesige Regierung in Zusammenarbeit mit der Nationalen Schülerkonferenz CNEL vier regionale Workshops unter dem Namen „ClimateXchange“ an den Gymnasien organisiert. Im PNEC (Integrierter nationaler Energie- und Klimaplan) wurden allerdings nur jene Vorschläge zurückbehalten, die die Schulen direkt betreffen, und auch dies nur vage. Die anderen Themenbereiche der Workshops, wie Mobilität, Abfall, Energie und Landwirtschaft, wurden schlichtweg ignoriert. Es ist fraglich, ob man so Vertrauen in die Politik schafft und jungen Menschen signalisiert, dass den Politiker*innen ihre Ansichten, Sorgen und Ängste wichtig sind.

Top-Thema Klima

36 Prozent aller Befragten in Luxemburg betrachten Umweltfragen sowie den Klimawandel als derzeit größte Herausforderung der Europäischen Union. Das sind vier Prozentpunkte mehr als in der gesamten EU, wo 32 Prozent dieser Meinung sind. Noch größer ist der Anteil jener, die den Klimawandel als das wichtigste Thema für die Zukunft der EU betrachten: Dieser Meinung sind hierzulande wie EU-weit 49 Prozent der Befragten. (Quelle: Eurobarometer)


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