Femizide in Mexiko: Fatale Signale

Nicht allein durch einen erbarmungslosen Drogenkrieg, sondern auch durch die vielen Morde an Frauen hat die mexikanische Grenzmetropole Ciudad Juárez traurige Berühmtheit erlangt. Im Jahr 2009 wurde Mexiko deswegen sogar international verurteilt. Die Justiz tut wenig, und noch immer gibt es in der Stadt die meisten Femizide im Land. Doch die Kämpfe der Mütter der Ermordeten waren nicht ohne Erfolg.

„Feminist statt Feminazi“: Demonstration gegen Gewalt gegen Frauen in Ciudad Juárez. Im Bildhintergrund markiert ein rosa Fahrrad die Stelle, an der Isabel Cabanillas im Januar 2020 auf dem Nachhauseweg erschossen wurde. (Foto: Carolina Rosas Heimpel)

Der Arm der Bronzestatue zeigt zum strahlendblauen Himmel empor. In das fließende Gewand der weiblichen Figur sind Blumen eingearbeitet. Die Sträucher und Bäume, die die Plastik umgeben, blühen. In der Wüstenstadt Ciudad Juárez hat der Frühling begonnen. Dennoch verirren sich nur vereinzelt Besucher*innen hierher, zum Mahnmal gegen Femizide. Die fußballfeldgroße Gesamtanlage des Monuments dürfte weltweit ihresgleichen suchen. Doch suchen muss man das Mahnmal auch hier: Außerhalb der von einer rosa gestrichenen Mauer umgebenen Anlage fehlt jeglicher Hinweis, was sich dahinter verbirgt. Das große Tor, durch das man dorthin gelangt, bleibt manchmal geschlossen.

„Wenn Sie auf der Straße jemanden nach dem Mahnmal fragen, wird er nicht einmal wissen, dass es existiert“, sagt Diana Morales, Anwältin und Menschenrechtsaktivistin. Die mexikanische Regierung sei durch ein Urteil des Interamerikanischen Gerichtshofs im Jahr 2009 verpflichtet worden, das Denkmal zu errichten. Genau an der Stelle, wo Jahre zuvor acht Frauenkörper auf einem Baumwollfeld gefunden worden waren, das damals noch am Rand der Boomtown lag, die direkt an der Grenze zu den USA angesiedelt ist. Zum Ort der kollektiven Erinnerung wird die Anlage nur aus Anlass von Gedenkveranstaltungen an wichtigen Jahrestagen, wie dem 8. März, dem Internationalen Frauenkampftag, oder am 25. November, dem Tag gegen Gewalt gegen Frauen.

„‚Was habe ich von diesem Mahnmal?‘, haben mir Mütter von ermordeten Frauen stets gesagt“, erinnert sich Morales, die früher Sonderstaatsanwältin zur Gewalt gegen Frauen war. Vierzehn Monate hat sie diesen Job durchgehalten. Von den rund zweihundert Beamt*innen, mit denen sie in dieser Zeit zusammenarbeitete waren gerade mal zwei Ermittler wirklich daran interessiert, Frauenmorde aufzuklären. Für die Hinterbliebenen war deren juristische Aufarbeitung ohnehin kein Trost. „Die Familien wollen ihre Töchter und Mütter und Schwestern lebend zurück.“ Effektive Präventionsmaßnahmen, wie sie vom Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof gefordert worden waren, seien bis heute ausgeblieben.

„Immer noch wird den Familien gesagt, sie sollten erstmal zwei Tage warten, wenn sie eine Vermisstenanzeige stellen wollen.“ Das sei aber genau die Zeitspanne, in welcher Frauen und Mädchen erfahrungsgemäß noch lebend gefunden werden können. „Die Beamten kommen immer wieder mit den gleichen alten vorurteilsbehafteten Geschichten: Das Mädchen sei doch gewiss mit einem Freund durchgebrannt und die Frau vielleicht bei einem Geliebten.“

Da die betreffenden Frauen auf diese Weise „reviktimisiert“, also erneut zum Opfer gemacht werden, bleiben wichtige Ermittlungsmöglichkeiten unbeachtet. Und die vorherrschende Straflosigkeit sende fatale Signale aus. Denn heute sind es vor allem Partner und Ex-Partner, die Frauen ermorden: weil sie diese als ihren Besitz ansehen. „Gewalt gegen Frauen in einer Partnerschaft wird gesellschaftlich normalisiert. Von gefassten Tätern habe ich immer wieder gehört: Ich hätte nie gedacht, dass ich deswegen ins Gefängnis komme.“

Erstmals der Begriff Femizid

Der Mord an der Modedesignerin und Künstlerin Isabel Cabanillas ist noch immer unaufgeklärt: Unser Foto zeigt sie bei einer Ausstellung ihrer Arbeiten auf der Plaza Cervantina in Ciudad Juárez. (Foto: Carolina Rosas Heimpel)

Anfang der 1990er-Jahre wurde in Ciudad Juárez erstmals weltweit der Begriff Femizid verwendet, um einer nicht endenden Hassmordserie an Fabrikarbeiterinnen einen Namen geben zu können. Damals waren junge Migrantinnen aus ganz Mexiko in die Stadt gezogen und fanden Jobs in den Weltmarktfabriken an der Grenze. Das ermöglichte ihnen eine bis dato ungekannte ökonomische Unabhängigkeit. Ein Konglomerat aus reichen Unternehmern und Kartellangehörigen in Zusammenspiel mit korrumpierten Polizei- und Justizbeamten trat zum Rachefeldzug an, um diejenigen grausam zu strafen, die traditionelle Geschlechterrollen erfolgreich infrage stellten. Junge Frauen wurden nach der Schichtarbeit entführt, vergewaltigt, gefoltert, umgebracht und in der Wüste verscharrt.

Rund dreihundert Fabriken prägen auch heute noch das Stadtbild von Ciudad Juárez: Glänzend weiße Anlagen hinter Stacheldraht, mit sauber gestutzten Bäumen auf dem Parkplatz für das Personal des Mittelbaus – die angestellten Ingenieure. Die Arbeiter*innen werden in einer Flotte weißer Personaltransportbusse hergekarrt und am Ende ihrer Schicht wieder in die Schlafstädte am Rande der Wüste hinausgefahren. Dort kleben winzige Häuser aneinander und bilden ein Meer aus Beton. Parks und weiterführende Schulen fehlen hier. Krankenhäuser und Regierungsgebäude liegen zwei Stunden entfernt im Stadtzentrum. Sie sind nur mit den röhrenden alten Schulbussen, die den öffentlichen Transport bestreiten, zu erreichen.

Die jungen Künstlerinnen „Nayo“, „Poli no Police“ und „C is for Scorpio“, wie sie sich nennen, sind mit den Frauenmorden groß geworden. Sie wurden hier in der Stadt geboren, als man die Femizide offiziell zu zählen begann. „Unsere Kindheit und Jugend fand zuhause statt. Als Mädchen hofften uns unsere Familien zu schützen, indem sie uns einsperrten“, erzählt Poli no Police. Das sei für sie „Normalität“ gewesen, obwohl es „keine sein sollte“.

Auch im Alltag und auf der Straße wurden so traditionelle Rollenbilder durch die Gewalt gegen Frauen zementiert: „Der öffentliche Raum blieb uns verwehrt.“ Für Mädchen, die in der Industriemetropole aufwüchsen, sei das bis heute so, ergänzt die Fotografin C is for Scorpio. Sie persönlich habe erst im Studium damit begonnen, die Stadt selbständig zu erkunden. „Schließlich war es die Kunst, mit der ich mir die Straßen eroberte und zu meinem Territorium machte.“ Trotz allem, was passiert, kann sie sich heute nicht vorstellen, von hier wegzuziehen.

„Lebendig und frei wollen wir sein“: Demonstration zum Internationalen Frauenkampftag am 8. März 2025 in Mexiko-Stadt. (Foto: Carolina Rosas Heimpel)

Mit dem Kunstkollektiv „Perras Bravas“ sind die jungen Frauen heute im Zentrum von Ciudad Juárez präsent. Auf sogenannten „Paste Ups“, kleinformatigen Postern, die sie an die Wände kleistern, bringen sie politische Botschaften künstlerisch ins Stadtbild ein. Feministische Slogans, graphische Brandsätze in Pastellfarben. Auch Sticker und Tattoos sind eine Möglichkeit des Ausdrucks. Man versuche den Fehler anderer sozialen Bewegungen zu vermeiden, die mit dem Anspruch auftreten, das politische Engagement müsse zum Lebensinhalt werden, so die Tattookünstlerin Nayo. Manchmal zögen sie sich ins Private zurück. „Aber wir finden immer wieder zueinander, denn Kunst und Kreativität sind auch eine Art Safe Space für uns, indem wir trotz allem Unrecht, das geschieht, durchatmen können.“

Vom Partner ermordet

Das Stadtzentrum von Ciudad Juárez ist dicht befahren und tagsüber von Passant*innen und Straßenverkäufer*innen geprägt. Paste Ups, Graffitis und farbenfrohe Wandgemälde zieren die zahlreichen dem Verfall preisgegebenen Häuser. Sie stehen leer, seit der sogenannte Drogenkrieg vor zwei Dekaden die Stadt in ein nichtdeklariertes Kriegsgebiet verwandelte. Damals nahm die Regierung unter Staatschef Felipe Calderon mit Militär und Bundespolizei Ciudad Juárez regelrecht ein, um das ansässige Kartell in die Schranken zu weisen und dem von ihr protegierten Sinaloakartell den Weg auf den US-amerikanischen Markt in der Mitte des Kontinents frei zu machen.

An jedem Laternenpfahl im Zentrum sind die schwarzen Kreuze auf rosa Grund aufgemalt, mit denen die Mütter von verschwundenen Frauen seit den 1990er-Jahren an das erinnern, was in der Stadt geschieht. Die ersten soll Paula Flores aus Lomas de Poleo gemalt haben, einem von der Wüste eingeschlossenen Viertel im Nordwesten, auf der Suche nach ihrer Tochter María Sagrario. Aktuelle Suchplakate pflastern die Juárez-Allee, die zur Grenzbrücke Santa Fe hinführt. Vor den Grenzanlagen zur texanischen Zwillingsstadt El Paso hin steht ein Holzkreuz mit Nägeln und lila Schleifen, das „Justicia“ fordert – Gerechtigkeit für die Frauen die Opfer von Hassmorden geworden sind.

„Es gibt so viele verschwundene und ermordete Frauen in dieser Stadt. Aber manche Fälle haben sich besonders in unsere Erinnerung gebrannt und unsere eigene Geschichte geprägt.“ So wie jener von Esmeralda Castillo, einer 14-Jährigen, die 2009 auf dem Weg zur Schule verschwand. Ihr Vater Jose Luis Castillo ist seitdem unermüdlich auf der Suche nach ihr. Diesen Monat wurde ein Rucksack, wie ihn Esmeralda trug, auf der „Rancho Izaguirre“ in Jalisco gefunden, wo das Kartell „Jalisco – Neue Generation“ Krematorien zur Beseitigung seiner Opfer betrieb. Marisela Escobedo, deren Tochter Rubi von deren Partner ermordet worden war, kettete sich 2010 aus Protest gegen die Straflosigkeit vor dem Justizpalast in der Landeshauptstadt Chihuahua an und wurde dort vor den Augen der Öffentlichkeit erschossen. Ihr Mörder, ein Killer des Kartells „Los Zetas“, wurde 2012 festgenommen und zu lebenslanger Hafte verurteilt. Zwei Jahre später ist er in Haft verstorben.

Die lesbische Poetin Susanna Chavez wurde 2011 vergewaltigt, ermordet und ihre Leiche verstümmelt, um es aussehen zu lassen, als wäre die Tat ein Vergeltungsmord im Drogenmilieu gewesen. Sie hatte in ihren Gedichten immer wieder auf die Femizide aufmerksam gemacht und prägte mit der Forderung „Ni una menos“ (Nicht eine weniger) die feministische Bewegung in Lateinamerika. Auch heute noch sind Aktivistinnen der Gefahr ausgesetzt, für ihr Engagement umgebracht zu werden.

Untätige Justiz

So wie die Aktivistin und Künstlerin Isabel Cabanillas. Sie wurde am 18. Januar 2020 erschossen, als sie nachts mit dem Fahrrad nach Hause fuhr. Ihre Mutter Reyna de la Torre durchlebt jeden seitdem jeden Jahrestag des Verbrechens voller Grauen. „Für mich ist es eine Endlosschleife, die ich wieder und wieder durchlaufe“, erzählt sie. Sie sehe an diesem Tag ständig auf die Uhr und wisse: „Jetzt um diese Zeit war meine Tochter noch am Leben, jetzt war sie schon tot.“ Während Isabels großer Freundes- und Bekanntenkreis am auf die Tat folgenden Tag eine spontane Demonstration veranstaltet hatte, wurden ihre Eltern in der Staatsanwaltschaft festgehalten.

Hass auf Frauen im öffentlichen Raum: Bei näherem Hinsehen finden sich in Ciudad Juárez vielerorts Gedenkorte an die Opfer eines patriarchalen Rachefeldzugs gegen Emanzipation. (Foto: Carolina Rosas Heimpel)

„Gegen meinen Mann und mich wurde ermittelt“, erzählt Reyna. „Es war grauenhaft.“ Isabels Akten gingen durch die Hände mehrerer Staatsanwält*innen. Doch nur eine einzige Ermittlungsspur wurde aufrecht erhalten: Isabel habe mit Drogen gehandelt. „Ich fordere, dass sie endlich diese Ermittlungslinie einstellen“, seufzt Reyna de la Torre. „Sie haben bis heute keinen einzigen Beweis gefunden, der diese Behauptung stützt, aber lassen seit fünf Jahren wichtige Spuren außer Acht.“

Dort wo Isabel, eine junge Frau mit blauem Pagenschnitt und großen braunen Augen, ermordet wurde, haben befreundete Aktivistinnen ein rosa Fahrrad hoch an einem Laternenpfahl aufgehängt. Es ist mit Sonnenblumen aus Plastik geschmückt. Die Straßen hier, hinter einem kleinen mit Schilf bewachsenen Bach, der durch das Zentrum fließt, sind wenig belebt. Die meisten der umstehenden Häuser sind ebenerdig und noch aus Lehm gebaut. Eine alte Markthalle zwei Straßen weiter zieht nur am Sonntagnachmittag Tourist*innen von jenseits der Grenze an, die mexikanische Souvenirs kaufen wollen.

Vom Mord an Isabel gibt es ein Video. Die Überwachungskamera einer staatlichen Einrichtung hat es von der gegenüberliegenden Straßenseite aus aufgenommen. Das Video wurde bis heute nicht ausgewertet, obwohl der Täter und sein Auto zu sehen sind. Stattdessen wurde Isabels kompletter Freundeskreis durchleuchtet. Eine Maßnahme, die eher dazu diente, eine politische und feministische Szene auszuspionieren, als mögliche Täter zu identifizieren. Isabel Cabanillas arbeitete im renommierten „Runden Tisch der Frauen von Ciudad Juárez“, einer Nichtregierungsorganisation, die seit der ersten Stunde die Mütter von Ermordeten auf ihrer Suche nach Gerechtigkeit unterstützt hatte. Mit ihrer Politgruppe „Hijas de su maquilera Madre“ („Töchter ihrer am Fließband arbeitenden Mütter“) engagierte sie sich sowohl feministisch wie auch gegen ein Minenprojekt vor der Stadt.

Isabels Fall ging um die Welt. Sie war kurz davor gewesen für einen Aufenthalt als Künstlerin nach Berlin zu gehen. „Meine Tochter kann sich nicht mehr wehren, aber ich verteidige sie mit Klauen und Zähnen.“, sagt Reyna de la Torre. Bei der Staatsanwaltschaft sei sie angesichts der Reviktimisierungs- und Kriminalisierungsversuche gegen ihre Tochter schon einmal total durchgedreht, erzählt sie. „Ich kämpfe gegen eine Institution, die Frauen schützen sollte und stattdessen verleumdet sie sie.“ Reyna glaubt nicht, dass der Mord an ihrer Tochter noch aufgeklärt wird. „Ich will nur, dass sie endlich aufhören, Isabel zu kriminalisieren.“

Ein Lied ohne Angst

Eine Erfahrung, wie sie in Mexiko unzählige Familienangehörige von verschwunden und ermordeten Frauen und Mädchen machen. Jeden Tag werden im Land zehn Frauen umgebracht. Am 8. März gingen deshalb allein in Mexiko-Stadt 200.000 Menschen auf die Straße. Über Stunden strömte der Demonstrationszug auf den riesigen „Zocalo“, den Platz vor der Kathedrale und dem Regierungspalast aus dunkelroten Ziegelsteinen. Unter einer gigantischen mexikanischen Flagge versammelten sich in Lila gekleidete Menschenmassen. Sie trugen grüne Halstücher, die für die Selbstbestimmung über den eigenen Körper stehen, und forderten ein Ende der Gewalt gegen Frauen im Land sowie ein Ende der vorherrschenden Straflosigkeit.

(Foto: Carolina Rosas Heimpel)

Zehntausende stimmten gemeinsam die feministische Hymne der mexikanischen Komponistin Vivir Quintana gegen Frauenmorde an: „Cancion sin miedo“ („Lied ohne Angst)“. Vermummte Frauen zündeten bengalische Feuer, deren Qualm die Straßen des historischen Zentrums mit lila Rauchschwaden überzog. Bei einbrechender Dunkelheit wurden Lagerfeuer entfacht. In kleineren Zirkeln berichteten Überlebende per Megafon von Gewalterfahrungen. Größere Gruppen versuchten immer wieder die vor dem Regierungspalast errichteten Absperrungen zu stürmen und wurden von Polizeieinheiten mit Tränengas zurückgedrängt. Dabei wurde der Internationale Frauenkampftag auch erstmals im Regierungspalast als Staatsakt gefeiert.

Die mexikanische Präsidentin Claudia Sheinbaum hat den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen zu einem vorrangigen Thema auf ihrer Regierungsagenda gemacht. Edith Olivares Ferreto, Generalsekretärin von „Amnesty International“ in Mexiko, findet das positiv: „Aber die Femizide sind nur die Spitze des Eisberges.“ Ferreto fordert eine Politik, die sich vor allem stärker auf die Prävention von Gewalt gegen Frauen und den Zugang von Frauen zu Gerechtigkeit und Wiedergutmachung konzentriert. „Mexiko muss das Recht von Frauen auf ein Leben ohne Gewalt garantieren.“ Das Land verfüge über eine entsprechende Gesetzgebung, die hundertprozentig mit internationalen Verträgen im Einklang stehe.

Das ist nicht zuletzt ein Verdienst der Mütter der Ermordeten. Allen voran derer, die seit drei Jahrzehnten eine Änderung des Strafgesetzbuches, die Schaffung von Institutionen wie Sonderstaatsanwaltschaften bis hin zum gerade eingerichteten Frauenministerium gefordert hatten. „Und trotzdem sind wir am 8. März auf der Straße, weil all diese Institutionen nicht garantieren, dass Frauen in diesem Land frei, sicher und ohne Angst leben können“, so die Amnesty-Funktionärin.

Dabei seien Präventionsmaßnahmen eigentlich gar nicht so schwierig umzusetzen, sagt Ferreto. „Die meisten Opfer von Femiziden kennen den Täter und meistens gibt es sogar eine Gewaltspirale, die dem Hassmord vorausgeht.“ Viele Frauen hätten schon einmal die Polizei gerufen, Anzeige erstattet, rechtliche oder psychologische Unterstützung gesucht. „Wenn es eine angemessene Evaluierung von Risiken für die Frauen gäbe, könnten viele Femizide wahrscheinlich verhindert werden.“

Aber diese bleiben alltäglich in Mexiko und die Täter kommen meist davon. Eine fatale Botschaft. Die Staatsanwaltschaften seien überfordert, unterbezahlt und oftmals fehlte es an Sensibilisierungs- und Fortbildungsmaßnahmen in Genderfragen, klärt Ferreto über die Hintergründe auf.

Grundlegende Untersuchungen, um festzustellen, ob es sich bei einem Mord an einer Frau um einen Femizid handele, würden schlichtweg nicht durchgeführt. „So bleibt es an den Familienangehörigen, eigenständig Ermittlungen anzustellen.“ Sie würden zu Expert*innen bei der Untersuchung der Hassmorde an ihren eigenen Töchtern, Schwestern oder Müttern. „Ihnen zuzuhören und sie einzubeziehen, um gegen Missstände bei den Behörden vorzugehen, würde nicht nur Gerechtigkeit ermöglichen“, sagt die Menschenrechtlerin und Feministin: „Es wäre auch unglaublich effektiv.“

Kathrin Zeiske berichtet für die woxx aus Mexiko.

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