In ihrem für fünf Oscars nominierten Regiedebüt, „Lady Bird“, erzählt Greta Gerwig einfühlsam und humorvoll von einer Teenagerin, die nichts mehr verabscheut als Durchschnittlichkeit.
Denkt man an Filme mit einer weiblichen Protagonistin, so kommen einem zunächst zwei Kategorien in den Sinn. Da wäre einmal der Bridget-Jones-Typ, eine Frau in deren Leben sich alles darum dreht, den Mann ihres Lebens zu finden. Und dann ist da der Jeanne-d’Arc-Typ, eine Frau, die allen Widerständen zum Trotz Großartiges leistet. Hierzu zählen auch Action-Heldinnen wie Imperator Furiosa, Ripley oder Wonder Woman. In dem einen Genre will die Protagonistin Männern gefallen, in dem anderen so sein wie sie.
In den letzten Jahren aber sind immer wieder auch Filme über relativ durchschnittliche Teenagerinnen entstanden, die sich gängigen Klischees entziehen. Nun Greta Gerwigs „Lady Bird“ mit Saoirse Ronan in der Rolle der siebzehnjährige Christine McPherson – oder Lady Bird, wie sie sich selbst umgetauft hat.
Lady Bird, die kurz vor ihrem Abschluss an einer katholischen Mädchenschule in Sacramento steht, mangelt es weder an Selbstbewusstsein und Schlagfertigkeit, noch an Humor. Sie liebt die Performance, weshalb sie sich an einem Schul-Musical beteiligt. In der Hoffnung, ein Uni-Stipendium erlangen zu können, versucht sie währenddessen, ihren Notendurchschnitt in Mathe zu verbessern. Die finanziellen Probleme ihrer Familie – ihr Vater hat auch noch kürzlich seinen Job verloren – prägen ihren Alltag.
Wie in den meisten Teenie-Filmen hegt auch Lady Bird romantische Gefühle für den einen oder anderen Mitschüler, macht ihr Selbstwertgefühl aber nicht davon abhängig. Eine weitaus wichtigere Rolle in ihrem Leben spielt ihre Freundschaft mit Julie (fantastisch gespielt von Beanie Feldstein). Die beiden wertschätzen und vertrauen sich gegenseitig und gehen gemeinsam durch dick und dünn. Die Liebesbeziehungen in Lady Birds Leben mögen kommen und gehen, wenn ihre Freundschaft mit Julie jedoch kränkelt, ist die Welt nicht mehr in Ordnung.
Noch wesentlich mehr Lebenserfahrungen teilt Lady Bird mit ihrer Mutter, Marion (Laurie Metcalf). Beide nehmen im Umgang miteinander kein Blatt vor den Mund. Aus Rücksicht zueinander Kompromisse einzugehen, scheint keine Option. Zu nah sind sie sich, um einander noch wirklich sehen zu können, und so können Interaktionen innerhalb von Sekunden von inniger Zärtlichkeit in passiv-aggressiven Schlagabtausch übergehen. Zwar wissen die beiden ganz genau, wie sie einander auf die Palme bringen können, kennen sich aber auch besser als irgendjemand sonst und wissen, dass sie sich aufeinander verlassen können.
Dass die Erfahrungen dieser Teenagerin und ihres Umfeldes derart nuanciert gestaltet sind, liegt hauptsächlich an der talentierten Künstlerin, die sich für Drehbuch und Regie verantwortlich zeigt: Greta Gerwig. Während der in Sacramento aufgewachsene Indie-Schauspielstar mit Filmen wie „Mistress America“ (2015), „Frances Ha“ (2012) und „Hanna Takes the Stairs“ (2007) bereits Schreiberfahrungen sammeln konnte, stellt „Lady Bird“ Gerwigs erste Regiearbeit dar. Was „Lady Bird“ so besonders macht, ist der Detailreichtum, mit dem nicht nur die Figuren, sondern auch die Welt, in der sie leben gestaltet wurden. So ist der Film denn nicht weniger das Porträt einer Teenagerin als auch Hommage an Sacramento in den frühen Nullerjahren. Durch Inszenierung und Soundtrack wird das Publikum unmittelbar ins Jahr 2002 versetzt: Referenzen auf 9/11 und den Irakkrieg dürfen hier ebenso wenig fehlen wie Lieder von Alanis Morissette und Justin Timberlake. Das Endergebnis ist ein liebevoll gestaltetes, handwerklich solides Porträt einer jungen Frau, die sich ihrem Umfeld nicht so recht anpassen will.
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Bewertung der woxx : XXX