Indie: Tagebuch-Musik

Listener sind ein Glücksfall für alle, die gerne zuhören: Die Indie-Band um Sänger Dan Smith überrascht seit Jahren mit ungewöhnlichen Klang-Experimenten und einem schrägen Sound.

Zuhören ist angesagt: Listener spielt am 1. Dezember im Exhaus in Trier.

Die Gitarren krächzen, die Bassnoten schnarren, die Snaredrum zerplatzt einem beinahe das Trommelfell, während im Hintergrund eine Männerstimme einen unverständlichen Text in das Mikrofon schreit. Irgendwann reißt dann der Gurt der Bassgitarre, das Lied bricht etwas ein, doch es tut der Energie keinen Abbruch, denn die vier Musiker spielen und brüllen weiter, als sei nichts passiert. Ein solches Szenario, das nach einer Garagenband aus der Nachbarschaft klingt, könnte sich auf dem Konzert der Band Listener am Samstag im Exhaus in Trier ereignen.

Die Band entstand allerdings keineswegs in einem Keller, in dem sich ein paar Freunde zum Jammen trafen, denn Listener begann eigentlich als Hip-Hop Projekt des Sängers Dan Smith. Bereits 2003 veröffentlichte er sein erstes Album, das sich stark von der aktuellen Musik unterscheidet. Von lakonischen Rapzeilen über Old-School Hip-Hop-Beats, die Wurzeln von Dan Smiths kreativen Schaffen entspringen seiner Fähigkeit, geschickt mit Wörtern umzugehen. Dies hat sich bis heute nicht verändert, obwohl der musikalische Werdegang Schritt für Schritt vom Hip-Hop wegführte, hin zu dem lauten, emotionalen Rock, den man heute von der Band kennt.

Der Musiker tourte anfangs alleine durch die Vereinigten Staaten, doch er fasste bald den Entschluss, bei seinen Live-Auftritten mit einer Band zu spielen. Aus der Erweiterung des Line-Ups um den Schlagzeuger Andrew Gibbens und den Gitarristen Erik Olsen wurde ein dauerhaftes Bandprojekt und die Umstellung machte sich auch auf den folgenden Alben bemerkbar. Listener begannen spätestens mit Wooden Heart ihre eigene Soundidentität zu entwickeln. Der markante Sprechgesang von Smith, die melancholischen Gitarrenmelodien und die treibenden Schlagzeuggrooves verleihen der Musik die notwendige Kontur.

Auf dem neusten Werk ist dies nun in seiner Reinform zu erleben. Die Gitarren sind noch dreckiger und verzerrter geworden und die Musik entfaltet so auf dieser Platte ihre ganze Energie. Vom Hip-Hop der Anfangsjahre zu einem neuen Genre des Talk’n’Roll; Listener gehört nicht zu den Bands, denen man mangelnde Experimentierfreudigkeit vorwerfen könnte. Mittlerweile spielen sie zu viert : zwei Gitarristen, ein Schlagzeuger und der Sänger am Bass.

Gelegentlich greift Dan Smith auch zur Trompete. Und wenn er singt, klingt es, als lese er aus seinem Tagebuch vor. Schonungslos ehrlich erzählt er seine Geschichten und immer wieder horcht man auf, weil seine Zeilen genau die Wahrheiten treffen, die man selbst nicht auszusprechen gewagt hätte. Manchmal spricht er seine Texte wie ein Gedicht, dann wieder schreit er auf den Zuhörer ein wie ein cholerischer Lehrer. Doch am Ende seiner Lieder lächelt er immer verschmitzt. Er war jemand anderes, als er seine Geschichte erzählte.

In Interviews weiß Dan Smith oft nicht, was er erzählen soll. Man wundert sich, weil er in seinen Liedern doch so viel zu sagen hat. Manchmal scheint es, als wäre er selbst lieber im Dunkeln geblieben, als Teil des Publikums, anstatt auf der beleuchteten Bühne zu stehen. Sympathisch und demütig – Eigenschaften, die in einer narzisstischen Kunstszene selten geworden sind. Wenn er zwischen den Liedern wissen will, wie es dem Publikum geht, dann glaubt man ihm, dass es ihn wirklich interessiert. Manchmal lädt er die Zuschauer ein, Fragen zu stellen. Man ist anfangs irritiert, weil jemand es wagt, die unidirektionale Kommunikation aufzubrechen. Dann trauen sich die ersten Mutigen und stellen ihre Fragen, die sehr unterschiedlich ausfallen: manche sind oberflächlich, andere persönlich, manche sind trivial und manche sogar metaphysisch. Die Musiker versuchen brav, alles zu beantworten, und wenn sie die Antwort mal nicht kennen, dann machen sie das, was sie am besten können: Musik.

An diesem Samstag, dem 1. Dezember im Exhaus in Trier.

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