Juncker: ohne Journalismus gut informiert

Unmenschlich, aber effizient – so brachte Jean-Claude Juncker die EU-Flüchtlingspolitik zu Libyen laut Journalisten jüngst auf den Punkt. Das System funktioniert, solange es keinen öffentlichen Aufschrei gibt.

„Der Präsident braucht weder Fernseh-Reportagen noch Fragen von Journalisten, um zu wissen, was los ist.“ Mit diesen Worten gab EU-Kommissionssprecher Alexander Winterstein am vergangenen Donnerstag beim mittäglichen Pressebriefing einem Medienvertreter Bescheid.

Der Journalist hatte eine ebenso simple wie berechtigte Frage gestellt: Könne es sein, dass eine von Jean-Claude Juncker beim EU-Afrika-Gipfel angekündigte Task Force zum Schutz von Flüchtlingen in Libyen und deren geplante Evakuierung einzig auf eine viel beachtete Reportage von CNN zurückgeht? Schließlich habe man von den heillosen Zuständen in den libyschen Lagern, von Vergewaltigung und Menschenhandel bereits seit Monaten gewusst. Die Medien hätten darüber berichtet und auch im Brüsseler Pressesaal habe man regelmäßig nachgefragt, wie sich die Resultate der von Italien betriebenen und von der Kommission unterstützten Libyen-Politik mit den humanitären Maßstäben der EU vereinbaren lassen.

Woher also nun der plötzliche Sinnes- und Strategiewechsel, wollte der Kollege wissen. Tatsächlich schlicht ein Resultat der rezenten CNN-Reportage über den Sklavenhandel mit Flüchtlingen? Auch die woxx hat die Doppelmoral der Europäischen Kommission und ihres Präsidenten hinsichtlich der Situation in den libyschen Lagern in den vergangenen Monaten wiederholt thematisiert.

„Der Präsident hat immer gesagt, dass die Situation in den libyschen Camps vollkommen inakzeptabel ist“, so Kommissionssprecher Winterstein, die Einrichtung einer „Task Force“ sei lediglich logische Konsequenz und Verstärkung des bisherigen Instruments. Von einem Sinneswandel könne daher keine Rede sein. Der nachhakende Journalist erinnerte zudem daran, dass Juncker die Doppelbödigkeit der EU-Libyen-Politik vor den Anwesenden des Gipfels offen zugegeben habe. Dass die „Zahl der Flüchtlinge, die übers Mittelmeer nach Italien kommen, in den vergangenen Monaten dramatisch gesunken ist, ist kein Zufall, sondern das Resultat einer scharf kritisierten und manchmal auch kritisierbaren, aber gleichwohl effizienten Politik“, habe der EU-Kommissionspräsident demnach gesagt.

Die „Task Force“ zu Libyen ist Teil eines sogenannten Aktionsplans, der auf dem EU-Afrika-Gipfel beschlossen worden ist. Für die zu evakuierenden Menschen in Libyen wird der Weg allerdings in Anrainerstaaten oder zurück ins Herkunftsland, nicht jedoch nach Europa führen.


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