Klimakrise: Lebenswerte Städte trotz Hitze

Die Klimakrise trifft auch Luxemburg. Um die Hitze in den Städten erträglicher zu machen, schlägt der Mouvement écologique eine umfassende Umgestaltung des öffentlichen Raums vor.

Grüner Park statt Parkplatz: So stellt sich der Méco die „Place Stalingrad“ in Esch-Alzette vor. (Screenshot: Mouvement écologique)

Über 40° Celsius sollte es in vielen westeuropäischen Städten werden, das meldeten die Wetterdienste am vergangenen Wochenende. In Luxemburg wurde es nicht ganz so heiß wie erwartet, aber Südeuropa wurde von einer Hitzewelle heimgesucht. Wenn auch die mittelfristige Wetterprognose nicht immer klappt, die langfristige Klimaentwicklung ist klar: Es wird wärmer und Hitzeereignisse wie Rekordtemperaturen und Tropennächte, in denen es nicht kälter als 20 Grad wird, werden häufiger. Maßnahmen, die die Erderwärmung möglichst weit begrenzen, reichen also nicht mehr aus: Städte und Dörfer müssen hitzeresistenter werden. Die Umweltorganisation Mouvement écologique fordert deswegen mehr Grün.

In den Städten ist es im Sommer wärmer als in ruralen Gebieten. Das ist keine neue Erkenntnis und ergibt sich einfach daraus, dass Asphalt, Beton und Steine Wärme regelrecht aufsaugen und erst langsam wieder an die Umgebung abgeben. Beton kann beispielsweise 2.000-mal mehr Hitze speichern als Luft. Besonders in der Nacht ist dieser Effekt, der „urbane Hitzeinsel“ genannt wird, zu spüren. In Nächten, in denen die Temperatur nicht unter 18 Grad fällt, ist optimaler Schlaf nicht mehr garantiert. Tropennächte sind besonders belastend und schaden der Gesundheit. Die Konzentrationsfähigkeit sinkt, der Blutdruck steigt, Herz und Kreislauf werden belastet. Besonders ältere und chronisch kranke Menschen sind betroffen.

Nicht nur Großstädte sind Hitzeinseln, das Phänomen ist auch in Luxemburg spürbar. Besonders im Zentrum der Hauptstadt, in Esch-Alzette und in der Nähe von Industrie- und Gewerbegebieten wie in Monnerich oder Differdingen ist dies der Fall. Zu diesem Schluss kommt die Untersuchung „Klimaökologische Situation in Luxemburg“, die im April 2022 veröffentlicht wurde. Erstellt wurde sie von der deutschen Umweltconsulting-Firma Geo-Net und dem Luxembourg Institute of Science and Technology (List) im Auftrag der Umweltverwaltung. Sie basiert auf einer detaillierten Modellrechnung.

Parks müssen geschützt werden

Im Untersuchungsbericht wird auch betont, wie wichtig die größeren Parks in Luxemburg-Stadt sind: Durch sie zieht in der Nacht kalter „Parkwind“ in die bebauten Gebiete und kühlt diese ab. Das zeigt exemplarisch, worin die Anpassung an heiße Temperaturen bestehen kann: Mehr Grün, weniger Asphalt und Beton. Eine Strategie kann auch sein, mehr weiße Flächen, besonders auf Dächern, zu forcieren. Dadurch wird die Albedo, also das Rückstrahlungsvermögen, erhöht. Während schwarzer Asphalt die Wärme aufnimmt, reflektieren weiße Dächer das Sonnenlicht zurück in die Atmosphäre und nehmen weniger Wärme auf.

Effektiver ist es allerdings, Bäume zu pflanzen. Sie sind nicht nur gut für das Stadtklima, sondern auch für das menschliche Wohlbefinden. Besonders Laubbäume mit großen Kronen spenden Schatten, speichern Wasser und sorgen durch Verdunstung für Abkühlung. Eine Studie der ETH Zürich bestätigte dies durch Satellitenmessungen: Die Oberflächentemperatur in Luxemburg ist in Parks rund 10 Grad kühler als auf bebauten Flächen. Zu beachten ist hierbei allerdings, dass die Unterschiede in der Lufttemperatur nicht so stark sind.

Verschiedene Anpassungsmaßnahmen haben 
unterschiedliche Wirkungen im Tagesverlauf. (
Grafik: GEO-NET & LIST)

Die klimaökologische Studie über Luxemburg weist darauf hin, dass es besonders wichtig sei, die Parks in Luxemburg-Stadt und Esch zu erhalten und zu schützen. Die Autor*innen geben auch viele Vorschläge für Neupflanzungen: Zwar sollten die Bäume möglichst viel Schatten spenden, ein geschlossenes Kronendach verhindert jedoch den Luftaustausch, bei mehrspurigen Straßen bieten sich Bäume auf dem Mittelstreifen an. Entsieglung und die Reduktion von Stellplätzen für Autos sind ebenfalls auf der Liste zu finden. Dort, wo unbedingt PKWs stehen müssen, sollte dies auf Rasengittern passieren, damit einerseits die Wärmebelastung sinkt und andererseits das Wasser versickern kann. Auch offene Wasserflächen wie Teiche oder Flussläufe helfen, die Wärmebelastung am Tag zu senken.

Bäume pflanzen gegen die Hitze

Der Mouvement écologique hat gemeinsam mit dem Oekozenter Pafendall eine Umfrage und mehrere Webinare unter dem Motto „Mehr Grün in unseren Städten und Dörfern“ durchgeführt. Am vergangenen Mittwoch präsentierten die Umwelt-NGOs die Resultate der Umfrage und die damit verbundenen Forderungen im Rahmen einer Pressekonferenz. Es sei oberstes Ziel, gegen die Ursachen der Klimaerwärmung zu kämpfen, heißt es im Dokument dazu: „Eine Durchgrünungsstrategie für unsere Siedlungen stellt komplementär dazu eine wichtige Anpassung an den Klimawandel dar, um dessen Folgen auf der Ebene unserer Siedlungen so weit wie möglich zu mindern.“

Oberste Forderung ist ein „Gebot der Durchgrünung“, das in relevanten Gesetzen und Bestimmungen verankert werden soll. Damit soll sichergestellt werden, dass in neuen Flächennutzungs- und Teilbebauungsplänen genügend Bäume und Grünflächen vorgesehen sind. Obwohl schon im Natur- und Klimapakt Maßnahmen zur Durchgrünung vorgesehen sind, sollte nach Vorstellung des Méco eine nationale Förderstrategie auf die Beine gestellt werden.

In den meisten Fällen sind die Gemeinden für die Gestaltung des Straßenraums und der Grünflächen zuständig. So fordert der Méco von den 100 Gemeinderät*innen des Landes ein politisches Bekenntnis, dem eine kommunale Strategie und daraufhin auch Taten folgen sollten. Es sei wichtig, dass öffentliche Träger mit einem guten Beispiel vorangingen – sonst sei es etwas schwer zu vermitteln, wenn man private Schottergärten verbiete.

Grafik: Ministère de l’Énergie et de l’Aménagement du territoire

Papier ist geduldig und 
Stein für die Ewigkeit

Die Umfrage, die der Mouvement im Zuge seiner Kampagne durchgeführt hat, haben 180 Expert*innen ausgefüllt: Planer*innen, Mitglieder von Gemeinderäten und -kommissionen, Gärtner*innen und Naturschützer*innen. Eine große Mehrheit von ihnen ist sich einig, dass der politische Wille zur Durchgrünung und der Zusammenhang zwischen Grünflächen und Stadtklima fehlt. Ganze 95 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass Bäume prioritär und von Anfang an bei Planungen mitgedacht werden müssten – und dass es mehr sein müssten. „Es bedarf Gesetze und Regelungen, die Grünflächen in ein gesundes Verhältnis zu Betonflächen setzen müssen“, wird ein*e Teilnehmer*in der Umfrage zitiert.

Es gibt in Luxemburg erstaunlich viele Leitfäden und Planungshandbücher, die sich mit Grünflächen im Siedlungsbereich auseinandersetzen. Bereits 2006 veröffentlichte das Umweltministerium eine Broschüre zum Thema „Landschaftsgerechte und ökologische Gestaltung von Wohngebieten“, in denen aus einer konventionellen Siedlung eine grüne Oase wird. 2021 veröffentlichte das Landesplanungsministerium gemeinsam mit dem Innenministerium das „Planungshandbuch – Guide pour une qualité urbaine“, in dem unter anderem Vorschläge für ökologische Parkplätze, Gemeinschaftsgärten, kleine Parks und biodiversitätserhaltende Stadtviertel gemacht werden. Auch ein „Guide éco-urbanisme“ wurde veröffentlicht – auf dem Titelbild ein grünes Utopia, von dem die Bewohner*innen des real existierenden Luxemburgs nur träumen können.

So gibt es viele gute Vorschläge, auf geduldigem Papier, aber keine grüne Umsetzung. Aufheizende Steine scheinen die Verantwortlichen dann doch mehr zu reizen als kühlende Grünflächen. Ein Paradebeispiel ist etwa die neugestaltete „Place de Paris“ in der Hauptstadt. Damit sich das ändert hat der Méco nicht nur ein langes Dossier erarbeitet, sondern auch drei kurze Filme animiert: Sie zeigen, wie Plätze in Luxemburg, Esch und Mersch aussehen könnten – wenn denn der politische Wille zu mehr Grün da wäre.


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