Abkühlend oder aufwärmend, die Interaktion der Wolken in der Troposphäre mit dem Treibhauseffekt ist kompliziert. Das wirkt sich auf die Qualität der Klimaprognosen aus.
Wolken, diese flüchtigen Gebilde am Himmel, beeinflussen den Strahlenhaushalt, und damit das Klima der Erde. Etwa 50 der insgesamt 240 Watt pro Quadratmeter der globalen Sonneneinstrahlung werden von ihnen reflektiert – das wirkt abkühlend. Jedoch haben nicht alle Wolken den gleichen Effekt. Die hochliegenden Zirruswolken, die aus winzigen Eisteilchen bestehen, lassen den Großteil der Solarstrahlung durch. Die tieferliegenden Wasserwolken dagegen, die aus lauter Wassertröpfchen zusammengesetzt sind, wirken stark reflektierend und sorgen so für starke Abkühlung.
Frage an Wolke 7
Ein zweiter Wolken-Faktor gesellt sich hinzu. Er hängt mit der langwelligen Wärmestrahlung zusammen, die die Erde in Richtung Weltall verlässt. Wolken absorbieren sie, sodass ein Teil wieder zurückkehrt. Das bewirkt Erwärmung, aber auch hierbei bestehen Unterschiede. Der wärmende Effekt ist umso stärker, je kälter die Wolken im Vergleich zur Erdoberfläche sind. Entsprechend halten die eisigen Zirruswolken mehr Wärmestrahlung in der Atmosphäre zurück als die Wasserwolken.
Betrachtet man beides, den Einfluss auf Solar- und Wärmestrahlung, so überwiegt bei den tiefen Wolken insgesamt der abkühlende Effekt, bei den Zirruswolken der erwärmende. Das klingt übersichtlich, aber Wolken sind weiterhin der größte Unsicherheitsfaktor bei den Klimaprojektionen. Denn die Erwärmung verändert die globale Wolkenverteilung; die Folgen sind daher schwer abzuschätzen. Gibt es positive Rückkopplungen, also Effekte, die die Erwärmung noch verstärken? Oder negative, die ihr entgegenwirken?
„Wir wissen, dass die Summe der Änderungen der Wolken in einem wärmeren Klima die Erwärmung noch verstärkt“, sagt Ulrike Lohmann vom Institut für Atmosphäre und Klimasysteme an der ETH Zürich. Lohmann geht seit vielen Jahren den komplizierten Wechselwirkungen zwischen Wolken und Klimawandel nach. Einige Fragen hierzu kann sie bereits beantworten. Zum Beispiel, was bei den Tiefdruckgebieten in mittleren Breiten passiert. Diese verschieben sich durch die Erwärmung weiter in Richtung der Pole. Lohmann erklärt die Wirkung: „Tiefdruckgebiete bestehen aus vielen tiefen Wolken, bei denen der abkühlende Effekt durch Reflexion von Sonnenlicht überwiegt. Wenn sie in Breitengrade gelangen, in denen weniger Sonnenlicht zur Verfügung steht, reduziert sich ihr kühlender Effekt.“ Auch Gewitterwolken bescheren uns eine positive Rückkopplung, also noch mehr Erwärmung.
Saharastaub am Jungfraujoch
Ein Rätsel bleibt dagegen die Wirkung der tiefen Stratus- und Stratokumuluswolken in den Subtropen über den kalten Ozeanströmen. „Global gesehen dominieren diese marinen Wolkengebiete die Unsicherheiten bei der Erwärmung“, sagt Lohmann. Das heißt, sie sind der Hauptgrund, warum Klimaforscher bei ihren Projektionen die mögliche Erwärmung bisher nicht gradgenau angeben, sondern zum Beispiel von mindestens 1 und höchstens 4 Grad Erwärmung sprechen.
Ein besonderer Typ Wolke sind die Mischwolken. Sie treten im Bereich 0 bis minus 35 Grad Celsius auf und bestehen zugleich aus Wolkentröpfchen und Eiskristallen. „Mischwolken wurden in der Forschung bisher vernachlässigt“, sagt Lohmann, „weil sie schwerer zu beobachten sind als andere Wolkenarten. Es braucht dafür Messinstrumente, die auf der Mikrometerskala verlässlich zwischen Wasser und Eis unterscheiden können.“ Hoch oben in den Alpen, unter anderem am Eggishorn, untersucht Lohmann die Mischgebilde auf kleinstem Raum, im Inneren der Wolken. Jedoch nur im Winter, wenn es kalt genug ist für die Bildung von Eiskristallen. Lohmann weiß mittlerweile schon genauer, über welchen Feinstaubpartikeln sich die Eiskristalle in den Mischwolken bilden. Man würde sie in den Hochalpen nicht vermuten: „Am Jungfraujoch sehen wir die höchsten Eiskeimkonzentrationen, wenn die Luft Saharastaub enthält.“
Die Wolkenmessungen auf der Mikroebene lassen sich nicht einfach auf die globale Dimension übertragen, dennoch steht der große Einfluss der Mischwolken auf den Strahlenhaushalt der Erde außer Frage. Eine Messung über dem südlichen Ozean ergab, dass die Unterschiede in der Eis-Wasser-Phase durchschnittlich bis zu 30 Watt pro Quadratmeter bei der Reflexion von Sonnenlicht ausmachen. Diese 30 Watt entsprechen drei Fünfteln der globalen Abkühlung durch Wolken. Wird es nun wärmer, startet ein folgenreicher Prozess: Eiswolken verwandeln sich in Wasserwolken – das bringt Abkühlung, da Wasserwolken mehr Sonnenlicht reflektieren. Fragt sich nur, in welchem Maße die Wolken in der Übergangsphase von Eis zu Wasser abkühlend wirken.
Weniger Eis, genauere Prognosen
Für exakte Klimaprojektionen ein entscheidender Aspekt, wie Lohmann in einer im Januar 2018 im Fachblatt Atmospheric Chemistry and Physics Discussions veröffentlichten Studie beschrieb. Sie bezog sich hier auf das Klimamodell ECHAM6-HAM2. Forscher der Yale University hatten 2016 versucht, Mischwolken in diesem Klimamodell abzubilden. Was aber nicht genau genug gelang. Lohmann: „Meine Kollegen hatten zu viel Eis in den Mischwolken, wodurch die negative Wolkenrückkopplung überschätzt und somit die globale Erwärmung unterschätzt wurde.“
Das lässt sich so erklären: Ist mehr Eis in den Wolken wie bei den US-Amerikanern, kann durch Erwärmung auch mehr Eis zu Wasser werden, was im Klimamodell einen stärkeren Abkühlungseffekt ergibt. Packt man bei der Berechnung dagegen weniger Eis in die Mischwolken, kann auch weniger Eis zu Wasser werden, was die negative Rückkopplung, also den abkühlenden Effekt, abschwächt. „Wenn eine Rückkopplung im Klimamodell falsch gesetzt ist, kann die zukünftige Erwärmung auch nicht richtig berechnet werden“, sagt Lohmann. Diese Ungenauigkeiten hat sie in ihrem eigenen Klimamodell begradigt, dort haben die Mischwolken einen kleineren Eisanteil. Dadurch ist die negative Rückkopplung durch mehr Wasserwolken nicht mehr so stark ausgeprägt. Bei den US-Kollegen hatte der Unterschied in der globalen Erwärmung zwischen den extremen Simulationen – einmal nur Eis in Mischwolken, einmal nur Wasser – noch 1,8 Grad betragen. Bei Lohmanns Berechnung schrumpft dieser Wert auf 0,8 Grad. Ganz so viel Abkühlung bringen die Mischwolken also nicht.
Bisher wurden die Mischwolken am Jungfraujoch und am Eggishorn in der Schweiz, sowie in Österreich am Sonnblick-Observatorium in den Hohen Tauern untersucht. Dort sind die Messinstrumente auf dem Dach einer Seilbahn-Kabine befestigt, die zwischen Stationen in 1.620 und 3.100 Metern Höhe verkehrt. Durch die lange Fahrt lassen sich größere Ausschnitte der Wolken erfassen.
Abkühlung durch Aerosole
Ausgangspunkt der Wolkenbildung sind Aerosole, kleine Schwebeteilchen, an denen sich Wassertröpfchen und Eiskristalle bilden: die Bestandteile von Wolken. Man bezeichnet Aerosole als Kondensationskeime oder Eiskeime. Aerosole können auf natürliche Weise durch Wüstenstürme, Seesalz aus dem Ozean oder ausbrechende Vulkane entstehen. Seit der Mensch industriell tätig ist, kommen anthropogene Aerosole hinzu. Zu den menschengemachten Aerosolquellen gehören Dieselruß oder der Dreck aus den Schornsteinen von Kraftwerken. Das bleibt nicht ohne Folgen. Denn mehr Aerosole bedeuten mehr Kondensations- oder Eiskeime für die Wolkenbildung, mehr Wolken wiederum bedeuten mehr Reflektion von Solarstrahlung. Aerosole, die durch menschliche Aktivitäten entstehen, führen zu einem negativen Strahlungsantrieb. Aber wie abkühlend sind die „Gegenspieler“ der Treibhausgase tatsächlich? Die Schätzungen lagen bisher mehrheitlich zwischen minus 1 und minus 2 Watt pro Quadratmeter. 1 Watt pro Quadratmeter bedeutet, Dieselruß und Co. haben die Erwärmung durch Treibhausgase um 30 Prozent abgeschwächt. Nach wie vor gibt es aber auch Schätzungen jenseits der minus zwei Watt. Hier ist der Abkühleffekt durch anthropogene Aerosole noch stärker.
Bisher verwendete man für die Berechnung aber grobmaschigere Klimamodelle, bei denen der Abstand zwischen den Berechnungspunkten recht groß ist. Diese Modelle tendierten laut der Klimaexpertin Ulrike Lohmann dazu, den Einfluss von anthropogenen Aerosolen auf die Wolkenbildung und die Solarstrahlung zu überschätzen. Eine im März 2018 im Fachblatt Nature Communications veröffentlichte japanische Studie weist nun den Weg zu exakteren Ergebnissen. Am Riken-Institut berechnete man die Effekte der Aerosole auf Wolken in einem globalen Klimamodell, dem besonders engmaschigen Nicam-Modell. „Es handelt sich um das erste globale Modell, das für Berechnungen von Aerosol-Wolken-Wechselwirkungen eine horizontale Gitterweite von 14 Kilometern benutzt“, präzisiert die Expertin. 14 Kilometer bezeichnet den Abstand zwischen jedem Punkt, an dem Temperatur, Wind, Luftfeuchtigkeit, Aerosole und Wolken berechnet werden. Dem Nicam-Modell gehört die Zukunft, denn die Maschenweite von 14 Kilometern erlaubt es, die Auf- und Abwinde und die mit ihnen verbundenen Transporte von Wärme, Feuchtigkeit und Spurenstoffen in hochreichenden Gewitterwolken explizit zu berechnen. Lohmann: „Damit werden die Klimamodelle weniger fehleranfällig.“