Laura Poitras: Gefangen in Hongkong


Der Oscar-prämierte Dokumentarfilm „Citizenfour“ über Edward Snowdens Enthüllungen dokumentiert die weltweite Überwachung durch US-amerikanische Behörden und gibt Einblick in die Welt der Whistleblower.

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Edward Snowden und Glenn Greenwald im Hotel in Hongkong. (Foto: Allociné)

„Assume that your adversary is able of a trillion guesses per second.“ Mit diesen Worten fordert ein unter dem Decknamen „Citizen Four“ operierender Unbekannter die US-amerikanische Dokumentarfilmregisseurin Laura Poitras im Januar 2013 auf, sich mit einem besseren Passwort stärker gegen mögliche Hacks zu schützen. „Citizen Four“ hat ihr wichtige, überaus brisante Informationen mitzuteilen. Seine Wahl ist nicht umsonst auf Poitras gefallen: Die Regisseurin war mit ihrem preisgekrönten Dokumentarfilm über die US-Besatzung im Irak „My Country, my Country“ selbst ins Visier der Behörden geraten.

„Citizen Four“ wird sich schon kurze Zeit später als Edward Snowden, junger „Systemadministrator“ eines Zulieferbetriebs der National Security Agency (NSA) entpuppen, und der Inhalt seiner verschlüsselten Mails als explosiver, als die Regisseurin es sich hätte vorstellen können. Snowden, der in seiner Funktion bei der NSA Zugriff zu unzähligen Geheimdokumenten hatte, bietet Laura Poitras Insider-Infos über illegale, weltweit stattfindende Abhörpraktiken an.

Ein erstes Treffen zwischen Snowden, Poitras und dem Blogger, Journalisten und Rechtsanwalt Glenn Greenwald findet in Hongkong statt, wo sich der Informant wenigstens für kurze Dauer in Sicherheit wähnt. Guardian-Journalist und Geheimdienstexperte Ewen MacAskill stößt kurze Zeit später hinzu. Die Dreharbeiten zu „Citizenfour“ beginnen in dem Hongkonger Hotel, in dem der Whistleblower Unterschlupf gefunden hat.

„Citizenfour“ ist ein aufrüttelnder, erschreckender Film, der es zugleich fertigbringt, Mut zu machen. Aufrüttelnd, weil er ohne Umschweife dokumentiert, in welchem Ausmaß die globale Überwachung stattfindet: Es sind Millionen Menschen, deren Kommunikationswege weltweit angezapft werden, gewöhnliche BürgerInnen, PolitikerInnen, Geschäftsleute. Erschreckend, weil die Verantwortlichen sich über allen Gesetzen, über allen ethischen und moralischen Erwägungen wähnen und der felsenfesten Überzeugung sind, niemals zur Rechenschaft gezogen werden zu können.

All das ist in „Citizenfour“ dokumentiert. Aufnahmen von Gerichtsverhandlungen und Anhörungen von NSA-Verantwortlichen wechseln sich mit Vorträgen über Überwachung ab und bilden so den Hintergrund, vor dem sich die Aktion in Hongkong abspielt. Geschickt zeichnet die Regisseurin so ein möglichst vollständiges Bild vom Geschehen und gewährt den ZuschauerInnen Einblick in den Inhalt der Enthüllungen Snowdens.

Dazwischen wird immer wieder Edward Snowden gezeigt, der sich, leichenblass und todmüde, immer mehr des persönlichen Ausmaßes seiner Enthüllungen bewusst wird: Er wird seine Familie, seine Partnerin vielleicht nie wieder sehen, er wird nie wieder in seine Heimat zurückkehren können, womöglich bis ans Ende seiner Tage hinter Gittern landen. Das alles, so sagt er zumindest, ist er zwar bereit auf sich zu nehmen, denn: „Ich bin eher bereit, Haft zu riskieren oder andere persönlich negative Folgen, als ich bereit bin, die Beschneidung meiner intellektuellen Freiheit und der Freiheit derjenigen um mich herum zu riskieren.“

Und doch: Man kann sozusagen im Nachhinein live mitverfolgen, wie es ihm an die Substanz geht, wie er sich verfolgt fühlt. Etwa, wenn er glaubt, ein Feueralarm im Hotel wäre eine Falle, um ihn aus seinem Zimmer zu locken.

Wenn auch manche Szenen in Snowdens Hotelzimmer etwas langwierig und quälend sind, so sind es letztendlich diese Ausschnitte, die „Citizenfour“ zu einem wirklichen Zeitdokument machen. Ein absolut sehenswerter und wichtiger Film, der Aufschluss über massenhafte Datenüberwachung gibt und die Rolle von Whistleblowern näher beleuchtet. Schade bloß, dass er in Luxemburg insgesamt nur viermal gezeigt wird.

Im Utopia.

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