Dieses Wochenende findet zum fünften Mal das Fantreffen LuxCon statt. Die woxx hat mit einem der Organisatoren über Science Fiction, Fantasy und Politik gesprochen.
Spätestens seit dem enormen Erfolg der Harry Potter-Buchreihe und der Verfilmung der Herr der Ringe-Trilogie ist das Fantasy-Genre im Mainstream angekommen und hat sich von negativen Stereotypen befreien können. Auch Science Fiction erfreut sich in den letzten Jahren wieder enormer Beliebtheit – nicht zuletzt durch die Neuauflagen von Star Wars und Star Trek, die die Kinosäle erobert haben. 2017 hatten sieben der Top Ten-Filme mit dem größten finanziellen Erfolg einen Fantastik-Bezug; 2016 sah die Situation im internationalen Box Office sehr ähnlich aus – Science Fiction, Fantasy und Comicverfilmungen sind demnach definitiv im Trend. Natürlich auch in Luxemburg, wie ein Fantreffen am kommenden Wochenende zeigt. Bisweilen wird an den fantastischen Genres kritisiert, dass sie, weil sie in anderen Welten spielen, apolitisch seien. Das trifft jedoch nicht zu. Vor allem bei der Science Fiction zeigen historische und aktuelle Beispiele, dass das Genre eigentlich ein hochpolitisches ist.
Am kommenden Wochenende, also am 14. und 15. April, findet zum fünften Mal die LuxCon statt, ein Fantreffen für alles, was mit Science Fiction, Fantasy, Comics und ähnlich fantastischer Popkultur zu tun hat. Organisiert wird die Convention, die sich an ähnliche, aus den USA kommende Veranstaltungen anlehnt, von der „Science Fiction and Fantasy Society Luxembourg“. „Für die erste LuxCon haben wir mit 500 Besuchern gerechnet, es wurden dann fast dreimal so viel“, erzählt Gérard Kraus, einer der Organisatoren. Nachdem die Schungfabrik in Tetingen für 3.000 Besucher*innen zu klein geworden war, zog die LuxCon letztes Jahr nach Luxemburg-Stadt, auf den Campus Geeseknäppchen, um. „Das Gebäude selbst hat einen gewissen Sci-Fi-Charme“, so Kraus, der betont, dass eine Messehalle für die LuxCom und ihr Konzept weniger geeignet wäre, da Lesungen oder Spielegruppen sich in einer offenen Halle nicht so gut umsetzen lassen.
Klingonisch für Anfänger*innen
Fragt man Kraus, was die Highlights der diesjährigen LuxCon sind, gerät er ins Schwärmen. „Unser diesjähriger Star ist der deutsche Fantasy-Autor Wolfgang Hohlbein, der für viele Menschen eine Art ‚Einstiegsdroge‘ in die Szene war“, erklärt er, um danach Namen auf einer langen Liste aufzuzählen. Neben Hohlbein wird zum Beispiel Kai Meyer, eine jüngere Stimme der deutschen Fantasy, auf der Messe präsent sein. Auch frankophone Fans kommen auf ihre Kosten, sie können beispielsweise mit Laurent Genefort, einem französischen Science Fiction-Autor, plaudern. „Spannend wird auch der Schauspieler Phoenix James sein, der gerne Anekdoten vom Set der Star Wars-Filme erzählt und sicher nicht nur kommt, um Autogrammkarten zu verkaufen, sondern an einem Austausch mit den Fans interessiert ist“, so Kraus weiter. Neben Verkaufsständen, Lesungen, Cosplay-Wettbewerb (Fans verkleiden sich in teilweise sehr aufwändig gestalteten Kostümen als ihre Lieblingsfiguren; die Disziplin stammt ursprünglich aus der Manga-Szene) werden auf der LuxCon auch Workshops angeboten, zum Beispiel für junge Autor*innen. Wer immer schon einmal Shakespeare im Original lesen wollte, kann auf der LuxCon einen Klingonischkurs besuchen – in Star Trek behaupten nämlich die Aliens, der englische Nationaldichter habe seine Werke in dieser Kunstsprache verfasst. Und mit den Fantasyautorinnen Ellen Kushner und Delia Sherman sowie der Science Fiction-Autorin Stina Leicht sind am Wochenende drei dezidiert feministische Künstlerinnen als Ehrengäste eingeladen.
Das hätte zu heftigen Diskussionen führen können. In den vergangenen Jahren war nämlich eine Art Kulturkampf zu beobachten, der in der Fantastikszene geführt wurde. Im Sommer 2014 wurde unter dem Namen „Gamergate“ eine Online-Kampagne gegen feministische Spielekritikerinnen geführt. Aus dieser Bewegung heraus organisierten sich Science Fiction-Autor*innen, denen ihr Genre zu sehr feministisch und ethisch durchmischt geworden war, um bei den „Hugo Awards“ Wahlblöcke zu bilden. Erfolg hatten die „Sad Puppies“ zwar nicht, aber sie zeigten immerhin, dass man nicht unbedingt progressiv sein muss, um über die Zukunft zu schreiben. Ähnliche Entrüstung schlug den neuen Star Wars-Filmen entgegen: Mal wurde ein schwarzer „Stormtrooper“ kritisiert, mal die weibliche Hauptdarstellerin. Dass die Zeiten, in denen Sci-Fi und Fantasy eine Domäne von männlichen weißen Nerds war, endgültig vorbei ist, zeigen nicht nur die Resultate der Hugos, sondern auch die Reaktionen auf die neueste Marvel-Comicverfilmung Black Panther, die besonders für ihre Repräsentation schwarzer Menschen gelobt wurde.
Die Politik von heute in der Fiktion von morgen
„Sci-Fi handelt eigentlich nie wirklich von der Zukunft, sondern immer von der Gegenwart“, sagt Kraus zu der Frage, wie politisch das Genre ist. „Das fing mit Mary Shelleys Frankenstein an, dem ersten Science Fiction-Roman. Shelley behandelte das Unbehagen gegenüber den neuen Errungenschaften der Wissenschaft. Auch George Orwell schrieb sehr politische Bücher. Wenn man sich heute ‚Ready Player One‘ im Kino ansieht oder die Buchvorlage liest, merkt man schnell, dass es da gewisse Parallelen zu den aktuellen Diskussionen über Facebook und andere soziale Netzwerke gibt. Ich habe den Eindruck, dass sehr viel Menschen die dystopische Serie Black Mirror sehen, die sich sehr kritisch mit Technologie auseinandersetzt und auch schon einige Voraussagen getroffen hat, die sich im Nachhinein als zutreffend erwiesen haben.“
Die vor kurzem verstorbene Autorin Ursula K. Le Guin zeigte in „The Left Hand of Darkness“, dass Science Fiction sich nicht nur mit Raumschiffen und Gesellschaftsordnungen abgibt, sondern sich auch mit dem Thema Geschlecht beschäftigen kann. Ann Leckie – wie Le Guin ebenfalls Hugo-Preisträgerin – benutzte in ihrer Imperial Radch-Trilogie konsequent nur weibliche Pronomen, in ihrem neuesten Roman verwendet sie sogar neu erfundene. Solche Sprachspiele würden in Texten, die nicht in ferner Zukunft und in fremden Galaxien spielen, vermutlich als „unlesbar“ abgetan. „Science-Fiction kann oft Dinge vermitteln, die in ‚realistischen‘ Settings nicht angenommen würden. Ein wenig wie das Hackfleisch, in das man das Medikament für den Hund versteckt, damit der es schluckt“, sagt Kraus, der betont, dass bei den diesjährigen Hugo Awards sehr viele Frauen und einige trans Personen nominiert sind.
Pädagogische Rollenspiele
Auf der LuxCon wird aber – neben allen politischen Diskussionen, die sich entwickeln könnten – auch viel gespielt. Spieleentwickler*innen stellen ihre neuesten Brettspiele vor, außerdem werden Pen and Paper-Rollenspielrunden angeboten. Dabei schlüpfen die Spieler*innen in die Rolle eines Charakters, während ein „Dungeon Master“ das Spielgeschehen leitet – meistens ohne Brett und vorgefertigte Geschichte, dafür aber mit umso mehr Würfeln. Klassiker des Genres heißen Dungeons and Dragons, Shadowrun oder Das Schwarze Auge. „Wir bieten aber auch die Möglichkeit, weniger bekannte Systeme auszuprobieren und so neue Konzepte kennenzulernen“, erklärt Kraus. Pen and Paper-Rollenspiele hatten in den 1980er-Jahren einen zweifelhaften Ruf, vor allem weil in den USA der Vorwurf laut wurde, die Spieler*innen würden zum Satanismus verführt. In den letzten Jahren scheint es wieder einen Aufschwung zu geben, was einerseits mit dem Fantastik-Boom und andererseits mit neuen und überarbeiteten Spielkonzepten, die mehr auf Storytelling und weniger auf strikte Regelkonstrukte setzen, zu tun hat.
Wer nicht am Spieltisch sitzen bleiben will, kann ein „Live Action“-Rollenspiel (Larp) ausprobieren. Dabei werden die Rollenspiele im Freien und in selbstgebastelter Kostümierung gemeistert. Wie auch bei den Papier-Rollenspielen dominiert das Fantasygenre die Larp-Welt, doch auch das ist im Begriff sich zu ändern. Einige Gruppen verknüpfen Larps mit pädagogischen Absichten, so zum Beispiel der deutsche Verein „Waldritter“. In einer Mischung aus Rollenspiel und Pfadfindertum versucht der Verein, Kindern und Jugendlichen ökologische Themen näher zu bringen – im Wald. Neben Umweltthemen widmen sich die Waldritter aber auch der Prävention rechtsextremistischer Tendenzen und befassen sich mit staatlicher Überwachung, Terrorismus sowie Flucht und Migration. Hier zeigt sich wieder, dass vermeintlich „unpolitische“ Hobbys durchaus eine politische Dimension haben. Wer will, kann im Rahmen der LuxCon am Wochenende ein Live-Rollenspiel der Waldritter erleben.
Die LuxCon ist aber kein Treffen, das sich nur an eingefleischte Fans wendet. Gérard Kraus beschreibt das Publikum wie folgt: „Von den Schülern über Familien bis hin zu den Firmenbossen ist wirklich jede Gesellschaftsschicht vertreten. Uns ist es wichtig, Menschen mit ähnlichen Interessen zusammenzubringen, deswegen freuen wir uns auch darüber, dass sich dieses Jahr so viele Fangruppen auf der LuxCon treffen.“ Ein Blick in das Programmheft zeigt, dass die Auswahl der auf der LuxCon vertretenen Gäste und Künstler*innen nicht unbedingt einen Männerüberhang hat, wie dies vielleicht auf vergleichbaren Veranstaltungen der Fall ist. „Das hat sich so ergeben, das freut mich allerdings sehr“, sagt Kraus dazu, „beim Publikum sieht es übrigens sehr ähnlich aus.“ Menschen mit auch nur ein wenig Interesse an Science Fiction, Fantasy, Comics, Manga und ähnlicher fantastischer Popkultur können sich am Wochenende also ohne Bedenken zum Campus Geeseknäppchen aufmachen – und eventuell entdecken, dass vieles dort politischer ist, als sie bisher annahmen.