Millionen Smog-Tote
: Dachpfannen gegen dicke Luft

Höchste Zeit, zu erforschen, woher die Luftverschmutzung kommt. Insbesondere der Feinstaub gefährdet die Gesundheit, in China wie in den USA und in Europa.

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Ästhetik des Untergangs, Shanghai 2008. (Foto: Wikimedia / Suicup / CC-BY-SA 3.0)

Im Dezember wurde Peking mal wieder vom Smog heimgesucht. Eine Stadt wie im Nebel, Atemmasken tragende Gestalten in den Straßen – diese Bilder liefen durch die Nachrichten. Dabei gehört die chinesische Hauptstadt nicht einmal zu den schmutzigsten Metropolen des Planeten.

Es ist die Stadt Ahwaz, in Südwest-Iran gelegen, die die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufgestellte Top-Ten-Liste der Städte mit Luftverschmutzung anführt. Dort sorgt die rundherum angesiedelte Schwerindustrie für ziemlich dicke Luft. Der jährliche Mittelwert: 372 Mikrogramm Feinstaubpartikel (PM 10) pro Kubikmeter. Die Weltgesundheitsorganisation gibt 20 als gesundheitlich noch tolerierbares Maximum an. Die Einwohner von Ahwaz bekommen also ungefähr das 19-fache ab. Rang zwei der Negativliste belegt Ulan-Bator. Die Hauptstadt der Mongolei kommt auf etwa 270 Mikrogramm. Smog-Ursache hier: das Heizen mit Kohle und Holz in frostigen Wintern. Dem Spitzenduo folgen mit geringem Abstand indische, pakistanische und weitere iranische Städte. Und, afrikanische Ausnahme unter lauter Asiaten, die botswanische Hauptstadt Gaborone.

Smog ist ein Kunstwort, zusammengesetzt aus smoke und fog, und bezeichnet eine hochgradige Luftverschmutzung. Man unterscheidet zwei Arten von Smog: den London-Typ und den Los-Angeles-Typ. Der Los-Angeles-Typ tritt im Sommer bei Sonneneinstrahlung auf und wird auch Photo-
smog genannt. Als chemisches Produkt bildet sich hier verstärkt Ozon, nicht direkt, sondern über Vorgängersubstanzen wie Stickstoffoxid. Während uns die Ozonschicht hoch oben in der Stratosphäre vor schädlicher UV-Strahlung schützt, schädigt Ozon unten am Boden die Gesundheit. Der klassische London-Typ, mit dem es auch Peking zu tun hat, droht dagegen nur im Winter. Bei Inversionswetterlagen schieben sich wärmeren Luftschichten auf die kälteren, die dann nicht mehr aufsteigen können. Herrscht in dieser Situation auch noch Windstille, sammeln sich die Schadstoffe in Bodennähe – und es herrscht Smog.

PM 2,5: mörderisch klein

Bei Smog ist eine ganze Reihe von Schadstoffen im Spiel. Besonders der Feinstaub gefährdet die Gesundheit. Die kleinen Partikel gelangen bei jedem Atemzug zu Tausenden in die Atemwege und die Lunge, was zu Herzkreislauf- und Atemwegserkrankungen, Allergien, sogar zu Lungenkrebs führen kann. Zwei Feinstaubklassen gibt es, PM 2,5 und PM 10. Feinstaub PM 10 hat einen Durchmesser von weniger als 10 Mikrometer, ungefähr ein Zehntel des menschlichen Haars. Feinstaub mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometern bezeichnet man als Feinstaub PM 2,5. Dieser ist noch gefährlicher, denn je kleiner die Partikel, desto tiefer können sie in die Lunge eindringen. Möglicherweise gelangen sie bis in die Blutgefäße. Die WHO-Grenze bei PM 2,5 liegt besonders niedrig. Es dürfen nicht mehr als 10 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittel sein.

Ein Wert, der oft überschritten wird. Mit schlimmen Folgen, wie das Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz berechnet hat. Jedes Jahr sterben 3,3 Millionen Menschen vorzeitig an Luftverschmutzung. Bis 2050 könnte sich diese Zahl verdoppeln, wenn die Emissionen ähnlich ansteigen wie bisher. Die Forscher konzentrierten sich bei ihrer Studie auf Feinstaub PM 2,5 und Ozon. Die Konzentration ermittelten sie mit einem globalen Modell für Atmosphärenchemie und kombinierten die Ergebnisse dann mit epidemiologischen Daten.

Überraschende Ursachen

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Schlecht für die Umwelt, schlecht für den Menschen. Insbesondere die Luftverschmutzung wirkt auf vielen Ebenen gesundheitsschädlich. (Grafik: Wikimedia / Mikael Häggström / PD)

75 Prozent der Todesfälle treten in Asien auf. Den Löwenanteil hat China, wo im Jahr 1,4 Millionen Menschen sterben. In Indien kostet die Luftverschmutzung, der Studie zufolge, jährlich 650.000 Menschen das Leben. Bei den Ursachen fand man Überraschendes: Die Hauptquellen der schlechten Luft sind im asiatischen Raum nicht Industrie und Verkehr, sondern häusliche Kleinfeuer. Viele Menschen verwenden hier Dieselgeneratoren und kochen und heizen mit kleinen Öfen und offenen, stark qualmenden Holzfeuern.

In der EU sterben 180.000 Menschen pro Jahr infolge Luftverschmutzung, 35.000 von ihnen in Deutschland. In Europa, Japan und im Osten der USA ist die Landwirtschaft „führende Ursache“ für schlechte Luft, so die Erkenntnis der Mainzer, die bei der Studie mit Instituten im Ausland zusammenarbeiteten. Ammoniak, durch übermäßigen Einsatz von Düngemitteln und die Massentierhaltung in die Atmosphäre gelangt, wandelt sich in Ammoniumsulfat und Nitrat um. Diese Stoffe tragen maßgeblich dazu bei, dass sich Feinstaubpartikel überhaupt bilden können. Die Landwirtschaft sei damit global die Ursache von 20 Prozent aller Todesfälle durch Luftverschmutzung. In manchen Ländern, in Russland, aber auch in Deutschland, liege der Anteil sogar bei über 40 Prozent.

Etwas muss sich ändern, das ist klar. Forscher gehen darum der Entstehung von Smog noch genauer auf den Grund. Atmosphärenchemiker des Forschungszentrums Jülich analysieren im Großraum Peking derzeit die chemische Zusammensetzung der Luft. Dabei geht es um Hydroxylradikale. „Diese Moleküle reagieren mit den allermeisten Schadgasen und oxidieren sie zu wasserlöslichen Produkten, welche dann mit dem Regen aus der Atmosphäre genommen werden“, erklärt Andreas Wahner, Direktor des Instituts für Energie- und Klimaforschung am Forschungszentrum Jülich und Leiter des Projekts. Bei der Oxidation bilden sich jedoch auch organische Aerosole, ein Teil des Feinstaubs, und Ozon.

Leise rieselt der Schmutz …

Ist Stickoxid in der Atmosphäre, entstehen zugleich neue Hydroxylradikale, von denen normalerweise nur winzige Mengen vorhanden sind. In sehr schmutziger Luft mit vielen Schadgasen aus Industrie und Verkehr verstärkt sich dieser Prozess so, dass die Luft zusätzlich durch mehr Ozon und mehr Feinstaub belastet ist. Die chemischen Abläufe im Sommer kennen die Jülicher Forscher von den vorherigen Aufenthalten in China. Doch welche Rolle spielen Hydroxylradikale im Winter? Welche Substanzen begünstigen Smog, wenn es wenig Licht gibt? Vor allem Sonnenlicht treibt die Bildung der Radikale an, wie Wahner erklärt. Darum wird nun untersucht, was in der kalten Jahreszeit zum Schadgasabbau und zur Feinstaubbildung beiträgt. Aus den Ergebnissen sollen effiziente Maßnahmen gegen den Smog abgeleitet werden.

Nicht nur Hauptstädter, sondern 83 Prozent der Gesamtbevölkerung im Reich der Mitte sind einer US-Studie zufolge ungesunden PM-2,5-Konzentrationen ausgesetzt. Die chinesische Regierung will Milliarden in Maßnahmen gegen Smog investieren. So soll künstlicher Regen auf Smog-belastete Städte niedergehen, um die Luft „reinzuwaschen“. Die Sprinkleranlagen, die für den entlastenden Niederschlag sorgen, stehen auf den Dächern von Hochhäusern. Eventuell kommen auch Flugzeuge zum Einsatz. So die Pläne chinesischer Forscher.

Eleganter erscheint eine Idee aus den USA. Hier geht es um den Los-Angeles-Typ, also den Sommersmog. Den soll eine Titanoxid-Legierung beseitigen, mit der Dachziegel beschichtet werden. Bei der Spezialanfertigung löst Sonnenschein eine chemische Reaktion aus, die Photokatalyse. Dabei werden die Stickoxide in der Luft in harmloses Calciumnitrat umgewandelt. Das spült der nächste Regen dann vom Dach herunter. Die Legierung kostet nicht viel und kann 88 bis 97 Prozent der Schadstoffe abbauen, heißt es. Ein Allheilmittel gegen Smog also? Besser wäre es, die Ursachen zu bekämpfen, statt nur die Symptome.


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