Nationalbibliothek: Umzug in die Cloud

Nach der Neureöffnung, 2019 auf Kirchberg, wurde die Nationalbibliothek nun mit einem neuen informatischen Bibliothekssystem ausgestattet.

Foto: GilPe/wikimedia CC BY-SA 4.0

„Nationalbibliothek – Bibliothèque nationale“, wer mit der vor fünf Jahren eingeweihten Trambahn aus der Stadt in Richtung Luxexpo fährt, der wird unweigerlich akustisch an die nahende Haltestelle genau vor dem 2019 eröffneten Gebäude der staatlichen Bibliothek hingewiesen – gesprochen von der markanten Stimme des Tramdirektors Van Der Mark. Nicht nur die bequeme Ankunft, auch die neuen Räumlichkeiten bieten ein Kontrastprogramm zu den ehrwürdigen Gemäuern des „Ale Kolléisch“, die die Nationalbibliothéik (BnL) noch bis 2019 beherbergten.

Der Umzug im Jahr eins vor Corona war ein voller Erfolg: Im Tagesschnitt besuchten um die 1.000 Personen die Bibliothek, sicher nicht nur aus bibliophilem Interesse, ist doch das vom Münsteraner Architektenpaar Bolles+Wilson entworfene Gebäude allein bereits eine Reise wert. Diese Zahlen blieben nach der Pandemie allerdings unerreicht. 2021 wurden im Schnitt 330 Besucher*innen gezählt, doch 2022 verdoppelte sich dieser Wert aber bereits auf 697. BnL-Direktor Claude Conter gibt sich zuversichtlich, dass die 1.000er-Marke demnächst wieder überschritten wird. Grund dafür dürften auch die in der vergangenen Woche anlässlich einer Pressekonferenz vorgestellten Neuerungen sein.

Als wichtigstes Vorhaben nach der Neueröffnung bezeichnete Conter denn auch die Migration der öffentlichen Datenbank der BnL auf das neue Alma-System. Auf den ersten Blick ändert sich für die Nutzer*innen nicht viel. Wie gehabt greift man auf die Bestände der BnL über das Portal „a-z.lu“ zu. Bis auf ein paar aktuelle Hinweise herrscht dort wie gehabt ein rigoroser Minimalismus: Ein Suchfeld lädt dazu ein, nach Lust und Laune herumzustöbern.

Doch hinter der schlichten Eingangsseite hat sich einiges getan. Von Mitte der 1980er-Jahre bis zur Jahrtausendwende beruhte die Informatisierung der BnL auf dem nur intern zugänglichen SIBIL-System. Über einen bei der staatlichen Informatikzentrale CTIE angesiedelten Mainframe-Computer konnten Leser*innen in der Nationalbibliothek nach den gewünschten Dokumenten suchen. Davor galt das altbekannte Stöbern in angestaubten Karteikartenkästen.

Mit dem Aufkommen des Internets entstand auch bei der BnL der Wunsch, den Katalog der Bestände online zugänglich zu machen. Es wurde auf Aleph umgewechselt und zudem darauf hingearbeitet, andere Luxemburger Bibliotheken in das System zu integrieren, der gemeinsame Katalog Bibnet.lu entstand, der die Bestände von 83 Mitgliedsbibliotheken umfasst, 18 neue Mitglieder stehen auf der Warteliste.

Alma, das am 30. November sein „Go Live“ erlebte, stellt die nächste Stufe dieser kontinuierlichen Entwicklung dar, wie Carlo Blum, Informatikverantwortlicher bei der BnL erklärt: „Dieses cloudbasierte System bietet ganz neue Möglichkeiten, die Vielfalt der Bestände zugänglich zu machen. Aleph war ein klassisches Client-Server-System, mit dem Nachteil, dass der Zugriff auf die Dateien, aber auch alle Umstrukturierungen oder Ergänzungen über die Zentrale liefen.“ Alma läuft nicht mehr als Programm auf jedem Computer, sondern in der Cloud, abrufbar über eine spezielle Internetseite. Programmupdates laufen im Hintergrund und müssen nicht an jedem Computer einzeln vorgenommen werden.

Schnell und nicht ganz stressfrei

Bemerkenswert ist auch die Schnelligkeit, mit der diese Umstellung vonstattenging. Zwischen September 2020 und Februar 2021 wurde ein „cahier des charges“ erarbeitet, welches 223 Selektionskriterien umfasste. Die Ausschreibung wurde im März 2021 publiziert. Von den weltweit zwei Firmen, die ein solches System überhaupt anbieten, hat dann Exlibris, das auch schon die Vorgängersoftware Aleph vertrieb, als einzige ein Angebot gemacht und den Zuschlag bekommen.

Zwölf interne Bibnet-Gruppen begleiteten das Projekt, 44 Fortbildungen am neuen System wurden organisiert, noch ehe es zum Einsatz kam. Der öffentliche Start war eigentlich für Ende August 2022 geplant, doch konnte der Termin, ein paar Wochen vor dem akademischen Hochbetrieb, nicht gehalten werden. Die Migration der Datenbestände, die schon beim Wechsel zu Aleph für Stressmomente gesorgt hatte, lief auch diesmal nicht ohne Tücken ab. Seit dem Start am 30. November laufen denn auch Fehlermeldungen und Fragen besorgter Nutzer*innen beim BnL-Team ein, das eifrig am Feintuning arbeitet. Doch insgesamt scheint der Umstieg zu klappen.

Anders als bei der Bibliothekssoftware, die am besten unauffällig im Hintergrund der Suchmaschine a-z.lu werkeln soll, hat die BnL ihre eigene Homepage „bnl.lu“ deutlich sichtbar runderneuert. Eine nicht überladene Einstiegsseite führt schnell zu den wichtigen Stellen innerhalb des umfangreichen Angebotes der BnL. Der durchgängig viersprachig durchdeklinierte Internetauftritt dürfte bei der ADR alle Kritik verhallen lassen, gibt es doch mittlerweile eine „Aschreiwung“, einen „Lieserkont“ oder einen „Kuerf“ zum Anklicken.

Die steigenden Besucher*innen-zahlen gehen einher mit längeren Öffnungszeiten. Die BnL steht den Nutzer*innen jetzt auch montags von 14 bis 20 Uhr zur Verfügung. Allerdings sind dann die Informations- sowie die Verleihschalter nicht besetzt, dafür bräuchte es eine weitere Personalaufstockung. Aber die Rückgabe von Dokumenten sowie die Ausleihe aus den Beständen der öffentlich zugänglichen Lesesäle im Selbstbedienungs-Verfahren ist auch montags möglich. Von dienstags bis freitags steht die BnL dann von 10 bis 20 Uhr vollumfänglich zur Verfügung, samstags von 10 bis 18 Uhr.

Ausgeweitet hat die BnL im zu Ende gehenden Jahr auch die Digitalisierung der Luxemburger Bestände die unter eluxemburgensia.lu abrufbar sind. Ziel ist es, bis 2030 den gesamten Fundus digital zugänglich zu machen.

Ein letzter Grund, der den Besuch der BnL bislang unumgänglich machte, ist auch entfallen: Jeder der über eine persönliche Luxtrust-Anmeldung verfügt, kann ab jetzt seine Mitgliedschaft bei der BnL über MyGuichet.lu beantragen oder über diesen Weg auch verlängern lassen. Aber gibt es, außer vielleicht einer nächsten Corona-Welle, überhaupt einen Grund den Weg zur BnL zu meiden?


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