An der geplanten Reform des Naturschutzgesetzes gibt es viel Kritik – aber auch etwas Lob. Ende letzter Woche reichte die Regierung einen Änderungsantrag im Parlament ein. Der wird die Gemüter allerdings nicht beruhigen.

Das Helm-Knabenkraut ist eine der national geschützten Arten, die mit dem Reformprojekt für Bauprojekte geopfert werden könnte. (Foto: MiB1905, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)
Besonders beliebt ist sie nicht, die geplante Reform des Naturschutzgesetzes. Umweltminister Serge Wilmes hatte sie am 19. Juni 2024 im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Innenminister Léon Gloden (beide CSV) und Raumplanungsminister Claude Meisch (DP) unter dem Titel „Méi a méi séier bauen“ vorgestellt. Bei der Vorstellung seines Reformsprojektes in der zuständigen Parlamentskommission musste er erst einmal zurückrudern: Er habe nie gesagt, dass der Naturschutz das Hauptproblem beim Wohnbau sei. Diese Erzählung – die den CSV-Wahlkampf durchzog – wird jedoch weitergeführt. Auch in dem Änderungsantrag, den die Regierung Ende letzter Woche ins Parlament einbrachte, ist sie zwischen den Zeilen zu lesen.
Dieser ist aber vor allem eins: erstaunlich. Es handelt sich nicht um eine Liste mit Arten, die durch die verschiedenen, öffentlich viel diskutierten Konzepten wie „Natur auf Zeit“, „Bam-Präbbeli“ und der „Ein für alle Mal“-Kompensierung tendenziell weniger Schutz haben sollten. Stattdessen liegt der Fokus auf der Umsetzung einer EU-Direktive für erneuerbare Energien vom 18. Oktober 2023. Für Windkraft und Fotovoltaik sollen zusätzliche Ausnahmeregelungen im Naturschutz eingeführt werden. Es stellt sich die Frage, warum die Bestimmungen dieser Direktive nicht bereits in den ursprünglichen Gesetzestext eingebaut wurden, der am 16. Oktober 2024 in die Chamber eingebracht wurde.
Digitalzwang im Naturschutz
Im Änderungsantrag der Regierung sind außerdem Entscheidungen der interministeriellen Arbeitsgruppe „Wohnbau“ eingebaut. Im „Exposé des motifs“ heißt es, dass für alle Etappen einer Genehmigungsprozedur im Naturschutz Fristen eingeführt werden sollen. Auch das Prinzip, dass ein Antrag als komplett gilt, wenn die Verwaltung nicht innerhalb einer bestimmten Frist antwortet, soll Teil des Naturschutzgesetzes werden.
Eine weitere neue Bestimmung ist der Digitalzwang bei Anträgen. Sechs Monate, nachdem das neue Gesetz in Kraft getreten ist, müssen alle Anträge über myguichet.lu eingereicht werden, Papier wird nicht mehr akzeptiert. Das, so die Erklärungen der Regierung im Begleitschreiben, weil es „einen hohen administrativen Aufwand“ bedeute, wenn Anträge gescannt werden müssten. Laut Alex Donnersbach (CSV), dem Berichterstatter des Gesetzes im Parlament, gibt es auch andere, praktische Überlegungen, wie er gegenüber der woxx sagte: „Digital ist es schwieriger, etwas zu vergessen. Wenn Anlagen gefordert sind und man den Antrag nicht abschicken kann, weil diese nicht hochgeladen wurden, dann wird der Prozess schneller.“ Im Koalitionsprogramm von 2023 war noch Gegenteiliges zu lesen: „Die Regierung wird ältere Menschen bei der Digitalisierung begleiten und wird weiterhin ein analoges Angebot gewährleisten.“
Letzte Woche stellte die Umweltorganisation Mouvement écologique ihre Kritik an der Reform des Naturschutzgesetzes vor (woxx 1826, Mit der Kettensäge). Bereits Anfang Februar hatte „Natur an Ëmwelt“ eine umfassende Analyse der einzelnen Artikel an das Parlament geschickt. Während beide Organisationen kaum ein gutes Haar an dem Reformprojekt lassen, ist die Chambre de Commerce sehr erfreut. In ihrer Stellungnahme bejubelt sie die neuen Konzepte, vor allem da diese das Bauen beschleunigen würden. Doch bei der Umsetzung der „Natur auf Zeit“ ist sie noch skeptisch: Es müsse vermieden werden, dass dennoch Kompensierungsmaßnahmen nötig wären, wenn sich geschützte Arten im Grün der Brachflächen, die zerstört werden dürfen, ansiedeln. Dazu müsse „die ökologische Funktion von Reproduktions- und Raststätten“ dieser Arten erhalten, kontrolliert und überwacht werden. In anderen Worten: Der Staat soll dafür sorgen, dass private Bauherren Profite machen können, ohne sich vor lästigen Naturschutzbestimmungen fürchten zu müssen. Natur an Ëmwelt hingegen fragt in ihrer Stellungnahme, wie diese Arten denn künftig geschützt werden sollen: Wenn die „Natur auf Zeit“ ohne Kontrolle zerstört werden kann, könnte damit ja auch der Lebensraum geschützter Arten, die sich eventuell dort angesiedelt haben, verschwinden.
Der Bagger soll rollen
Nachdem der Méco seine Kritik der Presse präsentiert hatte, aber bevor die Regierung ihre Änderungsvorschläge ins Parlament schickte, war Berichterstatter Alex Donnersbach bei Radio 100,7 zu Gast und erklärte, Naturschutz werde in Luxemburg künftig „auf der Makroebene“ betrachtet werden. Auch er erzählte von den angeblich schwerfälligen Prozeduren beim Wohnbau. Bei einem Bauprojekt, das er juristisch begleitete, habe eine Orchidee, die „ungewollt“ zerstört worden war, den Bauprozess gestoppt. Orchideen fallen zwar nicht unter die drei bekannten Maßnahmen, doch mit dem Artikel 15 des Reformprojekts könnte künftig der Bagger auch bei national geschützten Arten durchaus rollen.

(© CC-BY-SA, Frank Liebig)
Auch laut dem alten Gesetz konnte der*die Umweltminister*in eine Ausnahme machen – für Projekte mit wissenschaftlichem, pädagogischen oder gesamtgesellschaftlichem Nutzen. Nun soll als möglicher Ausnahmegrund zudem „ein Bauprojekt“ hinzugefügt werden. „Diese Bestimmung führt eigentlich den gesamten Naturschutzgedanken ad adsurdum – denn der größte Druck auf die Natur im innerstädtischen erfolgt doch gerade durch Siedlungen“, schreibt der Méco dazu in seiner Stellungnahme und fordert eine ersatzlose Streichung. „Wir erinnern daran, dass die jüngste Rote Liste der Brutvögel einen weiteren starken Rückgang vieler Vogelarten aufzeigt, die früher in städtischen Gebieten häufig vorkamen und oft nur auf nationaler Ebene geschützt sind“, so Natur an Ëmwelt in ihrer Stellungnahme. Beispiele seien die Schleiereule, der Feldsperling, Haus- und Rauchschwalben und der Girlitz.
Die „Ein für allemal“-Kompensierung steht ebenfalls unter heftiger Kritik: Natur an Ëmwelt betont, der Status des Rotmilan könne sich sehr schnell verschlechtern, wenn Jagdgebiete wie geplant sehr weit entfernt, statt wie bisher in räumlicher Nähe kompensiert werden. Was Fledermäuse angeht, so weist die Naturschutz-NGO darauf hin, dass ihr Zustand als „ungünstig“ oder gar „schlecht“ eingeordnet wurde. Das neue Gesetz sieht zwar alle sechs Jahre eine Überprüfung vor, allerdings nur von Biotopen und Habitaten, also nicht explizit von geschützten Arten. Beide NGOs bemängeln, dass dies zu unkonkret ist; der Méco fordert explizit ein Flora-Fauna-Inventar jener Flächen, die als Bauland gewidmet sind. „Die Bauherren könnten sich die Studien sparen, und wir wüssten welche Arten wo vorkommen“, so Méco-Präsidentin Blanche Weber bei der Pressekonferenz letzte Woche. Die NGO fordert ebenfalls „nationale Studien für bestimmte planungsrelevante Arten.“
Die Salamitaktik der Regierung macht es nicht nur für die Abgeordneten schwer, das Projekt in seiner Gesamtheit zu erfassen. Auch für die NGOs – und die Presse – bedeutet dieses Vorgehen erheblichen Mehraufwand. Es wird auf jeden Fall nicht dafür sorgen, dass Wilmes’ Reformvorschlag beliebter wird.