Rock
: Eklektisches Allerlei

Lange war es ruhig um den The Strokes Sänger Julian Casablancas. Mit seiner neuen Formation The Voidz hat er es wieder mal geschafft die Welt zu überraschen.

Öffnen viele Türen – verwirren aber mit ihrer Vielfältigkeit: The Voidz.

Wenn am Montag The Voidz nach Luxemburg kommen, dann tritt im Den Atelier in Hollerich nicht irgendeine beliebige Rockband auf, sondern die neue Band um den Sänger Julian Casablancas. Die meisten kennen ihn vor allem als Frontmann von The Strokes, die Anfang der 2000er mit ihrem Garage-Rock für Furore sorgten. Die ersten Strokes-Werke stammen allesamt aus der Feder Casablancas’, der nach dem temporären Ende der Erfolgsband, nicht seine Frührente genießen wollte, sondern sich nun mit anderen Musikern austobt.

Seine aktuelle Band The Voidz hat dieses Jahr ihr zweites Album „Virtue“ veröffentlicht, das sich, so viel darf man bereits vorwegnehmen, nur phasenweise mit den Werken von The Strokes vergleichen lässt. Überhaupt fällt es schwer, ein Urteil über diese Platte zu fällen, deren fünfzehn Titel unterschiedlicher nicht sein könnten.

Das Album beginnt vielversprechend für alle Strokes-Fans mit dem Opener „Leave It in My Dreams“, einem eingängigen Surf-Rock-Song, der mit seiner Leichtigkeit beim Zuhören die Erwartungshaltung auf ein entspanntes Easy Listening Album weckt. Mit dieser Vorstellung brechen The Voidz aber bereits nach wenigen Sekunden des zweiten Titels: „QYURRYUS“ klingt so, als träfe eine orientalische Version von New Order auf Deutsche Welle. Vor allem der Vocoder-Gesang klingt seltsam fehl am Platz, dafür ist aber bereits nach den ersten zwei Liedern das sehr breite Genre-Spektrum abgesteckt.

In diesem Sinne schreitet die Musik auf dem Album „Virtue“ von einer Überraschung zur nächsten. Verzerrte Gitarren und klassische Rockriffs geben dem Zuhörer das Gefühl sich in bekanntem Fahrwasser zu bewegen. Doch wenn Gemütlichkeit einzusetzen droht, dann kennen die Musiker von The Voidz das passende Mittel, um den*ie Zuhörer*in aus dem Gleichgewicht zu bringen, wie zum Beispiel bei dem Lied „Pyramid of Bones“, wenn eine Gesangseinlage, die man im Metaljargon als „growlen“ bezeichnet, einen am Ende des Refrains überrascht.

Wenn man das Experiment wagt, sich bei allen Liedern nur auf die Stimme Casablancas zu konzentrieren, dann wird deutlich hörbar, welche Freude der Sänger wohl beim Aufnahmeprozess hatte. Die Stimme klingt derart unterschiedlich, dass es auch zehn verschiedene Sänger sein könnten. Mal klingt sie gelangweilt, mal energetisch, bei manchen Liedern krächzt sie durch die übersteuerten Mikrofone oder sie ist gänzlich in digitale Effekte getränkt. Ein roter Faden ist zwischen den Kompositionen unauffindbar.

Ohne die Last ein ganzheitliches, kohärentes Werk zu veröffentlichen, klingen die einzelnen Lieder nach Experimentierfreudigkeit und sehr unterschiedlichen Inspirationen. Unzählige Assoziationen tun sich beim Hören des Albums auf: man denkt an die lässigen Grooves von Gorillaz, an den Britpop der neunziger Jahre, an Queen und Muse und Tame Impala, an Bob Dylan und natürlich an The Strokes. Das Genre-Hopping des Albums führt den Zuhörer durch Balladen und Rock-Hymnen, kaputte Texte und heilende Harmonien. Die Odyssee findet ihr Ende mit dem Song „Pointlessness“. Eine Selbstreferenz? „What does it matter?“ singt Casablancas und vielleicht weiß er, dass es ihm mittlerweile egal sein kann, ob irgendjemand dieses Album „Virtue“ als Ganzes verstehen wird.

Die Songs sind derart verschieden, dass sie nicht über einen Kamm geschoren werden können. Das Album entzieht sich schlicht den gängigen Bewertungskriterien: manchen ist es zu poppig, anderen zu schrill, zu prätentiös oder zu langweilig.

All diese Kritikpunkte lassen sich bestimmt an einer Stelle des Albums anbringen und doch bietet es an anderer Stelle den passenden Gegenbeweis. Im schlechtesten Fall sind die fünfzehn Lieder die Restprodukte von vergessenen Harddisks der fünf Bandmusiker, im besten Fall der Versuch eines allumfassenden Albums. Mit „Virtue“ haben The Voidz auf jeden Fall eine Platte veröffentlicht, die für jede Playlist einen Song bereithält und die dennoch nur die wenigsten uneingeschränkt gut finden können.

Am 29. Oktober im Atelier.

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