Ruben Östlund: Kleinkarrierte Welt


Mitläufertum, Abgehobenheit und Scheinheiligkeit – Ruben Östlunds Analyse der Kunstwelt im Speziellen und unserer Gesellschaft im Allgemeinen fällt recht pessimistisch aus. In Cannes wurde er für „The Square“ mit der Goldenen Palme ausgezeichnet.

Manche Museumsgäste in „The Square“ wissen mit diesem Kunstwerk nicht viel anzufangen. (Fotos: outnow.ch)

Worum geht es eigentlich in „The Square“? Eine Frage, die sich so mancher auch noch nach Sehen des Films stellen mag. Zunächst einmal handelt es sich um eine sogenannte „comedy of errors“, in deren Zentrum der Museumskurator Christian (Claes Bang) steht. Sowohl in seinem privaten als auch beruflichen Leben gerät dieser im Laufe des Films immer wieder in peinlich-skurrile Situationen, aus denen er sich nur mit Mühe und Not herausmanövrieren kann. Das fängt in der ersten Szene an als eine Journalistin (Elisabeth Moss) ihn nach der Bedeutung eines scheinbar sinnfreien Satzes auf der Museumswebseite fragt, steigert sich nachdem ihm sein Mobiltelefon gestohlen wurde und kulminiert in einer ausartenden Performance auf einem Galadinner. Wie daran schon erkennbar wird, ist „The Square“ auch zugleich eine beißende Satire über den gegenwärtigen Kunstbetrieb: Museumsgäste, die nichts mit Kunst anfangen können, schlecht durchdachte Werbekampagnen, kaputte Kunstwerke, die spontan zusammengeflickt werden.

Wenn es um die Lücke geht, die zwischen Inszenierung und „richtigem Leben“ klafft, dann immer auch um diejenige zwischen den Klassen. In „The Square“ wird diese Dichotomie platt mit TeslafahrerInnen auf der einen und obdachlosen Menschen auf der anderen Seite visualisiert. Östlund ist kein subtiler Filmemacher.

Sowohl ästhetisch als auch von manchen der angesprochenen Themen her erinnert „The Square“ stark an Filme des österreichischen Regisseurs Michael Haneke. Im Vordergrund stehen die Heuchelei privilegierter Bevölkerungsgruppen und die Lebensfremdheit mancher Institutionen. In Abwesenheit konkreter Gegenentwürfe kann man diese Sichtweise zurecht als selbstgefälligen Zynismus kritisieren. Dennoch schält sich in „The Square“ in manchen Szenen auch eine darüber hinausgehende Botschaft heraus: Form und Anstand um jeden Preis wahren zu wollen, ist nicht nur lächerlich, sondern kann auch richtig gefährlich werden. Genau das macht die Eindringlichkeit der „Affenmensch“-Performance aus: Wenn alle schweigen und den Konflikt meiden, können direkt vor unseren Augen furchtbare Dinge passieren.

Dass es dem Filmemacher wichtig ist, klar verständlich Botschaften zu vermitteln, war auch schon 2014 mit „Turist“ deutlich geworden. Darin geht es um eine Kleinfamilie, die nach einem zufälligen Ereignis auseinanderzubrechen droht. Auch in „The Square“ geht es um eine Identitätskrise. Jedoch zusätzlich noch um dermaßen viele andere Dinge, dass es fast scheint, als habe sich Östlund nicht festlegen können. Dadurch, dass vieles nur angedeutet wird, ergibt der Film am Ende kein wirkliches Ganzes.

Am bedauerlichsten aber ist, dass „The Square“ genau die Art von Kunst ist, die Östlund zu kritisieren scheint. Es wurde sichtlich viel Wert auf die Form gelegt, darauf, dass der Film den Look eines Prestigewerks und ja, Gewinners der Goldenen Palme hat. Lassen sich die ästhetischen Entscheidungen noch nachvollziehen, so wünscht man sich einen stärkeren Tiefgang bei der Figurenzeichnung. Darüber hinaus scheint sich der Film vor allem an ein gebildetes, älteres Publikum zu richten. Die Bevölkerungsgruppe, die hierzulande eher ins Utopia als ins Kinepolis geht.

Im Scala und Utopia.
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