Nach dem Tod des russischen Söldnerführers Jewgenij Prigoschin ist der Umbau des ehemals „Wagner-Gruppe“ genannten russischen Afrikakorps noch immer in Gang. In der Sahelzone kämpfen die Söldner für die dortigen Militärjuntas, sichern sich wertvolle Rohstoffe und tragen massiv zur Brutalisierung bestehender Konflikte bei.

Die von ihm geführte russische Söldnergruppe „Wagner“ macht seit seinem Tod unter dem Namen „Afrikakorps“ weiter: Inoffizielle Gedenkstätte für Jewgenij Prigoschin im Jahr 2023 in Sankt Petersburg. (Foto: EPA/ANATOLY MALTSEV)
Weltweit eine Rolle zu spielen wie damals, als sich die Sowjetunion noch vielerorts auf der Welt ihre Einflusszonen sicherte – dieses Ziel verfolgt Russland unter Präsident Wladimir Putin seit langem. In Regionen wie dem Südkaukasus oder Zentralasien, die schon sehr lange unter russischem Einfluss stehen, hat das Land zwar in den vergangenen Jahren nicht zuletzt aufgrund des Kriegs gegen die Ukraine an Ansehen verloren – auf dem afrikanischen Kontinent hingegen schienen sich die Dinge aus Perspektive des Kremls vorteilhafter zu entwickeln. Dazu hat einige Jahre ein skrupelloser Manager beigetragen, ohne offizielles Amt, aber mit finanzieller Unterstützung aus der Staatskasse: Jewgenij Prigoschin.
Der Leiter der Söldnergruppe Wagner stellte bei deren zahlreichen Auslandseinsätzen unter Beweis, der passende Mann fürs dreckige Geschäft zu sein – ob in Syrien, der Ukraine oder in Afrika. Prigoschins Geschäftsmodell sah vor, diverse militärische Dienstleistungen anzubieten, um sich im Gegenzug den Zugang zu wertvollen Rohstoffen wie Diamanten, Holz, vor allem jedoch Gold zu sichern. Ein undurchsichtiges Firmengeflecht besorgte die Abwicklung.
Diese Erfolgsgeschichte der Gruppe Wagner begann spätestens 2018 in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR). Was lediglich als eine Art Schulungseinsatz begann, führte die Regierung des Landes in militärische und ökonomische Abhängigkeit. Präsident Faustin-Archange Touadéra und sein Apparat festigten ihre Macht dank Russlands Unterstützung, ohne die sie ihre Herrschaft wohl kaum in dem Maße hätten sichern können, wie es bislang der Fall ist. So geriet die ZAR zum Vorzeigemodell für die Afrika-Strategie des Kremls.
Mit dem Sudan verbindet den Kreml ebenfalls eine langjährige Beziehung, unter anderem lieferte Russland Rüstungsgüter. Den Umsturz 2019, der kurzzeitig Hoffnung auf Demokratisierung weckte, konnte Russland allerdings nicht verhindern; ohnehin war die Gruppe Wagner damals nur mit einer kleinen Einheit vor Ort. Danach unterstützte Russland offiziell zwar die neuen Machthaber, agierte aber nach dem Motto „profit first“. Russische Waffen, Berichten zufolge einschließlich Boden-Luft-Raketen, gingen über die Wagner-Kontakte seit 2023 nicht nur an die sudanesischen Streitkräfte, sondern auch an die paramilitärischen „Rapid Support Forces“, die gegen die reguläre Armee kämpfen; die Gegenleistungen waren vermutlich Rohstofflizenzen. Damit heizt Russland den Bürgerkrieg im Sudan zusätzlich an („Das Geschäft mit den Flüchtlingen“, woxx 1846).
Ab 2021 schließlich zeigte die Gruppe Wagner in Mali Präsenz („Zurück in Afrika“, woxx 1657). Vorausgegangen waren dem zwei Militärputsche innerhalb eines Jahres. Seit dem zweiten Putsch regiert der autoritäre Staatspräsident Assimi Goïta. Russische Söldner sollten die neue Militärjunta vorrangig bei der Bekämpfung von Aufständen islamistischer Terrormilizen und Tuareg-Einheiten unterstützen; ein deutlicher anderer Auftrag als in den anderen afrikanischen Ländern, in denen die Gruppe Wagner aktiv war. Im Rückblick lässt sich der Einsatz der Söldnertruppe in Mali eigentlich nur als totales Desaster beschreiben.
Die Investigativ-Plattform „The Sentry“ veröffentlichte im August einen Bericht, der das brutale Vorgehen der Söldner in Mali unter die Lupe nimmt. Wahllos wurden demnach Zivilist*innen beschossen. Drohnen kamen zum Einsatz, sexuelle Gewalt war keine Seltenheit. Beim Massaker von Moura im März 2022, verübt von den Streitkräften Malis und Wagner-Kämpfern, kamen nach Angaben der Vereinten Nationen mindestens 500 Menschen ums Leben. Die russischen Söldner setzten Sprengfallen und Landminen ein, sogar versteckt in Spielzeugen.
Mit dem Tod anderer hatte Prigoschin ein riesiges Vermögen verdient, doch im August 2023 schlug bei einem etwas mysteriösen Flugzeugabsturz sein letztes Stündchen. Zuvor hatte er sich unzweideutigen Aufforderungen, sich dem russischen Militärapparat unterzuordnen, erfolglos widersetzt („Prigoschins letztes Gefecht“, woxx 1742). Mit Prigoschins Tod zeichneten sich bei der Gruppe Wagner einschneidende Veränderungen ab. Die Gruppe Wagner sollte zerstückelt und in das „Afrikakorps“ überführt werden, eine Untereinheit des russischen Verteidigungsministeriums.
Diese Umgruppierung ist noch immer im Gang. Einige Überreste von Wagner werden seit einem Jahr von Dmitrij Podolskij geleitet, einem ehemaligen Angehörigen einer Spezialeinheit des militärischen Auslandsgeheimdienstes GRU. Andere Wagner-Einheiten wurden mit bereits vorhandenen oder frisch angeworbenen Kadern vermischt.
In den Wochen und Monaten nach Prigoschins Tod verzeichnete die NGO „Acled“, die bewaffnete Konflikte in Afrika und anderen Weltregionen untersucht, einen signifikanten Anstieg an Gewaltakten der Wagner-Söldner. Ein Grund dafür könnte sein, dass sie ihre Aktivitäten zusammen mit den malischen Truppen vermehrt Richtung Nordosten verlegten, wo rund 40 Kilometer von Gao entfernt Gold abgebaut wird.
Diesem Vormarsch in Mali waren indes Grenzen gesetzt. Im November 2024 gerieten die Söldner in einen Hinterhalt, wobei mindestens sechs von ihnen getötet wurden. Verantwortlich dafür soll die aufständische Gruppe „Jama’at Nusrat al-Islam wal-Muslimin“ (JNIM) gewesen sein, die dem jihadistischen Terrornetzwerk von al-Qaida nahesteht. Es war nicht das erste Vorkommnis dieser Art. Vier Monate zuvor meldete Malis Generalstab, es sei nahe der Grenze zu Algerien zu schweren Kämpfen mit separatistischen Gruppierungen der Tuareg gekommen. Mit der Militärjunta verbündete ausländische Einheiten waren der Nachrichtenagentur AFP zufolge daran beteiligt, was auch aus Beiträgen und Fotos in „Telegram“-Kanälen hervorging, die Wagner nahestehen. Mindestens 54 Söldner sollen ums Leben gekommen sein, der russischsprachige Dienst des britischen Rundfunksenders BBC nannte sogar die Zahl 82.
Es gelang Russland in Mali bisher nicht, sich die Kontrolle über den Goldabbau zu sichern.
The Sentry betont in seinem Bericht, dass die Mission der Gruppe Wagner, Aufständische zurückzudrängen, gescheitert sei. Im Gegenteil trage sie zur Brutalisierung des Konflikts bei, was die Bevölkerung gegen sie aufbringe. So verschaffe Wagner der JNIM größeren Zulauf. Und auch das tatsächliche Ziel der Söldner wurde verfehlt: Es gelang Russland in Mali bisher nicht, sich die Kontrolle über den Goldabbau zu sichern.
Am 6. Juni gab die Söldnergruppe Wagner ihren Abzug aus Mali bekannt. Im Telegram-Kanal „Razgruzka Wagnera“ hieß es dazu selbstherrlich, die Mission sei erfolgreich beendet. Nicht nur Tausende Aufständische seien beseitigt, man habe auch beim Aufbau einer disziplinierten Armee geholfen. Vorbei ist es mit Russlands Interesse an einer engen Kooperation allerdings keineswegs. Das Afrikakorps hatte auf dem sozialen Medium „X“ seine weitere Unterstützung „auf fundamentaler Ebene“ zugesichert, was immer damit gemeint sein mag.
In einem im Juni veröffentlichten Bericht kam die vom Ausland aus tätige russische Abteilung von „Transparency International“ zu dem Schluss, dass Russland aus seinem Goldgeschäft in Afrika trotz Schwierigkeiten nach wie vor Profit schlägt. Den Schluss, dass der Kreml Mali abgeschrieben habe, hält die NGO für verfrüht. Wahrscheinlich verfolge Russland eine längerfristige Strategie, die auf die Nationalisierung der Goldvorkommen und die Vergabe von Abbaulizenzen an mit Russland verbundene ausländische Firmen ausgerichtet sei. Das ermögliche weitaus zuverlässigere Renditen. Zumindest nach außen hin scheinen sich die Regierungen Russlands und Malis weiterhin relativ gut zu verstehen.
Im benachbarten Burkina-Faso übt die Regierung mehr Zurückhaltung. Ibrahim Traoré, der 2022 durch einen Putsch die Macht übernommen hatte, ist zwar nicht gegen die Präsenz russischer Militärs, will sie aber auf ein Mindestmaß beschränkt halten. Im Mai 2024 handelte es sich gerade mal um 300 Soldaten, doch wurden die meisten nach wenigen Monaten in die Ukraine abgezogen. Bewachen lässt Traoré sich allerdings von russischen Elitesoldaten.
Konkurrenz könnte Russland im Übrigen auch aus den USA erhalten. So hatte Nigers Staatsführung nach dem Putsch 2023 zwar für den Abzug von US-Truppeneinheiten gesorgt. Kürzlich allerdings hat sie dem „Wall Street Journal“ zufolge Kontakt zu Erik Prince aufgenommen, dem Gründer und ehemaligen Geschäftsführer des berüchtigten Söldnerunternehmens „Blackwater“, das inzwischen unter dem Namen „Academi“ firmiert, für exzessive Gewaltanwendung sowie mangelnde Transparenz bekannt ist und früh dazu beigetragen hat, private Militärdienstleistungen in Afrika als Geschäftsfeld zu etablieren. Mitte des Jahres hat Prince mit der Demokratischen Republik Kongo ein Abkommen zur Sicherung des Mineralienabbaus in einem der ressourcenreichsten und instabilsten Länder Afrikas abgeschlossen.

