Auf Netflix und plötzlich ein Welterfolg: Die luxemburgische Krimiserie Capitani wird überall gelobt. Trotz Schwächen lohnt es sich, die Serie um den Tod von Jenny Engel anzusehen.
Im Öslinger Dorf Mënscht wird eine Teenagerin tot im Wald aufgefunden. Luc Capitani (Luc Schiltz), der beste Kriminalinspektor des Landes, wollte eigentlich Urlaub in der Gegend machen und wird kurzerhand dazu beordert, sich den Fall anzuschauen. Unsicher, ob es sich um einen Unfall, Suizid oder Mord handelt, beginnt Capitani die Ermittlungen und stößt auf eine eingeschworene Dorfgemeinschaft, die dem „Fremden“ aus der Minetteregion wenig Auskunft geben will. Er rekrutiert daraufhin die Dorfpolizistin Elsa Ley (Sophie Mousel), nimmt sich ein Zimmer in der einzigen Gaststätte des Ortes und versucht, das Rätsel um den Tod von Jenny Engel (Jil Devresse) zu entwirren.
Schnell stellt sich heraus, dass Jenny eine Zwillingsschwester hatte, die verschwunden ist, in dem Dorf ein Drogenring mit einer neuartigen chemischen Droge operiert und Mënscht insgesamt in Unruhe ist, da in den nächsten Tagen eine Gemeindefusion ansteht, bei der es auch um das Schicksal des Bürgermeisters geht. Der ist außerdem als passionierter Jäger dem Wolf auf der Spur – in dem gleichen Wald, in dem die Leiche gefunden wurde, Darin befindet sich ebenfalls ein Militärlager, in dem sich ein Teil der Luxemburger Armee auf ein Manöver vorbereitet.
Viele Spuren also, denen Capitani und Ley nachgehen müssen. Während die ehrgeizige Polizistin versucht, ihrem Chef das misstrauische Verhalten ihrer Nachbar*innen zu erklären, will der mit dem Kopf durch die Wand und setzt die Menschen, die er verhört, eigentlich immer mit eher fragwürdigen Methoden unter Druck. Natürlich wäre „Capitani“ keine moderne Krimiserie, wenn die Ermittler*innen nicht auch noch private Probleme hätten: Capitani hat seine verschollene Ex in Mënscht aufgespürt, ist aber auch wegen einer vor Jahren verlorenen Dienstwaffe im Fadenkreuz der Ermittlerin der Polizeiinspektion Diane Bonifas (Désirée Nosbusch). Elsa Ley ist schwanger – von ihrem Freund, der Soldat ist und im Laufe der Ermittlungen zunehmend verdächtig wird.
Drogen, Wölfe und Gemeindefusionen
Ein Großteil der vielen Wendungen sind vorhersehbar, der entscheidende Plottwist ist allerdings tatsächlich überraschend. Ein wenig enttäuschend ist, dass viele Konflikte und Handlungsstränge zu kurz kommen. So hätte die politische Intrige rund um die Gemeindefusion und das Bürgermeister*innenamt sicherlich für viel mehr Stoff sorgen können – ebenso wie die Geschichte mit dem Wolf. Die Serie ist insgesamt sehr „voll“, sodass wenig Zeit für Charakterentwicklung bleibt.
Die filmische Umsetzung des Stoffes ist gelungen und orientiert sich an der Bildsprache moderner Krimiserien, wobei zum Glück darauf verzichtet wurde, die Wälder des „Öslings“ (gefilmt wurde vor allem im Osten des Landes) durch Filter allzu düster wirken zu lassen. Die Qualität der Dialoge und die schauspielerischen Leistungen schwanken allerdings enorm. Vor allem während der ersten zwei oder drei der insgesamt zwölf kurzen Episoden hat man das Gefühl, sowohl den Schauspieler*innen als auch den Drehbuchschreibern beim Üben zuzusehen. Zum Glück ändert sich das bald, auch wenn Capitanis Zeilen bis zum Schluss teilweise so holprig klingen, als hätte man sie aus einer englischsprachigen Krimiserie schlecht übersetzt. Jil Devresse dagegen klingt tatsächlich wie eine luxemburgische Jugendliche.
Für eine luxemburgische Serie, in der es einen Konflikt zwischen Öslinger*innen und einem Minetter Polizisten – den allerdings alle zu dessen Leidwesen für einen Hauptstädter halten – gibt, hätte man sich auch sprachlich etwas mehr Lokalkolorit erwarten können. Überhaupt spielt Capitani in einem fiktiven Luxemburg, in dem niemand Französisch, Deutsch oder Portugiesisch spricht. Die Titel der einzelnen Episoden, die Gedichten und Liedern von Michel Lentz entnommen sind, stellen einen passenden poetischen Fingerzeig an die literarische Tradition Luxemburgs dar.
Nachdem die Serie nun auf Netflix in mehreren Sprachen gestreamt wird, wurde sie scheinbar zu einem kleinen Hit in verschiedenen Ländern. Capitani ist, das lässt sich nicht bestreiten, eine solide Krimiserie mit einer intelligenten, wenn auch überladenen Handlung. Den cholerischen Ermittler, der eine düstere Vergangenheit hat, die junge, naive, aber fleißige Berufsanfängerin – das ist alles weder neu noch sonderlich innovativ. Aber es funktioniert, und es ist auf Luxemburgisch. Die positiven Reaktionen und die große Zuschauer*innenresonanz zeigen, dass man eigentlich noch mutiger hätte sein können. Zum Glück ist eine zweite Staffel angekündigt.