Sybille Berg: GRM-Brainfuck

Vom deutschen Feuilleton hochgelobt, ist Sybille Bergs neuester literarischer Erguss doch nichts anderes als ein äußerst anstrengender und angestrengter Versuch einer Dystopie, die nicht funktioniert.

Vier Halbwüchsige in einem England, das zeitlich nicht so weit von uns entfernt liegt: Hannah, Karen, Don und Peter leben in einem Königreich, in dem der Brexit vollzogen, die Monarchie abgeschafft und der Neoliberalismus dank Überwachungsstaat herrscht als ob es nie eine andere Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung gegeben hätte. Berg begleitet die Jugendlichen von Kindesbeinen an durch ein zerstörtes Familienleben, geprägt von Alkohol- und Drogensucht, Gewalt, Vergewaltigung, Kinderprostitution und psycho-religiöser Verwahrlosung. Gleichzeitig unternehmen die Mächtigen immer neue Anläufe um die Bevölkerung zu kontrollieren, ohne dass dies ihr besonders auffallen würde. Soziale Manipulation um die definitive Zerstörung der Mittelschicht zu rechtfertigen und eine Zivilisation zu erschaffen, die nur noch aus Superreichen und zufriedengestellten Armen besteht – das ist die politische Software von Bergs England 2.0. Schlussendlich gelingt es auch, und die Menschheit wird zwar dumm und leblos, aber auch happy und, genetischer Optimierung sei Dank, gerettet.

Wäre „GRM-Brainfuck“ eine Novelle, wäre das Werk durchaus lesbar. Aber die Geschichte zieht sich über 634 unendlich lange Seiten bei deren Lektüre man zeitweise Mitleid mit den Lektor*innen bekommt, die sie in Form bringen mussten. Denn eigentlich ist das Buch über lange Strecken hinweg nichts anderes als ein Elendsporno in dem die Autorin versucht sich in der Darstellung des Ekels selbst zu übertreffen und sich scheinbar sehr wohl dabei fühlt Vergewaltigung, Verfall, Körpergerüche und sexuelle Perversionen genau zu beschreiben. Abwechselnd dazu gibt es seitenweise Belehrungen über Wirtschaftssysteme, Überwachung und Hacking, die wirken als hätte Berg sie aus der Fachliteratur copy-pasted.

Und dann ist da noch der Stil. Ganz zerhackt. Gibt sich Sybille Berg. Der Desillusion hin. Was die Lektüre nicht einfacher macht, zumal sie beständig und oft scheinbar willkürlich zwischen ihren Hauptcharakteren und Nebenpersonen hin und her springt – ohne dass dies viel Sinn ergeben würde. Der/die Leser*in ist den Launen der Autorin hilflos ausgeliefert. In diesem Sinne ist das Buch wirklich einfach nur „Brainfuck“. Sicher, nicht jeder Antizipations-Roman braucht eine abschließende Moral, aber auch da haben andere – man denke an Leif Randts „Planet Magnon“ – weitaus bessere und tiefgründigere Visionen geliefert, welche die Gesellschaft in Frage stellten, ohne sich an ihrer Verwahrlosung aufzugeilen. In dem Sinne ist „GRM-Brainfuck“ nur zu empfehlen, wenn man mal so richtig schlechte Laune hat. Oder als Geschenk für die ungeliebten Schwiegereltern.

 


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