Total Black Hell

Black History Month in Nordamerika – die woxx macht mit: Part I einer dreiteiligen Serie über frühe Punk- und Metal-Bands, die sich ausschließlich aus Schwarzen rekrutierten.

Waren eine der ersten Punk-Bands überhaupt: Das Detroiter Gebrüder-Trio “Death”. Von links nach rechts: David, Bobby und Dannis Hackney. (Foto © Tammy Hackney)

Kaum zu glauben, aber bald zehn Jahre ist es nun schon her, seit das eher für Antifolk renommierte Label „Drag City“ dem Publikum eine Flaschenpost aus den Siebzigerjahren vor den Latz geknallt hat: Eine LP, die bereits 1975 eingespielt worden war! Damals war die Welt im Disco-Fieber, und niemand hatte sich für die sieben wütenden Geniestreiche interessiert. Die Aufnahmen dümpelten im Meer des Vergessens. Nun jedoch, im Jahr 2009, entpuppte sich die bei Drag City entkorkte Flaschenpost als Granate.

…For the Whole World to See“, so der treffsichere Titel des Albums, denn was es zu sehen und vor allem zu hören gab, war ein der Welt sich offenbarender musikalischer Meilenstein. Platziert hatte ihn ein Trio aus Detroit mit dem schlichten Namen „Death“.

Bereits der Opener „Keep on Knocking“ knallt unglaublich los, eine Surf Punk-Hymne, der man den Einfluss durch die ebenfalls aus Detroit stammenden „MC5“ und ihren Hit „Kick out the Jams“ von 1968 nicht absprechen kann. Werden MC5 heute als eine der Rock-Bands bezeichnet, die für die Entwicklung des Punk maßgeblich waren, so gelten Death rückblickend als eine der ersten Punkbands überhaupt. Ihr unveröffentlichtes Album hatten sie nämlich bereits im Kasten, als die „Sex Pistols“ gerade erst lernten, wie man sich eine Gitarre umschnallt.

Death sind daher Pioniere im doppelten Sinn. Denn  weltweit, sondern wohl die erste Kapelle dieses Genres, die ausschließlich aus Schwarzen bestand (wobei ihnen zumindest die im nächsten Teil der Miniserie vorgestellte Band „Pure Hell“ diesen Titel streitig macht, aber letztlich ist das auch egal). Bis zur Wiederentdeckung von Death standen die 1977 in Washington D.C. gegründeten „Bad Brains“ in diesem Ruf.

Über Genrebezeichnungen scherte man sich allerdings Mitte der Siebzigerjahre wenig, wie die Band sich rückblickend erinnert: Alles was laut und hart war, war Rock ‘n‘ Roll. Und hätte damals jemand in der Detroiter Szene einen Musiker als „Punk“ bezeichnet, hätte er für diese Beleidigung in die Fresse gekriegt.

Medizin gegen Disco-Fieber

Death hatten 1971 als Funk Band begonnen. Doch nach dem Besuch eines Konzerts von „The Who“ war für die Brüder Bobby, David und Dannis Hackney klar, dass man es lieber krachen lassen will. Sehr zum Verdruss der Kids in der Nachbarschaft, die zu der Zeit auf Bands wie „Earth, Wind & Fire“ standen.

„Ich glaube, das war der Hauptgrund, weshalb Death so eine aggressive Kante hatten“, erinnert sich Bobby Hackney rückblickend in einem Interview. Wenn die Leute wollten, dass die Band etwas anderes spielt, habe David sie mit seinen Power-Akkorden gekillt: „Je mehr sie uns verändern wollten, desto mehr sind wir in den Rock ‘n‘ Roll geschlittert und haben versucht, härter, schneller und rauer zu werden.“

Zu Kompromissen waren Death nicht bereit. Das musste auch Clive Davis, Chef von Columbia Records erfahren, der den drei Brüdern 1975 den Gang ins Studio finanziert hatte. Er wollte, dass sie ihren Namen ändern, damit sich die Musik besser vermarkten lässt. Doch die Band lehnte ab, und Davis brachte das Album nicht heraus. Lediglich zwei Stücke, das wütend-trockene „Politicians in My Eyes“ und „Keep on Knocking“ wurden von Death damals auf einer selbstvertriebenen Single in einer Auflage von 500 Stück veröffentlicht.

Liveauftritte konnte die Band in Detroit seinerzeit ebenfalls nicht viele absolvieren. „Wir waren eine All-Black Rock ‘n‘ Roll-Band!“, erklärt Bobby lachend in dem Interview. Zudem war es die Zeit des Vietnam-Kriegs, und Disco-Musik war damals riesengroß: „Vielen ging es nur darum, eine gute Zeit zu haben, und so zu tun, als ob all die Probleme der Welt einfach nicht existieren. Als echter Rock ‘n‘ Roller konntest du mit sowas nichts anfangen.“

Schließlich zog die Band nach Burlington in Vermont, Mitte der Siebzigerjahre die Ostküstenversion von San Franciscos Haight Ashbury. Ein krasser Kontrast zum harten Detroit, der für die Brüder bisweilen auch schwer auszuhalten war. Immerhin gab es in Burlington zahlreiche Auftrittsgelegenheiten. Als die Band allerdings für ihren ersten Gig plakatierte, kam erstmal die Polizei vorbei. Sie fürchtete, eine schwarze Gang mache sich in der Stadt breit.

1977 löste sich die Gruppe auf. Während David 1982 nach Detroit zurückzog und 2000 an Lungenkrebs starb, gründeten die beiden anderen Brüder eine Reggae-Band. Seit ihrer Wiederentdeckung im Jahr 2009 sind sie aber auch als Death wieder musikalisch aktiv. Und auch einen Dokumentarfilm über sie gibt es mittlerweile: A band called Death (der übrigens bereits 2013 im damaligen Exit07 gezeigt wurde).


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