Universität
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Die PR-Abteilung der Uni Luxemburg kann zufrieden sein: Die Inthronisierung des neuen Rektors Stéphane Pallage und die gleichzeitige Unterzeichnung der Vierjahreskonvention mit dem Hochschulministerium lassen die Misstöne, die es im turbulenten Jahr 2017 gegeben hatte, vergessen.

Marc Hansen, Stéphane Pallage und Yves Elsen (vlnr): Ob sie miteinander „können“ wird für die weitere Entwicklung der Universität wesentlich sein. (Foto: woxx)

Die im Budgetjahr 2017 wegen grober Fehlkalkulationen notwendig gewordenen und dann in aller Eile durchgeführten Sparmaßnahmen und der im Anschluss erfolgte Rücktritt von Reiner Klump im Frühjahr hatten das Vorzeigeprojekt „uni.lu“ zu einem echten Sorgenkind werden lassen. Sehr zum Verdruss auch des zuständigen Ministers Marc Hansen, der sich gerade angeschickt hatte, die Reform des Uni-Gesetzes auf den Instanzenweg zu bringen.

Ganz unschuldig war der Minister am Rücktritt allerdings nicht. Klump, der sich nie so recht mit dem Luxemburger System der kurzen Wege und der direkten – aber zumeist auch informellen – Kontaktaufnahme angefreundet hatte, dürfte am Ende das Gefühl gehabt haben, alleingelassen worden zu sein. Die strukturellen Budget-Fehlplanungen fielen nicht in seine unmittelbare Verantwortung. Aber beim Monitoring der Lösung des Problems hatte er dann eine wenig glückliche Hand. Auch das Vertrauensverhältnis zum mächtigen Universitätsrat, an dessen Spitze es nur einige Monate zuvor zu einem Wechsel gekommen war, war wohl auf dem Tiefstpunkt angelangt.

Doch das ist jetzt alles Schnee von gestern: Im Gegensatz zu seinem Vorgänger, dessen Auswahl sich über Jahre hinzog, wurde die Entscheidung für Stéphane Pallage nach nur wenigen Monaten getroffen. Das vom Vorsitzenden des Conseil de Gouvernance (CG), Yves Elsen, gesteckte Ziel einen Rektor zur Rentrée 2017 einsetzen zu können, wurde allerdings nicht ganz erreicht. Pallage benötigte nach seiner Ernennung noch einen Aufschub von einigen Monaten, um seine beruflichen Verpflichtungen in Kanada abwickeln zu können.

Auf dem Papier erfüllt der gebürtige Wallone tatsächlich alle Kriterien, die in der Stellenausschreibung genannt waren. Er hat eine erfolgreiche akademische Karriere aufzuweisen. Einer seiner Doktorväter war der spätere Wirtschaftsnobelpreisträger Finn E. Kydland. Seit 2013 war Pallage Doyen der Wirtschaftsfakultät der Université du Québec à Montréal (Uqam), die als Unterabteilung mehr als doppelt so viele Student*innen vorweisen kann wie die ganze Uni Luxemburg. Seine Sprachkenntnisse in Französisch, Englisch und Deutsch passen genau zum mehrsprachigen Konzept der letzteren. Und er hat sogar einen Zugang zum Luxemburgischen, da seine Großeltern aus dem Raum Arlon stammen, sodass er in seiner Kindheit mit dem Klang des Luxemburgischen vertraut war – wie er in seiner Vorstellungsansprache am Montag verriet. Als er bei dieser, im Beisein von mehreren hundert Mitarbeiter*innen der Uni, versuchte, seine sprachliche Verbindung mit dem Ländchen auch durch einen Grußsatz im heimischen Idiom zu dokumentieren, musste er freilich einräumen, dass es da noch Luft nach oben gibt – aber Kenntnisse des Luxemburgischen waren ja in der Ausschreibung auch gar nicht gefordert.

Eines scheint der Kandidat allerdings vorbildlich zu beherrschen: Er verkauft sich und seinen neuen Arbeitgeber „uni.lu“ bestens. Doch auch wenn die bei seiner Inthronisierung auf Belval entstandenen Jubelbilder der Universität nicht so spontan zustande gekommen sind, wie es die Homepage glauben machen will, kann sein Start als gelungen gelten.

Die Pressevorstellung im Ministerium am Montagnachmittag war dann des Guten aber fast etwas zu viel: Der Minister dankte dem Vorsitzenden des CG, der die Kür diskret und zielstrebig über die Bühne gebracht hatte. Der bedankte sich wiederum bei der Findungskommission und dann auch noch beim Unirat, der der Vorentscheidung ohne weiteren Zeitverlust zugestimmt hatte, und überließ „cher Stéphane“ schnell das Wort, damit der selber darlegen könne, weshalb er der Richtige für den Posten sei.

Gegenüber der woxx betont Yves Elsen, dass der Findungskommission „nicht der ganze CG, sondern nur ihre akademischen Mitglieder angehörten“ und sie zusätzlich „je einen Vertreter der Professoren und der Studierenden, sowie eine externe Persönlichkeit“ umfasste. „Die Auswahl wurde anhand objektiver Kriterien und nicht aufgrund der Herkunft vorgenommen. Die Kommission hat alle Bewerbungen gleich behandelt“, so Elsen weiter, der auch darauf hinweist, dass eine internationale Personalvermittlungsagentur mit eingebunden war. Ob es tatsächlich auch Luxemburger Kandidaturen gegeben hatte, lässt der CG-Vorsitzende offen, meint aber, dass die Kenntnis der Luxemburger Verhältnisse „kein entscheidendes Kriterium gewesen“ sei, da sich die Uni „im internationalen Umfeld behaupten muss“.

Tuchfühlung mit der Basis

Fast unterwürfig dankte Pallage dem Minister und dem CG-Vorsitzenden und gab zu Protokoll, dass er sich auf seine Aufgabe freue, und wie sehr er das „Schmuckstück“ Uni.lu bewundere. „Wir sind alle eine Familie“ betonte er mehrfach, womit er wohl versuchte, auf die Sorge nicht weniger Uni-Mitarbeiter*innen zu reagieren, die seine Wahl als Indiz dafür nehmen, dass die Universität sich weiter in Richtung Integration in den Wirtschaftsstandort entwickeln soll.

Ob diese Befürchtungen gegenstandslos sind, wird die Zukunft zeigen. In Montréal jedenfalls scheint es Pallage mit der inneruniversitären Solidarität nicht ganz so ernst genommen zu haben, betrieb er doch – allerdings erfolglos – die institutionelle Abtrennung der École de Sciences de Gestion (ESG) von der UQAM. Als eigenständige Wirtschafts- und Managementschule hätte sie seiner Meinung nach wohl einen besseren Zugang zu Mitteln aus der Privatwirtschaft gehabt. Ein Finanzierungsmodell, von dem auch in Luxemburg nicht wenige träumen, das sich aber bislang nicht im gewünschten Maße umsetzen ließ. Im Gegenteil: Der liberale Hochschulminister wird nicht müde zu betonen, wie großzügig die öffentliche Hand direkt oder indirekt zum Gedeihen der Uni beiträgt und wie gering der Einfluss der freien Wirtschaft ist.

Der Befürchtung vor allem der Humanwissenschaften, sie könnten bei der weiteren Entwicklung der Uni ins Hintertreffen geraten, weil mit Geschichts- und Sozialforschung im Privatsektor wenig Geld zu machen ist, versuchte Pallage durch persönliche Kontaktaufnahme entgegenzuwirken, bevor er überhaupt in Luxemburg ankam.

Vielleicht deshalb weicht die bislang kritische Haltung der Professorenschaft nun offenbar einem halbwegs wohlwollenden Abwarten und Beobachten. Die Professorengewerkschaft Apul konnte im Dezember sogar einen kleinen Erfolg verbuchen: Hochschulminister Hansen hatte Hand an sein eigenes Uni-Reformgesetz gelegt und einigen der Bedenken der Apul Rechnung getragen. So finden die Fakultätsräte im Gesetzentwurf wieder Erwähnung und sollen nun den Dekanen bei der Organisation der Forschungs- und Lehrtätigkeiten „assistieren“. Das soll die Mitsprache der Professor*innen verbessern und den vielfach kritisierten Top-down-Charakter der Uni entschärfen.

Die Kompetenzen des gewählten Universitätsrates sollen ausgeweitet werden, indem er über Studieninhalte und Abläufe zu entscheiden hat und sie nicht mehr lediglich begutachtet. Zudem soll der Unirat zwei stimmberechtigte Mitglieder in den CG berufen. Zusätzlich soll jeweils ein*e Vertreter*in des Personals und der Studierenden dem CG ebenfalls stimmberechtigt angehören, alles Änderungen, die die demokratische Mitsprache der an der Uni Tätigen verstärken werden.

Der Rücktritt von Klump könnte sich so im Nachhinein als Glücksfall für die Universität entpuppen: Die „rektorlose“ Zeit wurde dazu genutzt, in der Finanzverwaltung Remedur zu schaffen und sogar einige Köpfe rollen zu lassen. Eine wichtige Aufgabe für den neuen Rektor könnte sein, die neu gewonnene Finanzsicherheit durch eine entsprechende Finanztransparenz zu ergänzen. Denn trotz der am Montag unterschriebenen neuen Vierjahreskonvention zwischen Universität und Forschungsministerium, mit einer Ausweitung des Finanzvolumens gegenüber dem Zeitraum 2014-2017 um 30 Prozent auf insgesamt 766,88 Millionen Euro, werden einzelne bereits geplante Vorhaben der Fakultäten auch 2018 dem Rotstift zum Opfer fallen.

Der Zuwachs um fast ein Drittel hört sich komfortabler an, als er tatsächlich ist. Da in den Vorgängerbudgets strukturelle Berechnungen wie automatische Lohnanpassungen oder bestimmte Kosten im Bereich der Informatik „vergessen“ worden waren, ist ein Teil des vielen Geldes schon verplant, bevor es überhaupt ausgezahlt wird. Zudem ist die Uni in den letzten vier Jahren beständig gewachsen, und hinter steigenden Student*innenzahlen verbergen sich auch eine ganze Reihe akademische und administrative Posten, die es zu finanzieren gilt.

Die Universität führt beredte Klage – aber doch auf so hohem Niveau, dass die Begeisterung Pallages für seine neue Hochschule, die er als mehrfach als „bijou“ beschrieb, durchaus nicht vorgespielt zu sein braucht. Im Vergleich zu anderen öffentlichen Universitäten in Europa ist die finanzielle Ausstattung vorbildlich. Umso wichtiger ist es daher, dafür Sorge zu tragen, dass die Prioräten, nach denen diese Mittel zur Verwendung kommen, transparent und offen gehandhabt werden. Es ist eine Ironie, dass Pallage, dem der Ruf eines wirtschaftsliberalen Einpeitschers vorauseilt, dank der neuen finanziellen und rechtlichen Voraussetzungen zum Verteidiger eines öffentlich-rechtlichen Unimodells werden könnte, das in dieser Form nicht unbedingt vorgesehen war.


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