Präsident Donald Trump eskaliert unter dem Vorwand des Antidrogenkampfs die militärischen Drohungen gegen Venezuela und droht offen mit dem Einsatz von Landungstruppen. Die Trump-Regierung wirkt entschlossen, einen Regimewechsel herbeizuführen, auch wenn der Großteil der US-Bevölkerung dagegen ist.

Alltag unter einer drohenden US-Intervention: Straßenszene mit einem Mosaik des verstorbenen ehemaligen venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez und seinem Nachfolger Nicolas Maduro Ende November in der venezolanischen Hauptstadt Caracas. (Foto: EPA/MIGUEL GUTIERREZ)
Es kommt selten genug vor, dass US-Präsident Donald Trump richtig liegt mit dem, was er sagt. Doch als er Anfang November in einem Interview mit dem Fernsehsender „CBS“ sagte, die Tage von Nicolás Maduro als Präsident Venezuelas seien gezählt, könnte er damit recht gehabt haben. Die Situation wird für den seit über zwölf Jahren amtierenden mutmaßlichen Wahlbetrüger Maduro immer schwieriger.
Schon während seiner ersten Amtszeit hatte Trump keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen Maduro gemacht. Er verhängte harte Sanktionen und erkannte den Oppositionellen Juan Guaidó 2019 als Interimspräsidenten Venezuelas an, da die USA die dortige Präsidentschaftswahl 2018 als manipuliert ansahen. Seit Trump im Januar erneut ins Weiße Haus eingezogen ist, scheint er jedoch nicht mehr gewillt, sich mit Sanktionen und Symbolpolitik zufriedenzugeben. Die Zeichen stehen auf militärischer Eskalation.
Bereits an seinem ersten Tag im Amt erklärte Trump die transnationale kriminelle Organisation „Tren de Aragua“ per „executive order“ zur ausländischen terroristischen Vereinigung. Das im selben Gewerbe tätige „Cártel de los Soles“ wurde zunächst im Juli vom Finanzministerium als terroristische Organisation mit Sanktionen belegt und schließlich im November von Außenminister Marco Rubio ebenfalls zur ausländischen terroristischen Vereinigung erklärt. Auch wenn er in den offiziellen Dokumenten bislang nicht erwähnt wird, gilt Maduro der Regierung Trump als Kopf des „Cártel de los Soles“, das sich US-Angaben zufolge aus den venezolanischen Ordnungs- und Streitkräften rekrutiert, und damit als Narco-Terrorist.
Dabei ist bei Expert*innen durchaus umstritten, ob es das Kartell als eine zentralisierte, strukturierte Organisation wirklich gibt. Anders als die US-Behörden glaubten, sei der Name des „Cártel de los Soles“, der sich auf die sonnenförmigen Insignien venezolanischer Generäle bezieht, nicht mehr als eine Metapher für die weitverbreitete Korruption in Venezuela. Es ist eine griffige Bezeichnung, die bereits 1993 – lange bevor Maduros Vorgänger Hugo Chávez 1999 an die Macht kam – von den lokalen Medien bereitwillig übernommen wurde, als die Ermittlungen gegen zwei hochrangige Militärs wegen Drogenhandels begannen.
Im Grunde ist es unerheblich, ob es ein formal organisiertes Kartell gibt oder nicht. Dass das Militär, das in Venezuela an so gut wie jedem relevanten Geschäft beteiligt ist, ausgerechnet mit dem lukrativen Drogenhandel nichts zu tun hat, ist mehr als unwahrscheinlich. Auch Maduro selbst ist vermutlich in illegale Geschäfte verwickelt. Sein Vermögen wird auf ein bis zwei Millionen Dollar geschätzt – bei einem monatlichen Gehalt von rund 4.000 US-Dollar schwer erklärlich, andererseits ein bescheidener Betrag für einen Mann, dem eine führende Rolle im Milliardengeschäft des Drogenhandels zugeschrieben wird.
Dass das Militär, das in Venezuela an so gut wie jedem relevanten Geschäft beteiligt ist, ausgerechnet mit dem lukrativen Drogenhandel nichts zu tun hat, ist mehr als unwahrscheinlich.
Und doch erinnert die Art und Weise, mit der die US-Regierung versucht, Maduro und seine Regierung zu inkriminieren, in frappierender Weise an die Verbalakrobatik der Regierung von Präsident George W. Bush vor der Invasion im Irak 2003, wenn auch die Vorwürfe ganz andere waren. Auch damals bestand kein Zweifel daran, dass Saddam Hussein ein Autokrat und ein Verbrecher ist. Die konkreten Vorwürfe gegen ihn, mit denen der Krieg gerechtfertigt wurde, lösten sich jedoch ziemlich schnell in Luft auf.
Damals wie heute wirkt die US-Regierung entschlossen, einen Regimewechsel herbeizuführen. Derzeit sind dem Fernsehsender CBS zufolge 70 Prozent der befragten US-Bevölkerung gegen einen direkten militärischen Angriff auf Venezuela. Auch 2003 war die Mehrheit lange gegen eine Invasion – bis am 5. Februar Außenminister Colin Powell vor dem UN-Sicherheitsrat anhand einer Powerpoint-Präsentation nachzuweisen versuchte, dass der Irak Massenvernichtungswaffen versteckt halte. Jahre später gab er selbst zu, dass sich vieles, was er behauptet hatte, später als falsch herausstellte. In den USA jedoch stieg damals die Zustimmung für eine Invasion merklich, und plötzlich war eine Mehrheit dafür.
Ob Trump tatsächlich in Venezuela einmarschieren will, weiß wahrscheinlich nicht einmal er selbst. Fakt ist jedoch, dass seine Regierung den Militäreinsatz sukzessive ausweitet. Ende August begann die U.S. Navy, zusätzliche Schiffe in die Karibik zu verlegen. Am 2. September wurde erstmals ein venezolanisches Boot angegriffen und versenkt, mit dem angeblich Drogen geschmuggelt worden seien. Inzwischen gab es mehr als 20 solcher Angriffe mit mehr als 80 Toten.
Anfang Dezember dann bestätigte Karoline Leavitt, die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Medienberichte, nach denen bei einem Angriff im September in einem zweiten Anlauf gezielt Überlebende eines versenkten Schiffes getötet wurden. Nach Ansicht der meisten Expert*innen handelt es sich zumindest bei diesen Schüssen um ein Kriegsverbrechen. Verteidigungsminister Pete Hegseth, der sich zuvor noch mit dem Erfolg gebrüstet hatte, wies jede Verantwortung von sich. Den Feuerbefehl habe nicht er selbst, sondern der zuständige Kommandeur Admiral Frank M. Bradley gegeben.
Es geht jedoch längst nicht mehr nur um Angriffe auf Schnellboote. Am 2. Oktober erklärte Trump vor dem Kongress, die USA befänden sich in einem „nicht internationalen bewaffneten Konflikt mit irregulären Kombattanten“. Am 15. Oktober ließ er wissen, er habe verdeckte Operationen der CIA innerhalb Venezuelas autorisiert, und sprach erstmals davon, auch Ziele an Land anzugreifen. Am 30. Oktober berichtete die amerikanische Tageszeitung „Wall Street Journal“, die USA hätten potenzielle Ziele in Venezuela identifiziert. Am 27. November sagte Trump vor laufenden Kameras, es werde „sehr bald“ Angriffe zu Land geben. Am 29. November postete er auf „Truth Social“, der Luftraum über Venezuela solle als „vollständig gesperrt“ betrachtet werden.
Alles deutet darauf hin, dass der innenpolitisch angeschlagene US-Präsident die direkte militärische Konfrontation will. Trump braucht womöglich schlicht und ergreifend endlich eine vermeintlich gute Nachricht. Sein Friedensplan für den Gaza-Streifen entwickelt sich nicht wie gewünscht, daheim steigen die Lebenshaltungskosten und Trumps Zustimmungswerte bei Umfragen sanken auf knapp über 40 Prozent. Außerdem steht nach einem nahezu einstimmigen Beschluss des Kongresses die Veröffentlichung der sogenannten „Epstein files“, die Trump wahrscheinlich erheblich belasten könnten, noch im Dezember bevor.
Die Demokraten sehen sich derweil in einer Zwickmühle. Einerseits wollen sie keinesfalls für Maduro Partei ergreifen, andererseits wollen sie auch keine weitere militärische Eskalation. Fürs Erste ziehen sie sich daher auf Verfahrensfragen zurück. Im Senat haben sie einen Gesetzentwurf eingebracht, der es dem Präsidenten verbieten würde, militärische Gewalt auszuüben, sofern es keine Kriegserklärung oder „spezifische Genehmigung“ gibt.
Was einen direkten bewaffneten Konflikt noch verhindern könnte, sofern Trump ihn denn überhaupt will und nicht nur blufft, wäre ein freiwilliger Rückzug Maduros. Mitte November hat er persönlich mit ihm telefoniert, Details wurden nicht bekannt, und nach außen zeigte sich der US-Präsident offen für weitere Gespräche. Mit einer eventuell neuen Regierung könnte Trump ein Abkommen einfädeln über das, was er vermutlich erreichen möchte: den freien Zugang zu Venezuelas reichhaltigen Bodenschätzen.
Dass es Trump tatsächlich um Drogen geht, glaubt wohl kaum jemand. Wenn dem so wäre, hätte er wahrscheinlich nicht in der vergangenen Woche den ehemaligen honduranischen Präsidenten Juan Orlando Hernández begnadigt, der im März 2024 von einem Gericht in New York City wegen des Handels mit 400 Tonnen Kokain sowie Waffenbesitzes zu 45 Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Er war auch schuldig gesprochen worden, Schmiergelder in Millionenhöhe von Kartellen angenommen und diese vor Strafverfolgung geschützt zu haben. Bereits 2019 war Hernández’ Bruder Juan Antonio „Tony“ Hernández von einem US-Gericht wegen Drogenhandels verurteilt worden. Er soll ebenfalls Schmiergelder des mexikanischen Sinaloa-Kartells angenommen haben, mit denen er wiederum die politische Karriere seines Bruders und dessen Wahl zum Präsidenten gefördert habe.
Nun hatte Ex-Präsident Hernández sich mit einem Brief direkt an Trump gewandt, in dem er sich als Opfer von dessen Vorgänger Joe Biden und dessen Vizepräsidentin Kamala Harris darstellte. Trump bestätigte nach der Begnadigung, es habe sich aus seiner Sicht um ein Komplott gehandelt. „Wenn jemand in einem Land Drogen verkauft, heißt das ja nicht, dass man den Präsidenten verhaftet und ihn für den Rest seines Lebens ins Gefängnis steckt“, so Trump. Die Ironie dieser Aussage, wenn man auf Venezuela schaut, scheint ihm dabei selbstredend nicht bewusst gewesen zu sein.

