Verzogen – vertrieben – verschleppt

Marianne Bühler forscht bereits seit vielen Jahren zur Geschichte des Trierer Raums. Am Mittwoch zeigte sie in der Ettelbrücker Synagoge die Verbindungen zwischen den jüdischen Familien Luxemburgs, der Eifel und des Hunsrück auf. Dabei thematisierte sie auch die Zeit von Flucht und Exil nach Luxemburg in den Vorkriegsjahren.

Die Theologin Marianne Bühler forscht zu den Familienverbindungen in der Region Luxemburg-Mosel-Eifel-Hunsrück. (Fotos: woxx)

In der Region von Mosel, Eifel und Hunsrück gab es bereits sehr früh kleine jüdische Ansiedlungen, manche Spuren gehen bis ins Mittelalter zurück. Nach Luxemburg verstärkten sich die Kontakte, als es hier nach der Französischen Revolution und der damit einhergehenden jüdischen Emanzipation zu einer Wiederansiedlung kam. Vor allem der Viehhandel trug dazu bei, dass sich diese Verbindungen verstärkten. Die luxemburgische Verfassung, die gegenüber jenen in den anderen Ländern des deutschen Bundes freier war, sorgte möglicherweise für eine besondere Attraktivität Luxemburgs. Manche kamen jedoch auch, um zukünftige Eheleute kennenzulernen. Das zeigten die Forschungen, die die in Wittlich lebende Theologin Marianne Bühler bei ihrer Konferenz in der Ettelbrücker Synagoge präsentierte. Diese Kontakte sind seit dem 19. Jahrhundert zu erkennen. Ein Beispiel ist Hugo Friedmann, der aus Thüringen in die Moselgegend zog, mit Eva Kahn aber eine Jüdin aus Medernach heiratete. Schon sein Vater war Lehrer in einer jüdischen Schule, und auch Hugo wählte diesen Beruf.

Im 20. Jahrhundert gab es einen Wandel im Viehhandel. Neue Berufsmöglichkeiten, die sich in den Städten eröffneten, zogen auch Juden und Jüdinnen an. Das früher in der Region so verbreitete Landjudentum ging zurück, immer seltener konnte noch eine Synagoge oder gar ein Schulhaus von den kleineren Gemeinden finanziert werden. Dann kam der Machtantritt Hitlers in Deutschland: Um Flucht und Exil zu organisieren, erwiesen sich nun die familiären Kontakte als wesentlich. Die strengen Einwanderungsbestimmungen des Luxemburger Staates bedingten den Nachweis genügender Existenzmittel. Größere deutsche Städte wie Köln boten wohl auch bessere Chancen für das Organisieren einer „Auswanderung“ als Luxemburg. Dies waren laut Bühler vielleicht Gründe dafür dass nur ein kleiner Teil der Fluchtbewegungen aus der Region Mosel-Eifel-Hunsrück, die sich besonders 1933, nach der Einführung der Rassegesetze 1935 und nach der Pogromnacht zeigten, nach oder über Luxemburg fortzog. Manche jüdische Verfolgte gelangten aber auch illegal nach Luxemburg.

Hugo und Eva Friedmann-Kahn flüchteten kurz vor der Pogromnacht 1938 aus Bernkastel-Kues und ließen sich in Ettelbrück nieder. So kam es, dass Hugo in der kleinen Schule neben der Ettelbrücker Synagoge Religionsunterricht für jüdische Kinder hielt. Er interessierte sich auch für jüdische Familiengeschichte und stellte Informationen zum Ettelbrücker Friedhof neu zusammen.

Nach dem Einmarsch der Nazi-Truppen 1940 sollte sich jedoch schnell zeigen, dass Luxemburg kein sicherer Hafen war. Marianne Bühler zeichnete eine Reihe von Schicksalen jüdischer Familien nach, von denen nur einem Teil die Flucht nach Westen gelang. Viele wurden aus Luxemburg, oder nach ihrer Weiterreise nach Belgien oder Südfrankreich deportiert und kamen in den Ghettos oder im Konzentrationslager Auschwitz um.

Als Lehrer war Hugo Friedmann auch in der jüdischen Schule impliziert, die in Luxemburg-Stadt entstand, als jüdische Kinder nicht mehr die öffentliche Schule besuchen durften. Hugo und Eva Friedmann-Kahn wurden bereits mit dem ersten Transport vom 16.10.1941 verschleppt und kamen 1942 im Ghettto Litzmannstadt um.


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