Willis Tipps: Dezember

von | 12.12.2025

Innovativer Joik

Der Joik der Sámi, der Urbevölkerung Nordeuropas, ist kein Gesang im europäisch-klassischen Sinn, sondern eine vokale Äußerung, die meist eine Widmung an einen Menschen, ein Tier oder eine Pflanze darstellt. Sie wird hoch emotional und melodisch äußerst virtuos und kraftvoll vorgetragen. Hildá Länsman, die in Utsjoki im finnischen Teil des Sámi-Gebiets Sápmi geboren wurde, ist das Aushängeschild der jungen finnischen Joikszene. Länsman ist stets auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen im Joik. Sie hat zuvor mit einer Akkordeonistin gearbeitet, dann auf zwei Alben zusammen mit ihrer berühmten Mutter Ulla Pirttijärvi und schließlich mit einer Rockband mit dem Namen „Gajanas“. Für ihr neues Album Dajan hat sie sich mit dem finnischen Elektroniker Tuomas Norvio zusammengetan. Den Joik mit Synthieklängen zu verbinden, um atmosphärisch in die Weiten Sápmis zu gelangen, ist durchaus nicht neu und ist schon von vielen Joiker*innen eingesetzt worden. Bei Hildá Länsman werden aber zudem recht häufig elektronische Beats, Loops und Rap-Sequenzen eingefügt, ohne die Tradition zu verraten. Eine innovative Joikerin mit einer ganz umwerfenden Stimme!

Hilda Länsman & Tuomas Norvio – Dajan – Fierran Records (erhältlich bei fierran.com)

Mauretanien-Rock

Noura Mint Seymali lebt in Mauretanien, dem Land an den westlichen Ausläufern der Sahara, das im Osten an Mali grenzt. Wer die Musik der Tuareg bereits kennt, kann bei Seymali ähnliche Rhythmen und Melodien finden, die aber einen eigenen Charakter aufweisen. Die Sängerin entstammt einer alten Familie von Griots und Griottes und ihre Stiefmutter Dimi Mint Abba war bereits eine Berühmtheit in ihrer Heimat. Seymali, die schon vorher einige Platten herausgebracht hatte, landete mit ihren beiden Alben von 2014 und 2016 auf Platz 1 der Weltmusikcharts. Nun hat sie nach neun Jahren endlich ein neues Album unter dem Namen Yenbett veröffentlicht, das jetzt ebenfalls direkt die Spitzenposition der Charts erreicht hat. Zudem wurde sie im vergangenen Oktober mit dem Award der Weltmusikmesse WOMEX ausgezeichnet. Seymali, die sich für die Rechte der Frauen in ihrer Heimat einsetzt, singt kraftvoll und begleitet sich dabei auf der Winkelharfe Ardin. Druck kommt von Drums und E-Bass, während ihr Ehemann die mit Effekten verfremdete Laute Tidinit und E-Gitarre hinzufügt. Das hypnotisch-rockige Album wurde in Mauretanien aufgenommen und zeigt Seymali in Bestform.

Noura Mint Seymali – Yenbett – Glitterbeat

Brasilien mit Verve

In den verschiedenen regionalen Formen der Musik Brasiliens existiert eine große stilistische Vielfalt. Lívia Mattos ist eine schillernde Musikerin, die verschiedene regionale Elemente ganz aufregend miteinander verbindet. Mattos, die aus Bahia kommt, komponiert, singt und spielt Akkordeon. Rafael dos Santos an den Trommeln und Perkussion ist aus São Paulo, während Jefferson Babu, der die Basstöne in diesem Trio ganz originell mit Tuba und Euphonium erzeugt, aus Brasília kommt. Mattos hat jetzt ihr drittes Album herausgebracht, das ganz treffend den Titel Verve trägt, denn hier geht es – wie man es bereits von den Vorgängeralben und ihren Liveperformances kennt – mit ordentlich Schwung zur Sache. Die Música Popular Brasileira, die von Gilberto Gil, Caetano Veloso und Gal Costa erschaffen wurde, klingt immer durch, aber die Zusammenarbeit mit einer indischen Sängerin und einer senegalesischen Koraspielerin fügt interessante internationale Facetten hinzu. Mattos begreift ihr Akkordeonspiel auch als Akt des Widerstands gegen die Dominanz der Männer im Musikbusiness. Eine starke, extravagante Musikerin mit Wucht und Virtuosität!

Lívia Mattos – Verve – YB Music

Kapverdisches Urgestein

Zur gleichen Zeit, als Césaria Évora Mitte der 1990er-Jahre die Musik ihrer kapverdischen Heimat in der ganzen Welt berühmt machte, begann Mário Lúcio mit seiner Gruppe „Simentera“ Platten aufzunehmen, die in der Weltmusikszene Aufsehen erregten. Damals waren elektrische Instrumente in seiner Heimat beliebt, aber Lúcio setzte mit seinen Kollegen konsequent auf akustische Instrumente. Während Évora sich vor allem auf den melancholischen Morna fokussierte, fügte Simentera auch die rhythmisch prägnanteren Stile Funaná, Batuque und den Coladeira hinzu. Lúcio, der selbst dichtet und komponiert, gründete dann einen Verein zur Förderung der kapverdischen Musik und war zudem von 2011 bis 2016 Kulturminister seines Heimatlandes. Mit Independance legt er zu Ehren des fünfzigsten Jahrestags der Unabhängigkeit der Kapverden sein siebtes Soloalbum vor. Begleitet wird er von der Pan African Band mit drei Musikern aus Guinea-Bissau, Angola und dem Kongo. Aus diesem Grund sind auch andere afrikanische Stile eingeflossen, wie der kongolesische Soukouss. Independance ist ein ausgezeichnetes Album mit klarem politischen Statement.

Mário Lúcio & The Pan African Band – Independance – Maremusic, MDC

 

World Music Charts Europe Dezember – Top 10 (print) / Top 20 (online)

1. Noura Mint Seymali – Yenbett – Glitterbeat
2. Nusantara Beat – Nusantara Beat – Glitterbeat
3. Divanhana – Radio Sevdah – CPL Music
4. Lívia Mattos – Verve – YB Music
5. Le Vent du Nord – Voisinages – La Compagnie du Nord
6. Saodaj – Lodèr la vi – Buda Musique
7. Veronika Varga – True Picture – CPL Music
8. Amira Kheir – Black Diamonds – Sterns
9. Širom – In the wind of the night… – Glitterbeat
10. Lina_ & Marco Mezquida – O Fado – Galileo
11. Guitari Baro – Guitari Baro _ Chrysalis Records
12. Suntou Susso – Jaliya Silokang – Fakoli Music
13. Kasiva Mutua – Desturi – Delicious Tunes
14. ‘O Rom – Radio Rom – Phonotype Record
15. Yasmine Hamdan – I remember I forget – Crammed Discs
16. Cheikh Lô – Maame – World Circuit
17. Jan Běťák – Jazykem Kvetin – Galén
18. Murmurosi – Svitanok – Svitanok
19. Radio Tarifa – La noche – Buda Musique
20. José Peixoto & Nuno Cintrao – Visita – Galileo

Die WMCE TOP 20/40 bei: www.wmce.de, Facebook „Mondophon auf Radio ARA“ und woxx.lu

 

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