Ein Denkmal für verfolgte Jüdinnen
Silent Tears, The Last Yiddish Tango ist eine Platte, die die Erinnerungen polnischer Jüdinnen an den Holocaust musikalisch verarbeitet. Im Zentrum steht die heute 92-jährigen Molly Appelbaum aus Krakau, die von einem polnischen Bauern versteckt wurde und nach dem Krieg nach Kanada ging. In Zusammenarbeit mit dem kanadischen „Baycrest Holocaust Survivor Poetry Project“ sind erschütternde Lieder entstanden, wie „The numbers on my arm“, über die Zwangstätowierungen im KZ und „A Victim of Mengele“, in dem es um sexuellen Missbrauch, Zwangssterilisierung und die verbrecherischen medizinischen Experimente des berüchtigten SS-Mediziners Josef Mengele geht. Die Kompositionen sind teilweise schon älter, teils aktuell von Rebekah Wolkstein geschrieben und wurden von ihrem Payadora Tango Ensemble aus Toronto mit exquisiten Sängerinnen eingespielt. Vor 1939 spielte Tango, vor allem der jiddische, eine große Rolle in Warschau. Er passt auch hier mit seiner Melancholie und der dezenten Beschwingtheit, die ein wenig Raum für Hoffnung lässt. Eine ganz wichtige und bewegende Produktion auf hohem musikalischem Niveau!
Payadora Tango Ensemble – Silent Tears, The Last Yiddish Tango – Six Degrees
Erstaunliches aus Mordwinien
Nicht-russische Völker sind seit der Zeit der Zar*innen im Vielvölkerstaat von den russischen Machthaber*innen meist missachtet und unterdrückt worden. Das gilt bis heute. In Mordwinien, einer Republik rund 500 Kilometer südöstlich von Moskau, leben Menschen, die ursprünglich eine finno-ugrische Sprache verwendeten. Jetzt bilden sie dort eine Minderheit und ihre Kultur ist vom Aussterben bedroht. Das junge, von vier Frauen dominierte mordwinische Ensemble Merema geht in Archiven und in Dörfern auf Spurensuche nach mordwinischen Liedern, kleidet sich auf der Bühne in traditionelle Tracht, und hat nun sein zweites Album Eryamonʼ Koytneva (Spiral of Life) herausgebracht. Über die mächtig rockende Begleitung mit traditionellen Instrumenten und Electronics erhebt sich der ganz erstaunliche polyphone Chorgesang der Frauen, der kraftvoll und durchdringend ist. Es hat rein gar nichts mit den Balalaika- und Don-Kosaken-Chor-Klischees zu tun, die in Westeuropa mal beliebt waren. Das hier ist eine schwer beeindruckende Wiederbelebung von beinahe verschwundenen, ganz eigenständigen Klängen und Melodien in zeitgemäßer Form durch eine kernige Gruppe.
Merema – Eryamonʼ Koytneva (Spirit of Life) – CPL Music
Weiblicher Latin Rock!
Cecilia Villar Eljuri, kurz Eljuri, ist eine Musikerin, die in Ecuador geboren wurde und deren Eltern aus dem Libanon, beziehungsweise aus Spanien stammten. Heute lebt Eljuri in New York und ist eine der wenigen Frauen, die nicht nur singen, sondern auch Elektrogitarre spielen. Nach langen Jahren in Bands beschloss sie 2007 ihre Solokarriere zu starten, um ihre eigenen Ideen besser verwirklichen zu können. Sie präsentiert eine breite Palette von vornehmlich lateinamerikanischen Stilen, von Reggae bis zu kubanisch beeinflussten Elementen im Rockformat. Ihre neu erschienene Soloplatte Reflexión – ihre fünfte – enthält elf Stücke, plus den Bonustrack „Keep It Up“. Die Bandbreite reicht vom Rumba inspirierten „La Voz“ über die Ballade „Llévame“ und den Reggae „No Puedo Cruzar“ bis zu bodenständigen Rocksongs wie „Feed You“. Ihre effektgeladene Rock-Gitarre ist allgegenwärtig, die Riffs finden ihr Echo in der Bläsersektion und mit angerauter Stimme singt Eljuri unter anderem über Menschenrechte. Man muss mit Vergleichen vorsichtig sein, aber wer Carlos Santana mag, dürfte auch mit Eljuris Musik viel Spaß haben. Also: starke Sängerin, starke Gitarristin, starkes Album!
Eljuri – Reflexión – Manovill Records
Transglobal World Music Chart März – Top 20
1. Mostar Sevdah Reunion · Lady Sings the Balkan Blues · Snail [6]
2. Lucas Santtana · O Paraíso · Nø Førmat! [1]
3. Kimi Djabaté · Dindin · Cumbancha [-]
4. Acid Arab · Trois · Crammed Discs [-]
5. Taraf Syriana · Taraf Syriana · Lula World [5]
6. V.A. · Ears of the People: Ekonting Songs from Senegal and The Gambia · Smithsonian Folkways Recordings [-]
7. Souad Massi · Sequana · Backingtrack Production [4]
8. Vieux Farka Touré et Khruangbin · Ali · Dead Oceans [3]
9. King Ayisoba · Work Hard · Glitterbeat [-]
10. Gaye Su Akyol · Anadolu Ejderi · Glitterbeat [2]
11. V.A. · Perú Selvático: Sonic Expedition into the Peruvian Amazon 1972-1986 · Analog Africa [27]
12. Houria Aïchi · Chants Courtois de l’Aurès · Accords Croisés [-]
13. Constantinople, Kiya Tabassian & Ghalia Benali · In the Footsteps of Rumi · Glossa [7]
14. Debashish Bhattacharya · Sound of the Soul · Abstrack Logix [-]
15. Aziz Sahmaoui & Eric Longsworth · Il Fera Beau Demain Matin Jusqu’à Midi · Passé Minuit en Accords [13]
16. Sona Jobarteh · Badinyaa Kumoo · African Guild [11]
17. Bassidi Koné · Kaïra · Remote / Studio Mali [-]
18. Angeline Morrison · The Sorrow Songs: Folk Songs of Black British Experience · Topic [14]
19. Mahsa Vahdat & Skruk · Braids of Innocence · Kirkelig Kulturverksted [9]
20. Baul Meets Saz · Banjara · Uren Production [8]
