Die Stimme Tibets
Zwischen 1995 und 2006 hat Yungchen Lhamo drei erfolgreiche Alben auf dem britischen Real World Label veröffentlicht und damit – von ganz wenigen Field-Recordings mit tibetischen Mönchsgesängen abgesehen – im Alleingang tibetische Musik außerhalb ihrer Heimat zugänglich gemacht. Lhamo wurde in einem Arbeitslager in der Nähe von Lhasa geboren und floh 1989 zu Fuß über den Himalaya aus ihrer von der VR China annektierten Heimat. Nach ihren großen, weltweiten Erfolgen zog sie sich zurück und betreute viele Jahre lang Menschen mit mentalen Problemen. Im letzten Jahr erschien dann wieder eine Platte, aber nun ist One Drop of Kindness auf dem Markt, mit Stücken, die der Produzent John Alevizakis modern, aber einfühlsam instrumentiert hat. Die Kompositionen stammen alle von Lhamo und sind in der spirituellen tibetischen Tradition verwurzelt. In der heutigen Zeit, in der die Breite der angebotenen Veröffentlichungen lokaler Musik vom Globus zunehmend schrumpft, ist diese Veröffentlichung mit Musik eines Landes, das schon früher viel zu wenig beachtet wurde, ganz erfreulich. Eine erstaunliche Stimme mit wunderbarer Musik.
Yungchen Lhamo – One Drop of Kindness – Real World Records
Kuba-Brasilien-Fusion
Die in Havanna, Kuba geborene und 2020 in die Schweiz gegangene Sängerin und Violinistin Yilian Cañizares ist mir noch bestens in Erinnerung von ihrem 2019er-Album „Erzulie“, auf dem sie mit einem virtuosen Strich auf ihrem In- strument erstaunte. Ein Jahr vorher hatte es schon eine Platte mit dem weltberühmten Pianisten Omar Sosa gegeben. Jetzt hat sie den Blick nach Brasilien gerichtet, ohne die kubanische Musik aus dem Blick zu verlieren. Habana – Bahia hat sie das neue Album genannt und ausgehend von den Stilen der brasilianischen Metropole Salvador de Bahia verbindet sie die musikalischen afrikanischen Wurzeln beider Länder. Auf einigen Stücken hat sie Brasilianer zum Duett geladen und sogar der aus Bahia stammende renommierte Sänger und Poet Tiganá Santana rezitiert ein paar Zeilen. Cañizares schöne Stimme prägt das ganze Album und ihr Geigenspiel fügt nicht nur eine abwechslungsreiche Farbe in der Produktion hinzu, sondern auf einigen Stücken stellt sie auch ihre virtuosen Qualitäten unter Beweis. Eine Platte, auf der die Musikerin den Gemeinsamkeiten zweier großer amerikanischer Musiknationen nachspürt und daraus einen angejazzten, tollen Mix zaubert.
Yilian Cañizares – Habana-Bahia – Planeta Y
Finnischer Folk-Rock
Hier passt der Begriff Folk-Rock, denn auf dieser Platte geht es zu, wie auf den Britischen Inseln in den 1970ern. Damals frischten zahlreiche Gruppen nicht nur Traditionelles mit E-Gitarre, Bass und Drums auf, sondern schrieben auch Eigenes, bei dem man deutlich hörte, wo es herkam. Pekko Käppi aus dem finnischen Tampere und seine Gruppe K:H:H:L machen genau das auf Finnisch. Schon 2001 brachte er seine erste Scheibe heraus und hat jetzt – neben Soloveröffentlichungen – das fünfte Album mit seiner Band auf dem Markt. Käppis Markenzeichen sind die Jouhikko, eine mit dem Bogen gestrichene, uralte finnische Leier mit besonders erdigem Klang und seine markante, kantige Stimme. Die Band spielt in der gewohnten Rockbesetzung. Die aktuelle CD Credo beginnt mit rockiger Gitarre auf einem feinen Boogie-Rhythmus und dann folgt ein bisschen Country und Schräges, bis es dann deutlich traditioneller – aber auch mal kreolisch – wird. Gesungen wird auf Finnisch, das Booklet bietet aber die Übersetzungen. Ein unverwechselbarer Sound durch den Klang der Jouhikko und die besondere Stimme Käppis. So „folkrockt“ Finnland auf höchstem Niveau!
Pekko Käppi & K:H:H:L – Credo – RockAdillo, Nordic Notes
Mestizo wiederbelebt
Obwohl in Frankreich eine ganz kreative Weltmusik- und Fusion-Szene existiert, schwappt in den letzten Jahren davon nur wenig über die Grenzen des Landes. Im Bereich der Weltmusik sollte die französische Sprache eigentlich kein Hemmschuh sein, im polyglotten Luxemburg schon mal gar nicht. Hier also die aktuelle Scheibe eines Musikers, die sowohl aufgrund ihrer stilistischen Vielfalt wie der musikalischen Präsentation etwas an den seit längerer Zeit verstummten Manu Chao erinnert – ein Mestizo-Sound-Update also. Der Multiinstrumentalist mit dem Künstlernamen Matjé stammt ursprünglich aus Saint-Malo und entwickelte sein musikalisches „kreolisches“ Konzept später in Montreuil weiter. Unter Beteiligung von Musikern der Gruppe Zoufris Maracas hat Matjé für Sur mon dos elf groovige Stücke aufgenommen, in denen er seine Kompositionen mit Stilen des halben Globus verbindet. Da hört man Anklänge an die kolumbianische Cumbia, den brasilianischen Forró, den kongolesischen Soukous und an den Maloya und den Salegy aus Madagaskar. Verbunden werden diese unterschiedlichen Formen durch die feine Stimme Matjés und seine schwungvolle und vielseitige Band. Eine schöne Reise um die halbe Welt mit einem Musiker mit weit offenen Ohren.
Matjé – Sur mon dos – Label d’À côte
Transglobal World Music Charts November – Top 20
1. Luzmila Carpio · Inti Watana / El Retorno del Sol · ZZK [5]
2. Catrin Finch & Aoife Ní Bhriain · Double You · Bendigedig [6]
3. Batsükh Dorj · Ögbelerim: Music for My Ancestors · Buda Musique [12]
4. Idrissa Soumaoro · Diré · Mieruba [8]
5. Dudu Tassa & Jonny Greenwood · Jarak Qaribak · World Circuit [1]
6. Mari Kalkun · Stoonia Lood / Stories of Stonia · Real World [2]
7. Leon Keïta · Leon Keïta · Analog Africa [15]
8. V.A. · Lost in Tajikistan · Riverboat / World Music Network [4]
9. Bixiga 70 · Vapor · Glitterbeat [-]
10. Mokoomba · Tusona: Tracings in the Sand · Outhere [3]
11. Les Mamas du Congo & Rrobin · Ya Mizolé · Jarring Effects [-]
12. Yungchen Lhamo · One Drop of Kindness · Real World [11]
13. Kayhan Kalhor and Toumani Diabaté · The Sky Is the Same Colour Everywhere · Real World [7]
14. Aga Khan Master Musicians · Nowruz · Smithsonian Folkway Recordings [30]
15. Emilia Lajunen · Vainaan Perua: Satavuotinen Sakka · Nordic Notes / CPL-Musicgroup [22]
16. Ayfer Düzdaş · Kilomên Arxawûnê · Ayfer Düzdaş [-]
17. Miranda · Uma Mulher na Cidade · Jaro Medien [13]
18. Santrofi feat. Omniversal Earkestra · Deep into Highlife: Live in Berlin · Outhere [-]
19. Ana Carla Maza · Caribe · Persona Editorial [-]
20. Tinariwen · Amatssou · Wedge [10]
Die TWMC TOP 20/40 bei: http://www.transglobalwmc.com/ und bei Facebook „Mondophon auf Radio ARA“ und www.woxx.lu/author/Klopottek.
Das könnte Sie auch interessieren:
- Willis Tipps: September 2024
- Popsänger Khalid Oke im Gespräch: „Meine Musik ist größer als ich“
- Weltmusik in der Saison 2024/25 in Luxemburg: Zu Hause die Welt musikalisch entdecken
- Juli 2024: Willis Tipps
- „Fête de la Musique“ in Luxemburg-Stadt: „CID Fraen an Gender“: Für mehr Gleichheit in der Musikbranche