ULI EDEL: Gewaltige Bebilderung

„Der Baader Meinhof Komplex“ scheitert genau so wie die originale RAF an den Verhältnissen. Nur, dass es diesmal vorhersehbar war.

Ein bisschen rumballern reicht eben nicht aus um eine historische Debatte auszulösen.

Die über 20 Millionen teure Produktion, ein Polit-Drama mit sexy Terroristinnen und viel Ballerei um den Deutschen Herbst hat das Zeug zum Hollywoodstreifen. Mit einem gewissen Instinkt für polarisierende Themen nach „Der Untergang“, hat sich Produzent Bernd Eichinger auf das Buch von Ex-Spiegelredakteur Stefan Aust, „Der Baader Meinhof Komplex“ gestürzt. So erstaunt es nicht, dass der Spiegel nach Versuchen des Verleihs kritische Vorberichterstattung zu verhindern, Anfang September mit der großen Titelstory zum Film aufwartete. Die Ambition von Eichinger und Regisseur Uli Edel war es, den „Mythos RAF“ zu zerstören. Die Täter sollten nicht als Helden dargestellt werden, sondern so, wie sie angeblich gewesen sind: „Hört auf, sie so zu sehen, wie sie nicht waren!“, sagt Brigitte Mohnhaupt am Ende des Films. In 150 dichten Minuten voller Effekte werden zehn Jahre, von den ersten Studentenprotesten beim Besuch des Schahs 1967 bis hin zur Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Schleyer, als bebilderte Serie im Zeitraffer gezeigt. Das Ergebnis: illustrierte Geschichte, die nichts Neues zeigt. Zeit für Erklärungen von Zusammenhängen nimmt sich der Film keine.

Die erste Einstellung: Idylle am Meer mit einer nackten Ulrike Meinhof im Strandkorb, ihre Kinder spielen im plätschernden Wasser. Letzte Einstellung: Hanns Martin Schleyer wird ermordet und im Wald abgeworfen. Suggeriert wird: Es waren einmal brave Bürger, die aus unerklärlichen Gründen zu bösen und kaltblütig mordenden Terroristen wurden.

Zu sehen ist vor allem Fanatismus, Aggression und Spaß am Herumballern. Da ist Ulrike Meinhof, die ihre Kinder aufgibt, um den Staat zu bekämpfen, und Andreas Baader, der schnell aus der Haut fährt und herumbrüllt: „Ihr Fotzen, alles Fotzen!“ Statt zu erklären, warum es zur Auflehnung gegen den Staat kam, werden plakative antiimperialistische Phrasen gedroschen. Die Darstellung der Charaktere wirkt durch das zwanghafte Nachbilden historischer Fotografien klischeehaft. Ulrike Meinhof als einzig Intellektuelle im Kreise der RAF, stets mit Zigarette im Mund und ständig verbissen am Tippen auf ihrer Schreibmaschine. Die Begründer der deutschen Stadtguerilla werden als verblendete Spinner dargestellt. Die Bewegung als eine Popkultur, die aus Kiffen, kurzen Röcken, Antisein und Bomben legen besteht.

„Die erste Garde der deutschen Schauspieler“ (Der Spiegel) besteht aus Köpfen, die man im deutschen Fernsehen schon x-Mal gesehen hat. Bruno Ganz, dieses Mal nicht als Adolf Hitler, sondern als BKA-Chef, Martina Gedeck als Ulrike Meinhof und Moritz Bleibtreu als Andreas Baader. Gerade er ist als aggressiver Baader kaum glaubwürdig, zu oft hat man sein Gesicht als good guy im Abendprogramm gesehen. Johanna Wokalek gibt Gudrun Ensslin überzeugend, wenngleich ihr Mund stets lasziv offen steht. Martina Gedeck enttäuscht als Ulrike Meinhof – schon in einer der ersten Szenen, bei der sie auf einem Gartenfest im Kreis journalistischer Prominenz mit zitternder Stimme ihren berühmten Brief an die Gattin des Schahs, Soraya, vorliest.

Der Prozess in Stammheim wird veralbert, wichtige Details fehlen, wie das 1977 innerhalb von 24 Stunden beschlossene Kontakt-Sperre-Gesetz. Die Darstellung der Insassen im Hochsicherheitstrakt verkommt schließlich vollends zur Soap. Ausleuchtung und Kameraführung im 7. Stock von Stammheim sind so gehandhabt, dass die Kommunikation unter den Gefangenen seicht wirkt wie in einer Vorabendserie.

Eindrücklich ist hingegen die Darstellung des repressiven Polizeistaates – von der Demonstration gegen den Schah-Besuch, die hemmungslos zusammengeprügelt wird, bis hin zur Zwangsernährung von Holger Meins während des RAF-Hungerstreiks.

Der stringent an Austs Buchvorlage orientierte Film ist keine kritische Auseinandersetzung, sondern eine Aneinanderreihung von Ereignissen in gewaltigen Bildern, also allenfalls gute Unterhaltung. Was im letzten Drittel des Filmes gezeigt wird, ist nur noch blutiges Gemetzel. Warum dieser Film die Grundlage für eine neue Debatte über die RAF bieten soll, ist nicht zu verstehen.

Doch er hat natürlich auch eine zentrale politische Message. Zum Abschluss der Spiegel-Titelstory wird geschildert, wie Gedecks Annäherung an die Figur der Meinhof dazu geführt habe, dass sie nun mehr Nähe zu den herrschenden Verhältnissen empfinde. So beteuert sie brav: „Ich sehe mich jetzt stärker als Bürgerin dieses Staates.“

„Der Baader Meinhof Komplex“, im Utopolis (Luxmburg), im Paris (Bettemburg) und im Prabbeli (Wiltz).


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