Geschichte eines Sommers:
Mit „A Guide To Recognizing your Saints“ gelingt Dito Montiel ein fulminantes und vielfach prämiertes Filmdebüt.
„My name’s Dito. I’m gonna leave everybody in this film.“ So stellt er sich vor, und so ist es. Ditos Geschichte handelt von der Flucht eines Jungen und der Rückkehr eines Mannes, nach zwanzig langen Jahren, für vieles zu spät, fast zu spät für alles. Erst als die Stimmen seiner Mutter und seiner alten Freunde ihn ans Krankenbett des Vaters rufen, stellt er sich seiner Vergangenheit. Von Kalifornien, einst ein rettender Strohhalm und längst seine Heimat, in der er es als Schriftsteller zu Geld und Ansehen brachte, kehrt er zurück zu seinem New Yorker Viertel und zu der schwülen Hitze jenes kurzen Sommers, in dem so viele Leben sich entschieden.
„A Guide to Recognizing your Saints“ ist das sehr viel versprechende Filmdebüt von Dito Montiel, bisher bekannt als Autor und Punkrocker, der sich seiner gleichnamigen Autobiographie als Vorlage bedient. Beim Sundance Filmfestival wurde der Film mit den Preisen für die beste Regiearbeit und die beste kollektive Schauspielerleistung gewürdigt – völlig zu recht. Vor allem Shia LaBeouf glänzt in der Rolle des jungen Dito, der von einer Liebe und Freundschaft erdrückt wird, die kaum weniger gewaltvoll ist als die Schlägereien, die sich die Jugendlichen auf den zugemüllten Straßen liefern.
Queens ist ein heißes Pflaster, und Ditos Freunde tragen ihren Teil dazu bei. Angeführt von Antonio (von Channing Tatum brillant interpretiert, mit der sinnlich-brutalen Energie eines jungen Marlon Brando), dem muskulösen Alphamännchen der Bande, cruisen die Jungs durchs Viertel und pöbeln Ladenbesitzer und Penner in der U-Bahn an. Wenn sie sich nicht mit puertoricanischen Sprayern prügeln, fordern sie kesse Mädchen zu Blowjobs auf. Mit dabei sind der kleinwüchsige und großmäulige Nerf (Peter Tambakis) und, im Schlepptau, Giuseppe (Adam Scarimbolo), Antonios introvertierter und oft gehänselter Bruder. Anspannung und Gewalt liegen in diesen Tagen ständig in der Luft, wie ein drohendes Gewitter. Vor allem Antonio, der von seinem Vater regelmäßig verprügelt wird und der für seine Freunde den Leitwolf und starken Bruder spielt, umgibt eine Wolke aus Aggressivität, die sich in jähzornigen Ausbrüchen entlädt.
Die Wut durchzieht auch das Verlangen, von dem sie kaum zu trennen ist, in diesen schwülen Sommernächten, in denen sich schwitzende Körper aneinander reiben, in denen Flirts verbalen Schlagabtauschen ähneln. Sie atmet in der Freundschaft der jungen Männer, die sie zusammenschweißt, und in der Liebe zwischen Vater und Sohn, zwischen Monty und Dito. Umarmung und Ringergriff liegen nah beieinander, und wenig trennt die streichelnde Hand von der erhobenen Faust, das neckende Wort vom offenen Streit.
„A Guide to Recognizing your Saints“ lebt von dieser greifbar inszenierten Spannung, von der Reibung, unter der die Figuren sich biegen und brechen und vor der Dito nach Kalifornien entkommt. Der Film gibt ihr etwas ungemein Verführerisches, diese Intensität, mit der die Menschen ihr Leben teilen und immer wieder aufeinander prallen, ohne Pufferzonen, ohne Samthandschuhe, ohne Atempausen, ohne Rücksicht auf Verluste.
Trotz hohem Tempo bleibt Zeit für Nachdenklichkeit und viele Fragen. Darüber was einen Mann zum Mann macht, der Ausbruch oder die Rückkehr, Unabhängigkeit oder Loyalität, Freiheit oder Verantwortung. Über die Gewalt erdrückender Liebe und die nicht minder tödliche Gewalt ihrer Zurückweisung. Vor allem über die Suche nach ein wenig Glück, die einen in die Fremde zieht, und die Sehnsucht, sich an seinen Liebsten festzukrallen und alles zu teilen, ganz gleich ob Glück und Unglück, alle Schicksalsschläge, das ganze Gefühlschaos.
Man hat nur eine Vergangenheit, eine Familie, die paar Freunde. Dito verlässt sie alle. Doch wo er auch hingeht und wie lange er auch wegbleibt, die andern verlassen ihn nie.
A Guide to Recognizing your Saints, im Utopia,