MILOS FORMAN: Einer flog übers Ziel hinaus

Goyas Geister sind leider im Limbo stecken geblieben: Der lang erwartete neue Milos-Forman-Film ist ein halbgarer Mix aus epochalem Zeitgemälde und Einzelschicksalen.

Da kann man schon leicht den Überblick verlieren: Goyas Geister gehen leider im Spektakel unter.

Der erste Film von Milos Forman in sieben Jahren kann nicht richtig begeistern, auch wenn sich die Schauspieler Mühe geben. Der Anspruch, sowohl eine Epochenstudie als auch ein Künstlerporträt zu zeigen, scheitert an einer konfusen Handlung vor einem mehr schlecht als recht gezeichneten historischen Hintergrund.

Das Jahr des Herrn 1792 gilt bekanntlich als Jahr der Aufklärung und der Aufstände. In Spanien sieht sich die katholische Kirche mit dem scheinbar steigenden Verfall der Sitten ihrer Herde konfrontiert. Härtere Maßnahmen müssen eingesetzt werden und so beschließen die Oberhäupter der Kirche, die bewährten Methoden der Inquisition – wie etwa Folter – wieder verstärkt anzuwenden. Als gottesfürchtiger Mensch und Freund des Hofes braucht sich der Maler Francisco Goya (Stellan Skarsgård) keine Sorgen um seinen Status zu machen. Anders seine Muse Inés Balbatúa (Natalie Portman), die aufgrund eines harmlosen Vorfalls in einer Taverne in die Fänge der Inquisition gerät und im Kerker landet. Ihre Familie wendet sich an Pater Lorenzo (Javier Bardem), doch dessen Motive sind weder selbstlos noch lautern genug, um Inés zu helfen. Er macht sich selbst vor Inquisitoren schuldig und muss flüchten. An diesem Punkt macht der Film einen Sprung in die Zukunft und man findet sich 15 Jahre später mit der napoleonischen Armee vor den Toren Madrids wieder. Doch statt Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit erwartet das spanische Volk blutige Unterdrückung.

Spätestens hier wird dem Zuschauer der große Makel dieses Films bewusst: Der fehlende Zusammenhalt der einzelnen Handlungsstränge. Einerseits wird Inés Geschichte in extenso verfolgt, andererseits sollen die historischen Begebenheiten analysiert und irgendwie muss auch noch Goya in das Ganze hineingeschmuggelt werden. Doch dessen Rolle bleibt schemenhaft obwohl er der eigentliche Geist der Geschichte ist. Ob er nun als stummer (und zunehmend tauber) Beobachter gedacht war, bleibt unklar, da er immer wieder aktiv und für den Zuschauer leider völlig unmotiviert am Geschehen beteiligt wird. Dass er größtenteils wie ein geldgeiler Opportunist wirkt, mag gewollt sein, es bleibt dennoch zu bemängeln, dass seine Figur einfach nur konturlos und platt wirkt. Das liegt weniger an der schauspielerischen Leistung von Stellan Skarsgård, als an der schwachen Vorlage des Drehbuchs, das dem unglücklichen Schweden wenig Spielraum für künstlerische Entfaltung lässt. Insgesamt haben die Schauspieler ihr Bestes versucht. Dem Spanier Javier Bardem kann man vorwerfen, sich in Sachen Mimik nicht unbedingt überfordert zu haben, letztendlich meistert er seine Rolle mehr als zufrieden stellend. Natalie Portman, die gleich zwei Parts übernimmt, spielt gewohnt tadellos, dennoch bleibt Inés Geschichte, obwohl ständig im Mittelpunkt, unterbelichtet und nicht wirklich mitreißend.

Die historische Komponente des Films kann am wenigsten überzeugen. Zu oberflächlich wird hier an eigentlich interessanten Vorlagen gekratzt. Ein Bild der Epoche will sich beim Zuschauer gar nicht einstellen, auch gehen die richtig spannenden Themen, wie etwa die Dialektik Macht und Machtmissbrauch, im Schatten der zu prominenten Inés-Handlung einfach unter.

Dabei ist Goya’s Ghosts unter dem Strich gar kein schlechter Film; doch dadurch, dass es sich schließlich um ein Werk von Milos Forman handelt, ist die Enttäuschung sehr groß. Von einem Regisseur seines Formats, der mit „One flew over the coocoo’s nest“ und „Amadeus“ Filmgeschichte geschrieben hat, hätte man nach so vielen Jahren Abstinenz viel mehr erwartet.

Goya’s Ghosts, im Utopia


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