GENTECHNIK: To ban or not to ban

Bis kommenden Mittwoch haben die EU-Staaten Zeit, internationale Handelsbarrieren aufzuheben. Die WTO droht mit Strafen in Milliardenhöhe. Betroffen sind unter anderem Gentech-Produkte. Doch in diesem Punkt sind sich die 27 EU-Staaten gar nicht einig.

Man sieht ihm nix an: Genmais sieht aus wie herkömmlicher Mais. In der EU wurden in diesem Jahr über 100.000 Hektar Land mit solchem Bt-Mais bestellt. (Foto: transgen)

Das gibt es selten: Umweltschutzgruppen rufen dazu auf, einen EU-Kommissar zu unterstützen. „Aidez-nous à sauvegarder l`Europe des OGM!“, steht etwa auf der Homepage von Greenpeace-Luxemburg. Zum „wir“ gehört in diesem Fall neben der Anti-Gentechnik-Lobby auch Umweltkommissar Stavros Dimas. Ihm soll nun durch möglichst viel Post an den Rest der Kommission der Rücken gestärkt werden. Seit dem 25. Oktober steht der Grieche nicht nur bei Greenpeace hoch im Kurs. Der Grund: Gegen den Willen seiner Kollegen verweigerte er zwei Gen-Mais-Varianten und einer genetisch veränderten Kartoffelsorte die Zulassung.

Eine zweifache Premiere. Zum ers-ten Mal, seitdem 1996 die Gentechnik Einzug in die Agrarwirtschaft hielt, wagt ein Kommissar einen solchen Schritt. Neu in der Geschichte der EU ist auch, dass er sich damit gegen das Urteil der Europäischen Behörde für Lebensmittelrecht (EFSA) stellt. Die nämlich hatte das Saatgut der beiden betroffenen Mais-Varianten Bt11 und 1507 von Syngenta und Pioneer/Dupont wie auch die BASF-Kartoffel Amflora als unbedenklich eingestuft.

Der Rest der Kommission schloss sich dieser Meinung an, vor allem Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel, Handelskommissar Perter Mandelson und Industriekommissar Günther Verheugen sollen sich gegen Dimas‘ Vorstoß gewehrt haben. Laut Greenpeace-Luxemburg steht jedoch die Luxemburger Kommissarin
Viviane Reding hinter Dimas. Unklar ist, wie es nun weitergeht, sicher ist dagegen, dass der Umweltkommissar in einer Abstimmung innerhalb der Kommission den Kürzeren ziehen wird.

Luxemburg unterstützte Österreichs Importverbot

Allerdings ist dies nicht das einzige umstrittene Gentechnik-Dossier, mit dem sich die Kommission derzeit befassen muss. Ende Oktober hatte man eigentlich das Kapitel der österreichischen Importverbote endgültig abschließen wollen. Doch auch das scheiterte an den Meinungsdivergenzen – diesmal innerhalb des Rates der EU-Umweltminister. Hierhin hatte die Kommission ihre Forderung getragen, Österreich dürfe nicht weiter die Einfuhr von zwei genveränderten Maissorten blockieren. Gemäß der EU-Regeln bekam sie recht: Zwar unterstützten 14 der 27 EU-Länder Österreich dabei, den Import und die Verarbeitung von Mon810 des US-Konzerns Monsanto und T25 von Bayer zu verbieten. Neben den beiden „Großen“ Deutschland und Frankreich stimmte auch Luxemburg für die österreichische Position. Doch die insgesamt 187 Stimmen reichten nicht aus, um die erforderliche qualifizierte Mehrheit von 255 Stimmen zu erlangen. Faktisch ist somit der dritte Versuch der Kommission, die Verbote aufzuheben, gelungen. Sie könnte also Österreich unter Androhung von Strafen zur Aufhebung zwingen.

Eigenen Aussagen zufolge will man jedoch behutsam vorgehen. Es war Stavros Dimas, der kurz nach der Ratssitzung das weitere Vorgehen der Kommission nach dem Umweltminis-terrat erklärte: „Die Kommission hat die starken Bedenken der Mitgliedstaaten zur Kenntnis genommen“, so Dimas in Brüssel. „Sie wird nun die Lage prüfen, bevor sie die nächsten Schritte einleitet.“ Dies beinhalte auch die Abschätzung der Folgen hinsichtlich der Welthandelsorganisation (WTO). Am 21. November läuft eine Frist der WTO ab, die androht, Strafen in Millionenhöhe gegen die EU zu verhängen, falls internationale Handelsbarrieren weiterhin aufrecht erhalten bleiben.

Man werde in Kürze eine neue Studie vorlegen, die die Einwände gegen den Genmais wissenschaftlich untermauert. Vor allem gegen den so genannten Bt-Mais, zu dem sowohl MON 810 als auch die beiden von Dimas zurückgewiesenen Sorten Bt 11 und 1507 gehören, gibt es Bedenken. Gemeinsam ist ihnen, dass sie alle den Bacillus thuringensis produzieren – einen Bazillus, der unter anderem einem gefürchteten Schädling, dem Falter namens Maiszünsler, den Garaus macht. In den USA hatte eine Studie bereits vor zwei Jahren ergeben, dass sich der Pollen von Bt-Maissorten negativ auf die Larven von anderen Falterarten auswirkt. Die Larven wiesen ein erhöhtes Sterberisiko auf, die Falter eine reduzierte Fruchtbarkeit. Andere Untersuchungen zeigten, dass das Bacillus thuringensis möglicherweise auch Wespen, Ameisen oder Spinnen schädigen kann.

Neues Moratorium in Sicht?

„Die Mehrheit der Mitgliedstaaten ist gegen den Vorschlag der Kommission“, kommentierte Portugals Umweltminister und Ratspräsident Francisco Nunes Correia das Votum Ende Oktober in Luxemburg. „Dies sollte uns zu einer Denkpause veranlassen.“ Viele Mitgliedstaaten würden nun den Vorschlag Italiens unterstützen, so lange keine neuen GMO-Produkte in der EU zuzulassen, bis zweifellos geklärt sei, auf welche wissenschaftlichen Erkenntnisse die Europäische Lebensmittelagentur ihre Empfehlungen stützt.

Unterdessen kündigte Frankreich einen Tag nach dem Umweltminis-terrat offiziell ein Moratorium für Mon810 an. Bis auf Weiteres seien Handel und Anbau mit dem Saatgut dieser Genmais-Sorte verboten. Eine Art Notbremse, denn unter anderem in Frankreich war der Anbau im vergangenen Jahr von 5.000 auf über 20.000 Hektar gestiegen (siehe Kasten). Mehr als zwei Drittel der über 100.000 Hektar Genmais-Fläche der EU liegen in Spanien, wo Genmais bereits ein Viertel der nationalen Maisernte ausmacht. Bt-Mais ist trotz höherer Kosten vor allem für die Landwirte in den südlichen Ländern interessant, weil hier der Maiszünsler die größten Ertragseinbußen verursacht. Die Mehrkosten für das teurere Saatgut werden durch die höheren Erträge und die geringeren Kosten für chemische Spritzmittel ausgeglichen. Beratungsfirmen sprechen von einer Steigerung des Bruttogewinns von bis zu 100 Euro pro Hektar. In Regionen mit schwachem Zünslerbefall hingegen bietet der Anbau von Mon810 kaum Vorteile. Ein Argument, das Landwirtschaftsminister Fernand Boden anführt, wenn Organisationen wie Greenpeace ein Verbot in Luxemburg einfordern.

Auf dem Aktienmarkt erfreut sich Monsanto unterdessen seit fünf Jahren eines stabilen Aufwärtstrends. Laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom vergangenen Freitag hat sich der Kurs von 6,90 Dollar im Jahr 2002 auf 98,29 Dollar mehr als vervierzehnfacht. Ursache sei ein „optimistischer Ausblick“, den der Vorstand in einer Analystenkonferenz gab und der sich auf ein neues gentechnisch verändertes Saatgut stützt, „das deutlich höhere Erträge hervorbringen soll“. Die Sorte soll 2010 auf den Markt kommen. Vorausgesetzt, das mit der Zulassung klappt. Denn, so notiert auch die FAZ, „den Firmen weht in Euro-pa ein schärferer politischer Wind entgegen“.

 

Anbaufläche von Genmais verdoppelt
Während sich die EU-Minister um die Zulassung von genetisch veränderten Pflanzen streiten, hat sich der Anbau von Genmais in der EU binnen eines Jahres nahezu verdoppelt. 2007 wurde vor allem in Spanien und Frankreich, aber auch in Tschechien, Portugal und Deutschland auf insgesamt 110.000 Hektar Genmais kultiviert, im Vorjahr waren es 62.000 Ha. Zugelassen sind in der EU drei Genmais-Linien. Relevant für den Anbau ist jedoch nur der von Monsanto produzierte MON810, der seit 1998 in der EU zugelassen ist. Im April dieses Jahres lief die Erstgenehmigung aus, nun beginnt ein neues Zulassungsverfahren. Bis zum Abschluss darf die Pflanze weiter angebaut werden. Mehrere EU-Länder wie Österreich, Griechenland und Ungarn haben unter Berufung auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse ein nationales Verbot ausgesprochen.


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