Juncker schweigt, Frieden zögert. Das macht vor allem deutlich:
Das Bombenleger-Dossier bedarf einer politischen Kontrolle jenseits der Exekutive.
Normalerweise ist Luc Frieden ein Mann der starken Worte. Noch im September, anlässlich der Patronatsfeier der Polizei, hatte er verkündet, die öffentliche Sicherheit sei eine seiner Prioritäten. Im gleichen Atemzug hatte er eine verbesserte Ausstattung des Polizeiapparates und eine Aufstockung von 1.500 auf 2.000 Mann bis 2015 versprochen. Zwar sei der „internationale Banditismus“ bis jetzt nicht in Luxemburg angekommen und die Kriminalität mit 5.600 Vorfällen auf 100.000 Einwohner auf einem gleichbleibend niedrigen Niveau, doch sei Vorbeugung angesagt.
Die polizeiliche Aufrüstung – in jüngster Zeit vor allem durch die wie Pilze aus dem Boden schießenden Überwachungskameras symbolisiert – sie findet spätestens seit dem 11. September ihre Begründung im international angespannten Umfeld. So fällt es dem Polizeiminister Frieden nicht schwer, den Budgetminister Frieden von der Wichtigkeit diverser kostspieliger Anschaffungen zu überzeugen und regelmäßig die personelle Aufstockung – jenseits des „numerus clausus“ – durchzusetzen.
In den Achtzigerjahren, als Bin Laden noch niemandem ein Begriff war, hatte es bereits einmal eine solche Aufrüstungsorgie gegeben. Sie fand damals ihre Begründung nicht zuletzt in der „Bommeleeër“-Affäre, die angeblich zeigte, wie amateurhaft die Luxemburger Sicherheitsorgane seien.
Inzwischen finden sich immer mehr Belege für das, was anfangs als „Verschwörungshysterie“ und „Verfolgungswahn“ Einzelner abgetan wurde: Die „Bommeleeër“ mussten über gute Kontakte zu den damaligen Sicherheitsorganen verfügen – oder diesen sogar angehören – um ihre Anschläge unerkannt verüben zu können. Hätten Polizei und Justiz richtig funktioniert, dann hätte sich diese Erkenntnis, die so deutlich erst vor vierzehn Tagen „offiziell“ wurde, nicht erst nach 22 Jahren durchgesetzt. Doch selbst dann dauerte es noch über eine Woche, bis Frieden sich dazu entschließen konnte, die beiden verdächtigten Polizeibeamten vom Dienst suspendieren zu lassen. Das zeigt, dass einiges von der Amateurhaftigkeit der Achtzigerjahre übrig geblieben ist. Schlimmer noch: Erst am Mittwoch dieser Woche erfuhr die zuständige Chamber-Kommission, dass ausgerechnet der amtierende Polizeidirektor Auftraggeber jener merkwürdigen Bespitzelung eines ehemaligen Mitglieds der Brigade mobile war, deren Kenntnis man der Justiz jahrelang vorenthalten hatte und die erst durch eine Hausdurchsuchung bei der Polizei im Jahre 2004 bekannt geworden war.
Es ist sicherlich keine Übertreibung, von „dysfonctionnement“ zu reden, wenn der Informationspflicht staatlicher Dienststellen nur mittels Hausdurchsuchungen Genüge getan wird. Es ist auch nicht übertrieben, dem politisch verantwortlichen Minister Inkompetenz vorzuwerfen, wenn er eine Woche braucht, um eine klare Situation richtig einschätzen zu können. Wenn er dann auch noch die Chance verpasst, vorausschauend und im Einklang mit der Chamber, wirklich alle vom „Bommeleeër“-Dossier tangierten Personen sozusagen unter Quarantäne zu stellen und sie provisorisch von ihrer Dienststelle zu entfernen, um weiteren Verdunkelungen vorzubeugen, dann muss der Premier in spe sich fragen lassen, ob dieser Anzug nicht eine Nummer zu groß für ihn ist.