Die Kommunen sollen in der Wohnungspolitik endlich eine aktivere Rolle spielen, so der Ansatz des „Pacte Logement“, der demächst zum Votum ansteht. Doch die Regierung spielt den Gemeinden den Ball zu, ohne sie für diese Aufgabe fit zu machen.
Zu wenig Grundstücke, oder nur zu hohe Preise? Diese Frage beschäftigt nicht nur die Autoren des Gesetzesprojekts zum „Pacte Logement“, sondern auch Abgeordnete und Gemeindeverantwortliche. Die Studien zum Thema kommen zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen. So stellt das „Observatoire de l`Habitat“ zwar fest, dass der Durchnittspreis pro Quadratmeter Wohnfläche zwischen 2004 und 2006 von etwa 2.500 auf 3.000 Euro, also um fast 20 Prozent gestiegen sei. Doch seien innerhalb der Bauperimeter der Gemeinden noch 10 Prozent der Fläche für Bebauung verfügbar.
Die vom Wohnungsbauministerium in Auftrag gegebene „Wohnungsbedarfsprognose 2002-2021“, die im Herbst vorgestellt wurde, hält aber fest, dass jährlich 3.800 neue Wohnungen geschaffen werden müssten, um den zu erwartenden Bedarf zu decken – tausend mehr als das aktuelle Pensum. Tatsächlich, so die Zusammenfassung der Ergebnisse, sei von 1992 bis 2002 ein „konstanter Rückgang der verkauften Baugrundstücke bei gleichzeitig starkem Preisanstieg“ festzustellen. Und: „Die Erwartung steigender Preise und Gewinne schränkt die kurzfristige Verkaufsbereitschaft der Grundeigentümer weiter ein.“ Aber auch unmobilisierte Baunischen bzw. überdimensionierte Wohnungen für immer kleinere Haushalte trügen zum Engpass bei.
Doch die öffentliche Hand in Luxemburg hat – im Unterschied zu unseren Nachbarländern – mangels Landreserven derzeit nur wenig Einfluss auf das Angebot an Wohnflächen – und somit auf den Preis. Deshalb entpuppt sich auch der von Wohnungsbauminister Fernand Boden (CSV) vorgelegte Gesetzesentwurf eines „Pacte Logement“ als paradox: Die neuen Instrumente, die der Pakt vorsieht – ob Vorkaufsrecht für öffentliche Promotoren, Subventionierung von kommunalem Wohnungsbau oder Förderung von Erbbaurecht – setzen voraus, dass Staat und Gemeinden über Finanzierungsquellen verfügen. Umso erstaunlicher, dass die Schaffung eines „fonds d`investissement immobilier“, die im Regierungsprogramm 2004 angekündigt worden war, im „Pacte Logement“ nicht vorgesehen ist.
Kommunen unzufrieden
Auch die Kommunen haben oft einfach nicht das Geld, um Grundstücke aufzukaufen – allenfalls benachrichtigen sie den „Fonds du Logement“ über interessante Kaufobjekte. Zwar ist im Pakt eine Bezuschussung von Gemeinden vorgesehen, die innerhalb von 10 Jahren ihre Bevölkerungszahl um 15 Prozent erhöhen. Doch vom Gemeindedachverband Syvicol wird die Subventionierung als viel zu niedrig und unflexibel angesehen. Vor allem aber geht sie von der Annahme aus, dass die Gemeinde entweder selbst oder mit einem privaten Partner Projekte anleiert und neue Siedlungen verwirklicht.
Henri Kox, grüner Vertreter in der zuständigen Parlamentskommission, ist ebenfalls Schöffe in der Gemeinde Remich, die zu den im IVL definierten „Centres de développement et d`attraction“ (CDA) gehört. Auch er vermag der neuen Subventionierungspolitik wenig abzugewinnen: „Es gibt kaum eine Landgemeinde, die nicht in den letzten Jahren eh schon in dem vom Gesetz geforderten Rythmus gewachsen ist.“ Unterstützung sucht er eher beim Ankauf von Baulandreserven: „Wir haben in Remich weder Geld, um Grundstücke aufzukauen, noch um Bauprojekte zu verwirklichen.“ Oder bei der Herausforderung, die BürgerInnen seiner Gemeinde von Konzepten dichterer Bebauung zu überzeugen. Gerne würde der Energieexperte Niedrigenergieprojekte in seiner Gemeinde entwickelt sehen, doch: „Uns fehlen die technischen Kapazitäten, um solche Projekte durchzuziehen.“
Wichtiger als Subventionen wäre vor allem für kleinere Gemeinden also eine logistische Unterstützung. Dem Grünen schwebt eine Art Wohnungsbaugesellschaft vor, die anders als der Fond de Logement, nicht Bauherr wäre, sondern als Dienstleister für die Gemeinden auftreten würde. „Wir wollen am Entscheidungsprozess beteiligt sein, aber wir brauchen eine technische Stütze.“ Support könnten gerade kleinere Gemeinden auch gebrauchen, wenn es darum geht, Konventionen mit Baupromotoren auszuhandeln. „Die sitzen mit 10 bis 20 Leuten da, wenn sie uns ihre Projekte vorstellen und wir zu dritt oder viert ihnen gegenüber.“
Auch von Seiten der Berufskammern wurde ein „guichet unique de l`urbanisme“ gefordert, ein staatliches Büro, das den Gemeinden bei baulichen Aktivitäten Hilfestellung geben könnte. Doch eine solche Struktur ist im Gesetzesentwurf nicht vorgesehen. Genauso wenig wie die „Agence immobilière urbaine“, die Wohnungsbauminister Fernand Boden noch im Mai 2006 angekündigt hatte. Sie sollte zu Aufgabe haben, den Gemeinden technische, logistische und finanzielle Hilfestellung bei der Sanierung von Altbauvierteln zu geben.
Fundamentalkritik
Noch weit fundamentalere Kritik an der Regierungsinitiative hatte die im Sommer vom Mouvement écologique vorgestellte Studie „Wohnungsbauentwicklung im Rahmen nachhaltiger Raum- und Landesplanung in Luxemburg“ geübt: Es gebe, so Dr. Dieter Ewringmann, zwar einen „Nachfrageüberhang“, aber keine Notsituation auf dem Wohnungsmarkt. Angesichts der Tatsache, dass der Wohnflächenbedarf der Luxemburger Haushalte um 50% über dem europäischen Durchschnitt liege, sei es nicht angebracht, den Wohnungsbau weiterhin nach dem Gießkannenprinzip – und im Widerspruch zum IVL-Konzept – zu fördern. Vielmehr sei im Sinne von mehr Nachhaltigkeit eine Drosselung des Flächenverbrauchs anzustreben, ein Susbid sollten nur noch IVL-Gemeinden erhalten. Subventionen müssten zudem an die Erfüllung von Energie- und Flächeneffizienzkriterien bei Bauprojekten gekoppelt werden. Dagegen sollten „wirklich Bedürftige“ stärker durch die öffentliche Hand unterstützt werden. Was Frank Jost in goosch.lu zur Kritik veranlasste, angesichts von Durchschnittsmieten von 1.000 ? und eines Nettomindestlohns von 1.400 ? sei Ewringmanns Analyse soziologisch undifferenziert.
Trotzdem bleibt die delikate Frage, ob heute noch ein Gesetzesinstrument angebracht ist, das laut Berichterstatter Norbert Haupert (CSV) „hoffentlech de Wee fräi mécht, fir datt déi kommend Generatiounen sech och nach zu raisonnabele Präisser een Eegenheem kënnen uschafen“. Und ebenso ist die Kritik berechtigt, dass außer der Abstufung nach CDA-, IVL- und sonstigen Gemeinden keine Kriterien zur Erlangung der Subventionen gestellt werden: Neben energie- und flächensparendem Bauen könnten dies auch neue Wohnformen sein wie Wohngemeinschaften oder autofreie Siedlungen.
Ewringmanns Annahme, dass Leute mit Durchschnittseinkommen auch ohne staatliche Förderung noch Wohnraum finden, wenn sie ihre Ansprüche einschränken, bestätigt sich an dem – zumindest für Luxemburg – neuen Phänomen der Zweckwohngemeinschaften. „Appartager.lu“ heißt etwa eine Internetadresse, auf der potentielle MitbewohnerInnen sich melden können. Dort hat zum Beispiel eine Wohngemeinschaft bestehend aus zwei Jungesellen und einer Mutter von zwei Kindern, alle unter Dreißig, ein Zimmer frei. Studierende, Beschäftigte auf Zeitkontraktbasis oder Neuankömmlinge interessieren sich für WG-Zimmer vor allem in Luxemburg-Stadt, die zu Warmpreisen zwischen 400 und 700 Euro angeboten werden (manche Preise enthalten gar den Reinigungsdienst!).
Es fehlt an Alternativen
Natürlich ist dies für die traditionelle Familie mit zwei Kindern und Auto keine Lösung. Doch Singles und kinderlose Paare machen heute schon über die Hälfte aller Haushalte aus. Neue Wohnformen streben auch jene an, die fürs Alter Alternativen zum Heim suchen. Seniorenwohngemeinschaften sind also ebenfalls für das konservative Luxemburg in einigen Jahren angesagt. Doch solche raumsparenden Wohnformen von öffentlichen Wohnungsbauakteuren werden kaum gefördert – dabei würden gerade sie dazu beitragen, Innenstädte wieder zu beleben.
Auch neue Ansätze im sozialen Bereich, wie das Konzept der „Agence immobilière sociale“ harren ihrer Ausführung. Den Vorschlag mehrerer, im Luxemburger Ableger des „European Anti-Poverty-Network“ (EAPN) zusammengeschlossener NGO, nach ausländischem Modell eine soziale Wohnungsvermittlungsagentur in Luxemburg einzurichten, hatte
Fernand Boden schon 2006 befürwortet. Karin Manderscheid, Präsidentin von „EAPN Lëtzebuerg“, weiß aber zu berichten, dass ein erstes Treffen mit dem Wohnungsbauministerium ge
plant sei.
Immerhin hat die Kritik von Ewringmann dazu geführt, dass die sozialistische Fraktion in der zuständigen parlamentarischen Kommission anregte, die Vergabe von Subventionen an die Kommunen wenigstens minimal an Kriterien zu binden. Die vom Oktober datierenden Änderungsvorschläge enthielten den Zusatz, dass die bezuschussten Gemeinden „une certaine mixité sociale de leur population“ und „une utilisation rationnelle du foncier par une densité de bâti appropriée“ garantieren müssten. Und Henri Kox weiß zu berichten, dass der neue Text in der Kommissionssitzung vor einer Woche beibehalten wurde – trotz der nicht unberechtigten Kritik des Staatsrates, dies sei ein „concept tellement vague qu`il ne saurait être apprécié concrètement“.