TIM BURTON: Scharfe Klinge, schiefe Töne

Tim Burton ist zurück, mit einem rührenden Splatter-Musical. „Sweeney Todd: the Demon Barber of Fleet Street? lehrt Bartträger und Ausspanner das Grauen!

Das perfekte Service-Angebot: Einmal rasieren und dann der Familie als Fleischpastete vorgesetzt werden.

Tim Burton und Johnny Depp sind seit Jahren ein eingespieltes Team: Den drei letzten Filmen des Kultregisseurs hat Depp sein Talent beigesteuert, und scheint im neuesten Werk sogar dessen Gestalt anzunehmen. Überraschungen bleiben trotzdem nicht aus, denn Burton benutzt zum ersten Mal literweise Filmblut und Depp entdeckt seine Freude am dramatischen Gesang.

Benjamin Barker segelt, nach fünfzehnjähriger Zwangsarbeit in Australien, zurück nach London. Der besessene Richter Turpin (brilliant gespielt von Alan Rickman) hatte Barkers kleine Familie zu seinem Eigentum gemacht, nachdem er den unschuldigen Barbier ganz einfach auf einen anderen Kontinent entsorgt hatte. Der junge Vater aber, ist fest entschlossen seine Familie zurückzugewinnen. Unter dem Namen Sweeney Todd kehrt er in sein bescheidenes Lokal in der Fleet Street zurück, in dem jetzt Bäckersfrau Lovett (Helena Bonham Carter) ein sehr erfolgloses Pastetengewerbe betreibt. Von ihr erfährt er, dass seine Geliebte mehr vom Freitod als vom Richter angetan war und dass seine Tochter nun nicht mehr seine, sondern die des fiesen Turpin sei. Sweeney glüht vor Wut, und schwört sich an der Stadt zu rächen.

Nachdem er seine Rasierklingen besungen hat, fängt die Arbeit an, und spätestens zu diesem Zeitpunkt wird es den üblichen Depp-Fans mulmig. Sweeney sticht jeden nieder der auf dem alten Friseursessel landet, es spritzt und schmiert was das Zeug hält. So sehr, dass man glaubt, Sweeney würde sich nicht an London rächen, sondern an Edward, der seine Scherenhände eigentlich nie zum Töten benutzt hat. Die leblosen, unrasierten Kunden werden anschließend rückwärts vom Sessel in den Keller befördert, und der verwöhnte Kinobesucher darf jedesmal beim Aufprall das Knacken der Wirbelknochen hören und beim Platzen der Schädel zusehen. Damit nicht genug: Der Leichenhaufen im Untergeschoss weckt Frau Lovetts Geschäftssinn. Bald duftet es in der Fleet Street nach frischer Fleischpastete, nach denen sich die Londoner die Finger lecken.

Doch dank Burtons rabenschwarzem Humor und Bonham Carters geschicktem Timing ist dies alles erträglich und sogar ziemlich witzig. „Sweeney Todd“ ist ein netter, unterhaltsamer Film, kommt wegen der überflüssigen und oft langweiligen Gesangseinlagen allerdings nur schleichend voran. Die Gesangskünste der Schauspieler sind nicht die, die man sich bei Musicals erwartet, doch die Darsteller wissen dies zu ihrem Vorteil zu nutzen. So klingen Sweeneys Wut und Herzschmerz echt, und seiner Tochter Johanna (Jayne Wisener) sieht man an, dass sie verzweifelt und schwach ist.

Wie man es bei Burton nicht anders gewohnt ist, verblüfft auch bei diesem Werk die Ästhetik der Bilder. Vor allem in der Picknick-Szene bringt die Darstellung eines glücklichen Sweeney auf Familienfahrt zum Schmunzeln. Diese ironischen Momente lockern die trübe Stimmung schlagartig auf und errinnern wieder an die frühen, abgedrehteren Filme des Regisseurs. „Sweeney Todd? ist sicher nicht Burtons Meisterwerk, doch der Film kann Fans des Musicals und Freunde des Gore gleichermaßen begeistern, ohne dabei auf große Gefühle zu verzichten. Für jeden ist also etwas dabei. Kinder sind trotzdem nicht zugelassen.

Im Utopolis.


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