FINANZKRISE: Pannen im Paradies

Über die Frage der Entschädigungen für die Opfer der Kaupthing-Pleite oder der Madoff-Affäre hinaus geht es um die Zukunft des Luxemburger Finanzplatzes.

Pech für alle, die auf den Herz-Buben Bernie Madoff gesetzt haben.

„Werden die reichen Franzosen demnächst Luxemburg meiden?“, fragt die Zeitung Libération in einem Artikel vom vergangenen Mittwoch, der dem Luxemburger Wirtschaftspatriotismus ein perfektes Feindbild liefert. Die in anderen Fragen alles andere als regierungsnahe Zeitung übt beim Thema Steuerparadies und Madoff-Affäre den Schulterschluss mit Wirtschaftsministerin Christine Lagarde. Luxemburg könne nicht den gleichen Schutz für Fondsanlagen anbieten wie zum Beispiel Frankreich, so lautet die Botschaft.

Auslöser dieser „anti-pub“: 500 Millionen Euro von französischen AnlegerInnen, die über die luxemburgische UBS-Filiale in Bernie Madoffs Schneeballsystem investiert wurden – und jetzt futsch sind. In Frankreich müsse die Depotbank für das angelegte Vermögen geradestehen, so Lagarde, in gewissen anderen Ländern aber sei das nicht der Fall. In der Tat könnte das Kommuniqué der Luxemburger Aufsichtsbehörde „Commission de surveillance du secteur financier“ (CSSF) vom 2. Januar diesen Eindruck erwecken. Zwar versichert die Behörde, eine Übertragung des Fondsmanagements an Dritte – wie bei den UBS-Fonds geschehen – könne die Depotbank nicht von ihrer Verantwortung entbinden. Bei der Definition dieser Verantwortung beschränkt sich die CSSF aber auf die Aufsicht und Überwachung des Fonds. Erst als Reaktion auf die französischen Angriffe nannte Luc Frieden die Verpflichtung der Depotbank, die Werte zu halten und zurückzugeben – genau wie in Frankreich.

Bernie was here

Möglicherweise ist also die Sorge der französischen AnlegerInnen unbegründet, die UBS muss sie ausbezahlen, und die Attacke der Minis-terin war nichts als ein weiterer Angriff auf den verhassten Luxemburger Finanzplatz. Möglich aber auch, dass die Schweizer Bank die Millionen nicht so locker sitzen hat und es auf einen Gerichtsmarathon ankommen lässt. Frieden verweigerte denn auch konkrete Aussagen zur UBS mit dem Hinweis, ein Minister dürfe nicht dem Richter vorgreifen.

Skepsis gegenüber Luxemburgs Anlegerschutz dürfte jedenfalls der Umgang mit den Depotgarantien für Konten und Sparbücher hervorrufen. Am 17. Oktober hat Luxemburg die maximale Entschädigung im Falle eines Bankkonkurses von 20.000 auf 100.000 Euro angehoben. Doch am 7. Januar erklärte Jean-Jacques Rommes, Direktor der „Association des banques et banquiers“ (ABBL), bei einem Pressefrühstück, solange die Garantiegesellschaft der Banken ihre Statuten nicht geändert habe, bleibe es bei 20.000 Euro. Prompt dementierte der zuständige Minister Luc Frieden: Das Gesetz sehe 100.000 Euro vor, deshalb habe gegebenenfalls jeder Kunde einen Anspruch auf diese Summe. Wo und wie geschädigte Personen diesen Anspruch aber geltend machen können, bleibt unklar.

Muss man Mitleid empfinden für „SparerInnen“, die über 20.000 Euro bei der Kaupthing-Bank platziert hatten, weil dort die Zinsen besonders hoch waren – zu hoch eben? Und für die „Eingeweihten“, die beim vermeintlichen Börsengenie Bernie Madoff investierten, in der Hoffnung, noch höhere Spekulationsgewinne einzustreichen als die bereits enormen Renditen der „normalen“ Fonds? Mitleid sollte man wohl allenfalls mit den 500 UBS-Angestellten haben, wenn – wie von Frieden angedroht – der Bank aufgrund ihrer Nachlässigkeit die Handelserlaubnis entzogen würde.

Verglichen mit den von der Finanzkrise verursachten Verlusten sind die Madoff-Milliarden nur ein kleines Detail – doch gerade diese Affäre macht deutlich, dass halbherzige Versuche, die Finanzmärkte zu regulieren, zu kurz greifen. In einem System, in dem zweistellige Renditen die Regel sind, die interessantesten Anlagen außerhalb der Börsen angeboten werden, und die Kontrolleure mit den Kontrollierenden gemeinsam Golf spielen, lassen sich weder kleine Betrügereien noch große Katastrophen vermeiden.

Wie viel Reregulierung?

„Die Glaubwürdigkeit der Finanzberufe ist lädiert. (…) Unsere Lobbying-Power hat dramatisch gelitten“, beschreibt Jean-Jacques Rommes freimütig den Impakt der Krise auf die Aktivitäten der ABBL. Dabei stehen gerade jetzt Entscheidungen an, die den Bankiers Sorgen bereiten: Nachdem in den Achtzigerjahren die Finanzmärkte schrittweise liberalisiert wurden, mehren sich die Rufe nach einer Reregulierung, sowohl auf nationaler wie auf internationaler Ebene. Während liberale Pragmatiker wie Norbert Walter sich auf punktuelle Verschärfungen, zum Beispiel bei den Rating-Agenturen, beschränken wollen (woxx 985), gehen kritische Ökonomen wie Christian Chavagneux vom Magazin „Alternatives économiques“ weiter: Er plädiert unter anderem dafür, die Aktivitäten der Hedgefonds drastisch einzuschränken und den außerbörslichen Handel mit Risikoprodukten wie den Derivaten zu verbieten. In der Tat, angesichts der massiven staatlichen „Einmischung“ in Form von Rettungspaketen erscheint es recht und billig, dass der Staat den Banken auf die Finger klopfen darf.

„Bevor wir zu viel regulieren, sollten wir erst die Ursachen der Krise analysieren“, warnt Rommes. So habe zum Beispiel die Verschärfung der Eigenkapitalvorschriften dazu geführt, dass Banken ihre risikobehafteten Kredite in so genannte „special purpose vehicles“, die keiner Kontrolle unterliegen, auslagern. Eine unkluge Regulierung könne das System destabilisieren, anstatt es zu konsolidieren. „Luxemburg ist durch eine Reregulierung besonders gefährdet, denn wir sind schon immer eine ziemlich liberale Schiene gefahren“, so Rommes‘ Einschätzung. Man habe zwar die EU-Direktiven umgesetzt, aber dabei keine zusätzlichen „ideologischen Fesseln“ angelegt. „Luxemburg ist als kleiner Akteur in der Finanzwelt notgedrungen auf Nischen angewiesen.“ Falls ein europäisches Banken-Kontrollsystem eingeführt werde, plädiere die ABBL für den Erhalt der in Luxemburg bewährten „Kontrolle nahe am Operateur“, zum Beispiel durch die luxemburgische Zentralbank. Was Rommes nicht ausdrücklich sagt: Die Diskretion, auf die das Geschäft mit Private Banking und Steuerflucht angewiesen ist, verträgt sich schlecht mit Regulierungen und Kontrollen, insbesondere mit supranationalen.

Der ABBL-Direktor wird auch nicht müde zu betonen, dass sowohl die Krise als auch die Madoff-Affäre jenseits des Atlantik verursacht wurden, es also in erster Linie die US-Kontrolle sei, die versagt habe. Doch die Art und Weise, wie Rating-Agenturen Gefälligkeitsgutachten ausgestellt haben und Kontrollbehörden dem Insider Bernie Madoff nicht auf den Zahn gefühlt haben, ist kein amerikanischer Einzelfall. Im „Lëtzebuerger Land“ vom 9. Januar beleuchtet die Wirtschaftsjournalistin Véronique Poujol den Filz rund um die UBS-Madoff-Fonds. Insbesondere im Verwaltungsrat der „Access Management Luxembourg“ (AML), die sich um den Luxalpha-Fonds kümmerte, scheinen sich bekannte Figuren des Finanzplatzes wiederzufinden. Diese wurden, so Poujol weiter, fürstlich entlohnt für einen Job, der sich darauf beschränkte, den Hintermann von AML, Bernie Madoff, gewähren zu lassen. Angesichts dieser Verquickungen sei es schwierig, die Qualität und Seriosität Luxemburgs als Fonds-Standort anzupreisen, stellt die Journalistin fest. Auch die Kontrollbehörde CSSF könne im Zuge der Madoff-Affäre in die Kritik geraten: Ihr Ansatz, auf die Selbstregulierung und die Arbeit der Auditfirmen zu setzen, habe sich nicht bewährt.

„Man darf den Teufel nicht an die Wand malen.“ Diese Empfehlung gab Jean-Jacques Rommes während des eineinhalbstündigen Pressefrühstücks gleich drei Mal. Er hat allen Grund, nervös zu sein. Die Finanzkrise im Allgemeinen und die Madoff-Affäre im Besonderen bedrohen den luxemburgischen Finanzplatz nicht nur durch ihre direkten Auswirkungen. Auch die fällige internationale Reregulierung des Bankensektors könnte fatale Folgen haben.


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