EU-KOMMISSION: Kein Dauer-abo für die Konservativen

Seit Jahrzehnten hat die CSV den Luxemburger EU-Kommissarposten inne. Die politische und arithmetische Vernunft sagt: Jetzt sind andere an der Reihe.

Das Ergebnis der Europawahlen ist eindeutig: Die CSV verliert mit 5,8 Prozent fast ein Siebtel ihrer Stimmen von 2004. Mehr als zwei von drei WählerInnen haben sich somit gegen eine Vorherrschaft der CSV auf EU-Ebene entschieden. Auch wenn die Europawahlen eigentlich dazu dienen, die sechs Luxemburger Abgeordneten des Europaparlamentes zu bestimmen, waren sie doch auch ein Gradmesser für den Erfolg bzw. Misserfolg der bisherigen Kommissarin. Ihre Entscheidung, auf der Europaliste der CSV zu kandidieren, hatte wohl vor allem den Zweck, das Manko des Kandidaturverzichts der CSV-Größen weniger fühlbar zu machen. Doch bedeutete ihre Teilnahme auch, dass sie sich selbst einem Legitimationstest aussetzte. Und der fiel eindeutiger aus, als es sich die CSV wohl erwartet hatte. Dass sich am Ende an der Sitzverteilung dennoch nichts änderte und die CSV wie gehabt drei der sechs Sitze erringen konnte, hat vor allem mit einem für die anderen Parteien ungünstigen Berechnungsmodus zu tun. Der Stimmung in der Wahlbevölkerung wird die Sitzverteilung jedenfalls nicht gerecht. Wenn also die von CSV-Vormann Juncker so gern benutzte Vokabel der arithmetischen Vernunft Gültigkeit haben soll, so müsste die CSV die Konsequenzen aus ihrem schwachen Abschneiden ziehen.

Es ist aber nicht nur das Wahlergebnis, was gegen die CSV spricht. Dass sie in den letzten Jahrzehnten ununterbrochen Luxemburg in der europäischen Kommission vertreten hat, verstößt gegen das ungeschriebene Gesetz, wonach der Kommissionspos-ten zwischen den „großen“ Parteien rotieren sollte. In den 80er Jahren gehörten diesem erlesenen Club neben der CSV die LSAP und die DP an. Inzwischen sind allerdings auch die Grünen fest im „europäischen Geschäft“ tätig. Bringt man diese Anwärterliste mit dem oben aufgeführten Wahlresultat in Verbindung, so wäre eigentlich einer der beiden Wahlgewinner – sprich Charel Goerens von der DP oder Claude Turmes von den Grünen an der Reihe. Nicht dass wir uns unbedingt eine solche Konstellation wünschten – gute, kritische Abgeordnete sind manchmal wichtiger als kopfnickende Kommissare -, doch erscheint uns die Selbstverständlichkeit, mit der die CSV mehr oder weniger unbeliebte PolitikerInnen nach Brüssel abordnet, doch recht suspekt.

Auf der europäischen Ebene können die Konservativen zwar darauf verweisen, dass es ihnen gelungen ist, ihre Fraktion zu erweitern. Doch sind auch andere politische Gruppierungen gestärkt aus diesen Wahlen hervorgegangen. Insofern ist auch eine Fortsetzung einer Kommission unter der Präsidentschaft José Manuel Barrosos nicht unbedingt durch den Urnengang vom 7. Juni legitimiert. Leider hatten im Vorfeld weite Teile der europäischen Liberalen und auch Sozialdemokraten ihre Bereitschaft erklärt, Barroso ein weiteres Mal zu unterstützen. Inzwischen ist aber auch in diesen Reihen die Meinung zu hören, dass er eigentlich ein wenig überzeugender Kommissionspräsident war. Anfangs hatte er sich der neo-liberalen Deregulierungsideologie verschrieben, um dann im letzten Jahr – nach dem Ausbruch der Finanzkrise – zum erklärten Ordnungspolitiker zu mutieren. Der eigentliche Vorwurf betrifft allerdings seine Hörigkeit gegenüber den großen EU-Mitgliedsstaaten. Der Opportunismusvorwurf ist nicht neu, doch bekommt er gerade in Krisenzeiten neues Gewicht.

Zwar ist die Nominierung des EU-Kommissionspräsidenten Sache der EU-Mitgliedsregierungen, doch hat das Parlament immerhin die Möglichkeit der Blockade. Da aber in einigen Ländern Liberale und/oder Sozialdemokraten mit am Regierungstisch sitzen, entbehrt das Vorhaben des deutsch-französischen Grünen nicht einer gewissen Spannung.


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