THEATER: Vom Sinn des Schauspielens

Music-Hall, heißt die neue Koproduktion von Independent Little Lies und Théâtre du Centaure. Ein Stück über Schauspieler des französischen Autors Jean-Luc Lagarce.

Spartanisches Dekor, dafür aber exzellente Schauspieler.

Mit Music-Hall von Jean-Luc Lagarce gibt Jill Christophe ihr Debüt als Regisseurin. Der Autor Lagarce fasziniert die junge Theaterfrau so sehr, dass sie sich schon während ihrer Studienzeit intensiv mit dem französischen Dramatiker beschäftigte.

In Luxemburg bisher noch eher unbekannt, ist Jean-Luc Lagarce in Frankreich dagegen der meistgespielte zeitgenössische Schriftsteller. Er wurde 1957 in Héricourt geboren und starb 1995 im Alter von 38 Jahren an Aids. Bringen wir es gleich auf den Punkt: Music-Hall ist ein großes textlastiges Monster, das es auf der Bühne zu bändigen gilt. Eine Bühne ohne schillernde Dekoration, lediglich ein Hocker und natürlich die Schauspieler, um die es in der Hauptsache im gesamten Stück geht.

Es sind Schauspieler auf einer Bühne, die nicht verzeiht, kein Mitleid zeigt und sie ganz allein mit ihren Geschichten lässt. „La fille“ (Annette Schlechter) und les „deux boys“ (Pitt Simon und Konstantin Rommelfangen) erzählen von ihrem Leben als Schauspieler, von ihren Sehnsüchten, ihren Ängsten, vom ignoranten Publikum und den Tücken im Theatergeschäft.

Die drei Protagonisten gehen genau an dem zu Grunde, was sie gleichzeitig am Leben hält. Leben … was ist das genau und wo beginnt das Spiel? Alle diese Geschichten über Liebe, die Kunst und Verstellung zeigen vor allem eins: Die atemberaubende Sensibilität von drei Schauspielern.

Wie verwischt die Grenze zwischen Realität und Spiel ist zeigt die Regisseurin Jill Christophe auf eine sehr schöne melancholische und zugleich kabarettistische Art. Das liegt nicht zuletzt an den sehr überzeugenden Schauspielern. Annette Schlechter als „la fille“ erzählt und spielt oder tut gelegentlich nur so. Sie ist stolz, aber es ist ein nostalgischer Stolz, denn sie verkörpert eine etwas gekränkte Diva die einen stets daran glauben lässt, dass früher irgendwie alles besser gewesen sein muss.

Doch war je irgendwas besser? Oder ist hier jemand nur vom tollen Leben in der Unterhaltungsbranche enttäuscht worden und will sich selbst nicht die glitzernde Illusion nehmen? „Le premier boy“ und „le deuxième boy“, singen, tanzen und spielen sich von Abend zu Abend, sind trotzdem nicht zufrieden mit ihrem künstlerischen Schaffen und kommen nicht von „la fille“ los. Trotz allem treibt es sie immer wieder zurück auf die Bühne. Was treibt sie an? Eine Frage, die auch den Zuschauer den ganzen Abend begleitet.

„Comme tous les soirs, les deux boys, épuisés, fatigués, rêvant de s`enfuir, s`enfuyant, les deux boys feront mine, habiles à faire des mines, les deux boys l`accompagneront, tricheront avec elle, feront semblant.“ 
(Jean-Luc Lagarce)

Mit der letzten Szene der Vorstellung erreicht das Stück seinen stärksten Moment. Es ist eine schöne Verzweiflung die von den Schauspielern ausgeht. Die Haltung, die Augen und das Gesprochene verschmelzen ineinander und es versteht sich plötzlich ganz von selbst, dass Schauspieler im Wesentlichen einfach nur spielen wollen. Music-Hall ist der letzte Teil des Lagarce Projekts, das im Frühjahr in der Kulturfabrik Esch mit Lesungen rund um seine Persönlichkeit begonnen hat.

Aufführungen am 25. und 26. September sowie am 1., 2., 3. und 4. Oktober im Théâtre du Centaure.
Weitere Informationen siehe Wat ass lass
www.ill.lu
www.theatrecentaure.lu


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