KRALOWETZ-AFFÄRE: „Sie kommen wieder „

Mit einer großzügigen Geste hat Luxemburg die menschlichen Aspekte der Kralowetz-Affäre abgehakt und wendet sich nun den juristischen zu. Doch das Reservoir billiger Arbeitskräfte in Osteuropa wird weiterhin Profiteure anlocken.

… und immer wieder geht die Sonne auf!

Angesichts der herumstehenden Kralowetz-Laster sorgten sich die Organisatoren mehrerer Tanzveranstaltungen auf dem P&R Howald um die Durchführbarkeit ihrer „Fuesbaler“, weiß das Luxemburger Wort zu berichten. Transportminister Henri Grethen sorgt sich darum, wie er die Attacken der Opposition abwehren kann. 171 osteuropäische Lastwagenfahrer haben das Rampenlicht der Öffentlichkeit verlassen und sind in ihre Länder zurückgeflogen worden.

Sie sind jetzt arbeitslos. Hätte man sie regularisieren, ihnen eine Arbeitserlaubnis geben sollen? „Bei der Beratung vor einer Woche mit den zuständigen Ministerien, den ONG und den Gewerkschaften waren sich alle einig, das nicht zu tun“, versichert Paul Schmit, Regierungskommissar im Transportministerium gegenüber der woxx. Caritas und Croix-Rouge, die bei der Beratung anwesenden Organisationen, sahen ihre Rolle darin, die humanitäre Not zu lindern und nicht, eine Regularisierung einzufordern. Die Organisationen aber, die sie hätten fordern können, waren nicht anwesend.

Was die Gewerkschaften betrifft, so soll unseren Informationen nach der OGB-L diese Option ins Auge gefasst haben. Doch OGB-L-Präsident John Castegnaro, der das Dossier zur Chefsache gemacht hat, will davon nichts wissen: „Das hätte einen fürchterlichen Präzedenzfall geschaffen. Fahrer aus ganz Europa wären gekommen.“ Ob Luxemburg den Kralowetz-Fahrern nicht eine Geste schuldig sei? Der OGB-L-Präsident, der gewöhnlich nicht zögert, den Mund vollzunehmen, gibt sich in diesem Punkt zurückhaltend: „Davon kann man nur träumen. Ich muss pragmatisch handeln. Die Regierung hätte das nie akzeptiert.“

Doch er habe Anrufe bekommen von Transportunternehmern, die Kralowetz-Fahrer einstellen wollten. Er habe nur absagen können – sie mussten zurück. Hätten sie wirklich hier Arbeit gefunden? „Jetzt, wo sie weg sind, behaupten das alle. Bei uns haben sich Arbeitgebervertreter zu keinem Zeitpunkt gemeldet“, erregt sich Paul Schmit. Die Rückführung sei unumgänglich gewesen.

Die Stimme der Vernunft

„Unter den gegebenen Umständen war dieses Ergebnis das Beste“, bestätigt Marc Crochet vom Roten Kreuz, der die Leute betreut hat. Die 1.000 Euro von der Regierung, die jeder in die Hand gedrückt bekommen habe, seien kein Schuldeingeständnis gewesen sondern eine ehrlich gemeinte Hilfe. Nachteile für die Betroffenen wie „Illegalitäts“- Vermerke im Reisepass seien vermieden worden. „Alle sind freiwillig heimgekehrt und waren dankbar für die Hilfe“, so Marc Crochet.

Zum Vorwurf, die Fahrer hätten Material aus den Lastern entwendet – die „Voix“ berichtete am Dienstag von einer Strafanzeige – bestätigte Marc Crochet, dass unter anderem GPS-Geräte ausgebaut worden seien. Die Fahrer hätten sich für die Geräte verantwortlich gefühlt. Sie hätten sie aber zusammen mit den Fahrzeugschlüsseln und -papieren abgegeben, zum Teil beim Roten Kreuz, weil sich niemand sonst zuständig fühlte, danach beim Zoll.

Unklar ist, wie viele Fahrer noch wie viel Geld von der Firma zu bekommen haben. Der OGB-L hat eine Sammelklage von 86 Fahrern eingereicht. Doch Marc Crochet ist pessimistisch: „Ich glaube, die Chancen stehen schlecht. Die Firma besitzt nichts.“ John Castegnaro verweist auf die Aussagen von Henri Grethen, es sei genug Geld da. Sollte dies stimmen, so sollten nach der Bankrotterklärung die Fahrer zu ihrem Recht kommen. Das Problem, dass Scheinselbständige keinen Anspruch auf Auszahlung haben, stellt sich laut Paul Schmit nicht – die Kralowetz-Fahrer gelten alle als lohnabhängig.

„Wir hoffen, dass die Probleme im Straßentransport nun nicht wieder unter den Teppich gekehrt werden“, betont John Castegnaro. Paul Schmit versichert, die seit langem vorbereiteten gesetzgeberischen Initiativen würden jetzt beschleunigt. Unklar ist, wie viele Firmen mit ähnlichen Geschäftsmethoden es derzeit in Luxemburg gibt. Der Regierungskommissar möchte sich nicht äußern: „Wir reden jetzt nicht, wir handeln.“

Dr. Kralo & Mr. Wetz

Ist Karl Kralowetz ein Blutsauger oder nur ein gewiefter Geschäftsmann, der die Bedürfnisse der EU-Transportwirtschaft mit jenen osteuropäischern Fahrern zusammenbrachte? „Für uns ist Herr Kralowetz alles andere als ein Wohltäter“, meint Marc Crochet, „doch aus der Sicht der Betroffenen fällt das Urteil nüancierter aus.“ Er berichtet von einem Fahrer, der sagte: „Wie stehe ich denn nun gegenüber jenem Mann? Immerhin hat er es mir ermöglicht, mein Kind über zwei Jahre auf die Schule zu schicken …“ In gewissem Sinne steckten die Fahrer mit ihrem Chef unter einer Decke, sie mussten ja erzählen, sie hätten einen regulären Arbeitsvertrag.

Marc Crochet schätzt, dass die meisten Fahrer es wieder tun würden: selbst auf den Kilometer bezahlt, verdienten sie viel mehr als in ihren Ländern. Und fügt hinzu: „In der Situation würde auch jeder von uns so überlegen.“ „Viele sind wohl schon dabei, einen neuen Arbeitgeber zu suchen, um das Gleiche weiterzumachen“, bestätigt auch John Castegnaro, „immerhin bringen sie ja Erfahrung mit …“ Der OGB-L-Präsident ist nicht grundsätzlich gegen Arbeitskräfte aus dem Osten. Seine Gewerkschaft fordere einen gewissen Prozentsatz von Nicht-EU-Fahrern pro Firma. Die sollen dann aber alle Rechte eines regulären Arbeitsverhältnisses und Aufenthaltes genießen. Auch bei der EU-Osterweiterung spricht er sich für einen vollständig freien Personenverkehr aus: „Eine halbe Lösung fördert nur Illegalitäten.“


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