SELBSTHILFEGRUPPEN: Zum autonomen Leben

Bisher gibt es in Luxemburg keine Plattform für Menschen mit psychischen Problemen, die die Selbsthilfe von Betroffenen fördert und gleichzeitig politisch aktiv wird.

„Das größte Problem für Menschen mit Angststörungen ist, dass es kein psycho-somatisches Krankenhaus in Luxemburg gibt, so dass viele zur Behandlung nach Deutschland müssen“, erklärt Paul Thillmann, Präsident der 1997 gegründeten „Lëtzebuergesch Angscht Stéierungen Hëllef“ (L.A.S.H.). Und kommen die Patienten dann zurück, finden sie auch keine adäquaten Anlaufstellen vor. „Nach der Therapie fängt die eigentliche Therapie jedoch erst an“, stellt Thillmann fest. Die Selbsthilfegruppe L.A.S.H., bestehend aus Psychiatrieerfahrenen und Freiwilligen, bietet hier etwas, das Institutionen nicht leisten können: Sie holt Betroffene aus ihrer durch die Krankheit bedingten Isolation heraus, schafft einen informellen Rahmen, in dem Betroffene mit Ehemaligen Tricks und Tipps austauschen können, stellt Begleitungen im alltäglichen Leben zur Verfügung – etwa bei einer Bus- oder Zugfahrt, die sonst unmöglich wäre – und bezieht bei allem das Umfeld der Betroffenen, also vor allem die Familie, mit ein. „Unsere Mitglieder haben Telefonnummern und können einen Ansprechpartner rund um die Uhr kontaktieren“, erklärt Thillmann. Das sei wichtig, denn Angstpatienten könnten am Wochenende, wenn das Leiden besonders akut ist, im professionellen Milieu niemanden erreichen. „Es fehlt an einer internen Kommunikation zwischen Gesundheitsministerium, Betreuungsstrukturen und Selbsthilfeorganisationen für die weitere Vermittlung der Betroffenen“, stellt Thillmann kritisch fest.

Um die Schaffung einer Plattform von Psychiatrieerfahrenen, wie es sie im Ausland längst gibt, ging es denn auch diese Woche bei einer vom Centre de Recherche Public organisierten Tagung unter dem Titel „Vers la création d’une organisation luxembourgeoise des patients de la psychiatrie“. Neben psychisch Kranken waren auch Organisationen aus der Grenzregion, wie „Espoir 54“ mit Sitz in Nancy, „Psytoyens asbl“ aus Namur sowie der Landesverband Psychiatrie-Erfahrener aus Saarbrücken beteiligt, die über den internen Erfahrungsaustausch mit psychisch Erkrankten und ihren Familien sowie über soziale und berufliche Integrationsprojekte und die Lobbyarbeit in der Öffentlichkeit diskutierten.

Gerade ein Zusammenschluss von Betroffenen ist ein wichtiges, in der Psychiatriereform in Luxemburg aber nach wie vor fehlendes, Element. „In der regelmäßig stattfindenden Plattform zur Psychiatriereform sind Beamte des Gesundheitsministeriums und Ärzte zugegen – jedoch keine Patienten und Familienangehörigen, die ihre Beschwerden und Vorschläge einbringen könnten“, so Roland Kolber, Psychiater und Gründungsmitglied der Patientevertriedung, der am Rundtischgespräch der Tagung teilnahm. Zwar habe sich 1995 mit Hilfe der Mitarbeiter der Therapeutischen Ateliers von Walferdange der Verein „Psychiatrie-Selbsthëllef“ gegründet, sowie fast zeitgleich die „Association luxembourgeoise des familles et amis de malades mentaux“, doch seien beide Initiativen im Laufe der Jahre eingeschlafen. Auch die 2004 gegründete „Lëtzebuerger Gesellschaft fir eng sozial Psychiatrie“ sei nicht mehr aktiv. „2006 hat die Patientevertriedung dem Gesundheitsministerium ein Projekt vorgelegt. Wir bekamen aber nicht die notwendige Unterstützung“, so Kolber. Damals hatte sich die Patientevertriedung bereit erklärt, ihre Büroräume Psychiatrieerfahrenen für die Gründung einer eigenen Asbl zur Verfügung zu stellen. „Die Patientevertriedung sollte dabei nicht involviert sein, sondern allenfalls als Mediator fungieren“, erklärt Kolber, der nach vier Jahren nun sein Angebot erneuert.

Ob sich Betroffene mit oder ohne Patientevertriedung organisieren werden, hängt somit auch vom Willen des Gesundheitsministeriums ab, sowie nicht zuletzt von den Betroffenen selbst und ihrer Bereitschaft, solidarisch für eine bessere Psychiatrie einzutreten. Auch Selbsthilfegruppen entstehen nicht durch Verordnung von oben. Das Centre de Recherche Public will jedoch im Laufe des Jahres eine weitere Tagung einberufen, um die Entstehung einer solchen Plattform von Betroffenen unterstützend zu begleiten.


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