Der Mouvement Ecologique und die Syndicats d’initiative sind entrüstet über den Inhalt des Kommodo-Dossiers zum Flughafen. Der Ausbau des Frachtverkehrs solle forciert werden. Henri Grethen verneint dies.
Ein Alibi-Verfahren sollte es werden, das Kommodo-Verfahren um den Ausbau des Findel, so die Befürchtung von Mouvement Ecologique und Syndicats d’initiative der betroffenen Gemeinden. Nachdem ein Teil der Dokumente öffentlich wurden, scheint diese Sorge vom Tisch zu sein. So recht darüber freuen können sich die KritikerInnen allerdings nicht.
„Werden Gemeinden und BürgerInnen weiterhin irregeführt?“, überschrieben Mouvement und Syndikate aus Hamm, Cents und Sandweiler ihr Kommuniqué. Statt dass im Vorfeld die Zukunft des Flughafens öffentlich diskutiert worden sei, habe die Regierung die neue ADP-Studie (Aéroports de Paris) über das zukünftige Flugverkehrsaufkommen in Luxemburg fast ein Jahr lang geheim gehalten.
Geheim, geheim
„Wir haben mehrmals Zahlenmaterial angefragt und bekamen keine zufriedenstellenden Antworten“, berichtet Lilly Eischen vom Mouvement Ecologique gegenüber der woxx. Auf eine Question parlementaire von Ben Fayot hatte Transportminister Henri Grethen Anfang des Jahres geantwortet, die Informationen kämen erst langsam zusammen. Es sei an den Gemeindevertretern in der Commission aéroportuaire, die Bevölkerung auf dem Laufenden zu halten. Allerdings bekamen die GemeindevertreterInnen den „Volume 1“ des Dossiers erst am 26. April ausgehändigt. Dass der nun online unter www.emweltzenter.lu einzusehen ist, scheint Missfallen zu erregen – nach unseren Informationen forscht das Ministerium eifrig nach der undichten Stelle.
„Uns wurde nicht gesagt, dies sei Top secret“, so die Schüttringer Schöffin Liane Kadusch-Roth. „Was soll die Geheimniskrämerei, das vergrößert nur das Misstrauen in der Bevölkerung“, findet die LSAP-Politikerin. „Die Regierung fürchtet wohl den Widerstand und will ihre Ausbaupläne so schnell wie möglich durchboxen.“
In der Tat gibt der Inhalt des „Volume 1“ Anlass zur Sorge. Die Zahl der Flugbewegungen soll von 55.000 im Jahr 2000 auf 76.000 im Jahr 2012 anwachsen. Das ist ein gutes Stück mehr als die 63.000 Bewegungen bis 2010, die Umwelt-Staatssekretär Eugène Berger Ende 1999 genehmigt hatte. Diese Genehmigung, nach einem auf den Passagierverkehr beschränkten Kommodo-Verfahren erteilt, war vom Verwaltungsgericht vor einem Jahr gekippt worden. Daraufhin hatte die Regierung das lange geforderte Gesamt-Kommodo für alle Flughafen-Aktivitäten eingeleitet.
Schon 1999 war von den KritikerInnen hervorgehoben worden, nicht allein die Zahl der Flugbewegungen sei wichtig, sondern auch der Anteil des Frachtverkehrs. Im „Volume 1“ des Gesamt-Kommodos wird auf Basis der – noch nicht veröffentlichten – ADP-Studie die Frachtgutmenge mit 1.400.000 Tonnen im Jahr 2012 angegeben. „Das heißt, de facto wird ein Ausbau des Warenverkehrs um fast den Faktor drei gegenüber heute geplant!“, schreiben Mouvement und Syndikate. „So würden die Flugbewegungen über jene magische Zahl von 76.000/Jahr anwachsen …“
„Wir sind nicht gegen den Flughafen, nicht einmal gegen einen normalen Ausbau im Passagierbereich“, sagt Lilly Eischen. „Aber ein exzessives Wachstum beim Cargo überfordert die Infrastrukturen, die Umwelt und die Menschen.“ Die Probleme rühren daher, dass Frachtflugzeuge in der Regel große Maschinen sind und entsprechend viel Lärm verursachen. Hinzu kommt, dass die Abflugzeiten aufgrund der Just-in-time-Logistik oft in die Nacht verlegt werden. Schließlich hat die massive Steigerung der Frachtflüge im vergangenen Jahrzehnt ein entsprechendes Anwachsen des Lastverkehrs mit sich gebracht. „Wir befürchten, dass diese Belastungen weiter steigen werden“, so Lilly Eischen.
Angesichts der großen Anzahl betroffener BürgerInnen ist auch Henri Grethens Parteikollege, der Bürgermeister von Luxemburg-Stadt, Paul Helminger, kein Freund des Frachtflugs. In der Debatte 1999 prägte er den Begriff des „City-Flughafens“: Ja zum Passagierverkehr, der zur Funktion einer kleinen Hauptstadt gehört, aber kein Ausbau des Frachtverkehrs. Die vier betroffenen Gemeindeführungen werden sich am kommenden Mittwoch zu einer Beratung über ihre Position gegenüber dem bald zu erwartenden Kommodo-Verfahren treffen.
City oder Cargo?
„Meine erste Priorität ist nicht der Ausbau des Frachtverkehrs“, betont Henri Grethen gegenüber der woxx. So habe zum Beispiel Cargolux-Direktor Heiner Wilkens, der zusätzliche Jumbo-Jets anschaffen wollte, aus dem Amt scheiden müssen. Den Forderungen von China Airlines, die Nachtflugregelung zu lockern, habe er nicht nachgegeben, obwohl sie dadurch teilweise nach Hahn abgewandert seien, so der Minister. Schließlich gebe es Verhandlungen mit Frankreich über eine Auslagerung von Nachtflügen nach Watry.
Viele Nachtflüge seien auf Verspätungen zurückzuführen, erklärt der Minister. Er räumt ein, dass ihre Anzahl steigt. Denoch komme eine weitere Einschränkung der Flugzeiten nicht in Frage. Was den Lastwagenverkehr betrifft, so weist er auf die Möglichkeiten hin, die sich mit dem neuen Eisenbahnanschluss eröffnen.
Verärgert ist Henri Grethen über die Art und Weise, wie die Ausbaupläne vom Mouvement dargestellt werden: „Diesen Leuten sind alle Mittel recht, mich in ein schlechtes Licht zu rücken.“ Der Schätzung von 1.400.000 Tonnen Frachtaufkommen stehe eine andere Schätzung seitens der „Direction de l’aviation civile“ gegenüber, die auf eine Menge von knapp über einer Million komme. „Was zählt, ist die Schätzung der Direction de l’aviation civile“, so der Minister. Diese Zahl geht allerdings aus den uns vorliegenden Dokumenten nicht hervor. Die Zahl von 1.400.000 Tonnen dagegen passt so wenig zu den Schätzungen der Flugbewegungen wie zu den „gemäßigt“ gehaltenen Wachstumsszenarien. Ein Rechenfehler? Oder eine bewusste Täuschung, wie der Mouvement meint, ein Hintertürchen für den massiven Ausbau des Frachtverkehrs? Da heißt es warten, bis der Schleier des Geheimnisses über dem „Volume 2“ gelüftet wird.