TRIPARTITE: Kein Lotse mehr an Bord

Jean-Claude Juncker hat das Vertrauen der Gewerkschaften längst eingebüßt. Ist jetzt der Koalitionspartner LSAP als nächstes dran?

Es gab Zeiten in denen Jean-Claude Juncker sich einen Spaß daraus machte, internationale Kritiken am Luxemburger Index-Modell – wie sie etwa gebetsmühlenartig jedes Jahr von der OECD vorgetragen wurden – mit dem Hinweis auf den Erfolg dieses Modells unter den Tisch zu reden. Spätestens seitdem er Vorsitzender der Euro-Gruppe wurde, hat sich seine Position in diesem Punkt gewandelt.

Als 2006 zum ersten Mal seit Jahrzehnten am Index-Mechanismus gedreht wurde, war es ihm noch gelungen, die Gewerkschaften einzuschwören in ein Verfahren, das an ihr Allerheiligstes rührte. Der Köder hieß damals „Einheitsstatut“ und er war gepaart mit dem Versprechen, die Aussetzung des Index wieder vorzeitig aufzuheben, wenn es die wirtschaftlichen Eckdaten erlauben würden. Das Einheitsstatut wurde – wenn auch nicht in allen Punkten konform zu den Gewerkschaftsvorstellungen – eingeführt. Doch als in der Folge die wirtschaftlichen Eckdaten sehr viel besser ausfielen als prophezeit, weigerte sich Juncker nachträglich an den Beschlüssen von 2006 zu rütteln. Von den Gewerkschaften wurde dieses damals als Vertrauensbruch gewertet.

Als dann Anfang dieses Jahres erneut die Tripartite einberufen wurde, um in der Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise, die im Herbst 2008 ihren Anfang genommen hatte, über die Kompetitivität der Luxemburger Wirtschaft, die steigenden Arbeitslosenzahlen und das Defizit im Staatshaushalt zu beraten, war von Anfang an eine gewisse Unlust bei allen Akteuren – inklusive dem Verhandlungsführer – zu verspüren, die Köpfe zusammen zu stecken.

Die Begeisterung nahm auch dann nicht zu, als der Premier alle politischen Register zog und versuchte mit Einzelgesprächen, Gruppenkonklaven, einer Audienz beim Großherzog oder Treffen mit Tripartite-Veteranen aus Stahlkrisenzeiten, die Dramatik und damit den Zwang zum Verhandeln zu steigern.

Als dann auch noch deutlich wurde, dass das vom Finanzminister vorgelegte Sparpaket in der Form nicht mit dem Koalitionspartner abgesprochen und somit keiner politischen Vorkontrolle unterzogen worden war, fragten sich vor allem die Gewerkschaften, welches Spielchen denn nun mit ihnen getrieben wurde. Ihr Wunsch, doch endlich über entsprechende Papiere mit verbrieftem Zahlenmaterial für jede der von Luc Frieden angedachten Maßnahmen zu verfügen, wurde nicht erfüllt. Genauso wie ihre – schriftlich formulierte – Bitte das Index-Modell aus den laufenden Verhandlungen herauszuhalten.

Dass in der letzten anberaumten Verhandlungsrunde der Premier dann tatsächlich das Scheitern der Gespräche herbeiführte, weil er zwei für die Gewerkschaften bekanntermaßen unannehmbare Index-Varianten zur Wahl stellte, erhärtet den Verdacht so mancher Beobachter, dass es eigentlich nie eine Absicht gab, die Gespräche zum Erfolg zu führen.

Wenn zwei Tage später der CSV-Vorsitzende Michel Wolter der Presse verkündet, seine Partei würde nunmehr einen „sozialen Index“ vorschlagen, der der von Juncker als zweitbeste Option in Vorschlag gebrachten Index-Deckelung auf zweimal den Mindestlohn entspricht, so darf man ruhig von einem abgekarteten Spiel reden. Denn jetzt sehen sich nicht nur die Gewerkschaften sondern ebenfalls der Koalitionspartner mit der Tatsache konfrontiert, dass die CSV längst für sich entschieden hat. Und wie Wolter betonte: Sie tat dies mit der expliziten Zustimmung des Tripartite-Verhandlungsführers Juncker.

Die LSAP hat für den heutigen Freitag einen Sonderparteitag einberufen, um über ein Maßnahmenpaket abzustimmen, das die Index-Frage – so betonten zwei Tage zuvor der sozialistische Parteichef und der Fraktionsführer – nicht beinhalten sollte. Doch was tatsächlich zur Abstimmung kommt, das entscheidet einmal mehr der mächtige Koalitionspartner. Und das nur wenige Tage vor der Erklärung des Premiers zur Lage der Nation, die wohl zur Erklärung der Lage der Koalition ausarten dürfte.


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