SPORT: Ein Fußballzwerg geht neue Wege

Bereits im kommenden Jahr will Luxemburg eine Mannschaft von Profifußballern auf die Beine stellen, die dann in der belgischen Liga spielen soll. Zu viele ausländische Kicker in der Nationaldivision sind dagegen weniger gern gesehen.

Alan Simonsen lässt sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen. Auch nachdem seine Spieler einmal mehr nicht das gegnerische Tor getroffen haben, bleibt der Trainer der luxemburgischen Fußballnationalmannschaft gelassen. Zwar zog sich Simonsens Team im Qualifikationsspiel zur Europameisterschaft Mitte Juni im heimischen Stadion Josy Barthel mit einer 0:2-Niederlage gegen Dänemark achtbar aus der Affäre, eine spielerische Linie wurde jedoch erneut vermisst. Und den Spielern um Gladbach-Profi Jeff Strasser schien zum wiederholten Mal in der zweiten Halbzeit die Puste auszugehen.

Die fünfte Niederlage im fünften Gruppenspiel, und dabei kein einziges Tor erzielt – da werden Erinnerungen an die 80er Jahre wach: Von 1980 bis 1985 kassierte die Luxemburger Auswahl 35 Niederlagen hintereinander und fand damit Eingang in das „Lexikon der Fußballnieten“. Zugegeben, es gab auch Highlights in der Fußballhistorie des Großherzogtums. Unter der lebenden Trainerlegende Paul Philipp verloren die „Löwen“ 1990 nur knapp gegen Deutschland, fünf Jahre später wurde sogar der spätere Vize-Europameister Tschechien mit 1:0 besiegt. Blickt man weiter zurück in die Annalen des Fußballzwergs, dann steht da ein 5:3 gegen England aus dem Jahr 1952 verzeichnet.

Als einen ersten Schritt, dem Zwergendasein ein Ende zu bereiten (Luxemburg ist zurzeit auf Position 153 der Fifa-Weltrangliste), verpflichtete die Fédération Luxembourgeoise du Football (FLF) im vergangenen Jahr Alan Simonsen als Nationalcoach. Der Däne hatte zuvor immerhin acht Jahre lang den Kickern von den Färöer Inseln mit beachtlichem Erfolg den Weg in Richtung Tor gezeigt. Spätestens auf den nordatlantischen Schafinseln dürfte der ehemalige Fußballer Europas sein Faible für Underdogs entdeckt haben. Dabei zehre er viel von seinen Erfahrungen als junger Spieler bei Borussia Mönchengladbach unter Hennes Weisweiler, erklärte Simonsen gegenüber der woxx. Der Fußballlehrer Weisweiler hatte in den 70er Jahren aus einer Gruppe von Grünschnäbeln eine Erfolgsmannschaft geformt. Ob Simonsen nun auch in Luxemburg auf den Spuren seines Trainervorbilds wandelt? Jung sind seine Spieler zumindest: Kaum einer ist älter als 24 Jahre – und mit der Fußballschule in Monnerich soll dem Nationaltrainer ein Reservoir von Nachwuchskräften zur Verfügung stehen.

„Amateurhafter Geist“

Einen Riesensatz hin zu mehr sportlichen Erfolgen verspricht sich der luxemburgische Fußballverband auch von jener geplanten luxemburgischen Profitruppe, die in den kommenden Monaten aus der Taufe gehoben werden und ab der Spielzeit 2004/05 in der zweiten belgischen Division mitspielen soll. Ein Komitee aus sieben Personen um den Alt-Internationalen Camille Dimmer hat dazu ein Projekt ausgearbeitet. Sitz des Vereins, der als Aktiengesellschaft geplant ist, soll Luxemburg-Stadt sein. Ob er aus einer Fusion der hauptstädtischen Clubs entsteht oder sich andere luxemburgische Gemeinden an dem Projekt beteiligen, ist noch nicht sicher. Erste Gespräche seien geführt worden, ist aus der FLF-Chefetage zu hören. Bis September wird mit ersten Entscheidungen gerechnet.

„Wir müssen weg vom amateurhaften Geist“, forderte FLF-Präsident Henri Roemer erst kürzlich. Ziel sei es, mit einer Professionalisierung ein weiteres Abrutschen des luxemburgischen Fußballs zu verhindern. Vor kurzem präsentierte das Komitee eine Broschüre, in der das Projekt vorgestellt wird. Dem voran geht ein Zustandsbericht des luxemburgischen Fußballs. „Wir brauchen mehr einheimische Vollprofis“, lautete die Forderung einhellig, so Komitee-Mitglied Marc Diederich im Gespräch mit der woxx. Die besten Resultate habe das Luxemburger Team schließlich immer dann erzielt, wenn sich genügend Profis im Aufgebot befanden. Doch gerade deren Zahl sei in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Spielten 1998 noch acht luxemburgische Berufskicker in ausländischen Ligen, sind es heute nur noch Jeff Strasser und Stéphane Gillet.

Doch warum nicht gleich die Profis im Land behalten oder sogar neue aus dem Ausland anlocken? Nur so könne man den schwindenden Zuschauerzahlen entgegenwirken, heißt es. Bisher hat die Union Royale Belge de Football nichts gegen eine Teilnahme einer luxemburgischen Mannschaft am Spielbetrieb eingewandt. Selbst ein Aufstieg in die erste belgische Liga wäre möglich. Etliche Fragen müssten noch geklärt werden, erklärt Diederich, so zum Beispiel die der Finanzierung: Neben Sponsoren werden unter anderem der luxemburgische Staat und die beteiligten Gemeinden anvisiert – das Budget wird voraussichtlich zwischen 500.000 und einer Million Euro veranschlagt. Nicht zuletzt soll das Stade Josy Barthel mehr überdachte Plätze bekommen.

Als einen weiteren Grund für die Misere des hiesigen Fußballs gibt das Komitee den hohen Anteil ausländischer Spieler bei den Clubs der Nationaldivision (im September 2002 waren es 56,8 Prozent) an – darunter mehrheitlich Grenzgänger. Sie habe zu einer Schrumpfung des Reservoirs luxemburgischer Spieler geführt. Was die Herrenriege am Planungstisch dabei nicht berücksichtigt hat: Mit der Gründung eines Profiklubs könnte den Luxemburger Vereinen das Spielerreservoir erst recht abgegraben werden. Bei einigen Clubs wird jedenfalls nach Informationen der woxx schon heiß über das FLF-Vorhaben diskutiert. Nicht wenige befürchten jetzt erst recht ein Aderlass an talentierten Spielern. Vor allem scheint es widersprüchlich, wenn einerseits die Zahl ausländischer Spieler in einem Team begrenzt werden soll und andererseits ein Proficlub sowie die Luxemburger U19-Nationalmannschaft im Ausland spielen (Letztere wird ab kommender Saison am Spielbetrieb der deutschen A-Junioren-Regionalliga teilnehmen). „Wir bekamen in der vergangenen Saison zehn Punkte abgezogen, weil wir einen Ausländer zu viel aufgeboten hatten, und nun soll eine ganze Mannschaft im Ausland spielen“, äußert ein Verantwortlicher des F91 Dudelingen der woxx gegenüber sein Unverständnis über die Pläne.

Nicht gefallen dürften diese auch den Portugiesen in Luxemburg. Diese spielen bekanntlich hierzulande ihre eigene Meisterschaft aus. Aus dem Luxemburger Ligabetrieb bleiben sie nach wie vor ausgeschlossen. Die soziale Integration der portugiesischen ImmigrantInnen in Luxemburg über den Sport – und damit verbunden dessen qualitative Bereicherung – scheint den FLF-Oberen nach wie vor nicht wichtig genug.

Nach seiner Meinung über die Profimannschaft gefragt, reagiert der Nationaltrainer derweil eher zögerlich. Noch sei alles nicht richtig im Gange, so Simonsen. Sicher könne sein Team von einem Proficlub positive Impulse bekommen. Doch der Däne bleibt in der Einschätzung der Perspektiven des Luxemburger Fußballs auf dem Boden der Tatsachen. „Wir bauen das Haus von unten und nicht von oben auf“, meinte er nach dem letzten Länderspiel.

Stefan Kunzmann


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