PERSONENKONTROLLEN: Technik mit Tücken

Luxemburg begrüßt den Vorschlag der EU-Kommission, dass bei Personenkontrollen biometrische Merkmale Eingang finden. Doch die einzelnen Verfahren sind alles andere als fehlerfrei.

„Ein wichtiger Schritt hin zu einem europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und der Justiz.“ Mit diesen Worten hat Luxemburgs Justizminister Luc Frieden in der vergangenen Woche einen Vorschlag der EU-Kommission zu biometrischen Merkmalen in den Visa von Nicht-EU-BürgerInnen begrüßt. Deren Aufenthaltstitel sollen künftig mit Fingerabdrücken und mit einer so genannten Gesichtsbildspeicherung versehen werden.

Bereits im vergangenen Jahr hatte die Europäische Union die Fotopflicht auf Visa und Pässen eingeführt. Belgien, Luxemburg, Deutschland und den Niederlanden ging dies nicht weit genug. Biometrische Daten gehörten mit auf die Dokumente, so deren Einwand. Im Juni bekräftigte der Europäische Rat in Thessaloniki, dass „ein kohärenter Ansatz“ verfolgt werden müsse, der „in harmonisierte Lösungen für Dokumente für Staatsangehörige von Drittländern, Pässe für EU-Bürger und Informationssysteme mündet.“

Im Klartext: EU- und Nicht-EU-BürgerInnen sollen künftig nach ihren so genannten biometrischen Merkmalen registriert werden. Personenkontrollen nach solchen Kriterien würden nicht nur die Fälschung von Dokumenten erschweren, sondern zugleich auch die Arbeit der Polizei und der Zollfahnder erleichtern, teilte das luxemburgische Justizministerium mit. Damit „biometrischen Pässe“ europäischer Standard werden, müssen die einzelnen Staaten nur noch zustimmen. Luxemburg scheint dazu gewillt, geht aus einer Stellungnahme des Justizministers gegenüber den Medien vom Anfang der Woche hervor: Wenn nicht alle EU-Mitgliedsländer mitmachen wollten, wäre ein Alleingang der Benelux-Länder und Deutschlands denkbar, so Frieden.

Die Biometrie ist seit dem 11. September 2001 bei VerfechterInnen des internationalen Kampfes gegen den Terrorismus in Mode gekommen. Nach den Terroranschlägen setzten sie in ihrem Feldzug auf digitale Fingerprints sowie auf Iris- und Gesichtserkennung. Zu den eifrigsten Befürwortern der Technik zählen die USA, während in Deutschland bereits im Herbst 2001 mit den beiden Anti-Terror-Paketen die gesetzliche Grundlage für eine biometrische Identitätskontrolle geschaffen wurde.

Mittlerweile ist die Euphorie über die Kontrollmöglichkeiten der Ernüchterung gewichen. Die Technologie zeigte sich als noch nicht ausgereift, ihre Fehlerquote einfach zu hoch. Zudem erwiesen sich die Überwachungssysteme für größere Nutzerkreise bislang als nicht geeignet. „Mit der Biometrie fasst man keine Terroristen“, meint der Berliner Spezialist für Grenzkontrollsysteme, Benedikt Ahlers. „Die haben meist echte Papiere.“ Dennoch zählen die biometrischen Systeme zu einem lukrativen Geschäftsfeld. Fieberhaft werden die einzelnen Verfahren weiterentwickelt. Inzwischen gibt es einen internationalen Standard, vorgelegt von der Internationalen Zivilluftfahrt-Behörde, den die EU bei der Auswahl der am besten geeigneten Methode heranzieht.

Dabei stehen vor allem vier Verfahren zur Debatte: Iris-Erkennung, Gesichtserkennung, Handvermessung und Fingerabdrücke. Allen gemeinsam ist der Vergleich von Körpermerkmalen mit vorher abgespeicherten Mustern. Diese liegen entweder in verschlüsselter Form auf einer Chipkarte oder einer großen Datenbank vor. Während das Vermessen der ganzen Hand wegen seiner Unzuverlässigkeit schon früh ausschied, gilt die Iris-Erkennung unter Fachleuten als besonders zuverlässig: Sie stützt sich auf die Tatsache, dass die Regenbogenhaut jedes Individuums eine unverwechselbare Struktur besitzt.

Serienreif ist die in den USA entwickelte Iris-Erkennung erst seit 1999. Die Forschungszentren von BMW und Mercedes haben entsprechende Anlagen an ihren Türen installiert. Demnächst will sie das deutsche Innenministerium am Frankfurter Flughafen testen. „Ich halte die Iris-Erkennung für das beste biometrische Verfahren“, so Thilo Weichert, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Datenschutz. Die Methode hat einen gravierenden Haken: Sie ist die teuerste. Zu Buche schlagen vor allem die hohen Patentkosten.

Vieles spricht deshalb dafür, dass sich Gesichtserkennung und Fingerabdrücke durchsetzen werden: Bei Ersterer wird das Passfoto eingelesen, zeitgleich fertigt eine Videokamera ein Bild der zu kontrollierenden Person an. Beide Fotos können an Ort und Stelle miteinander verglichen werden. Der Computer macht im Prinzip das Gleiche wie ein Zollbeamter, nur dass er noch mehr Details unterscheiden kann. Dabei hilft es nicht, wenn man sich zum Beispiel im Urlaub einen Bart wachsen lässt. In den USA hat die Polizei – juristisch fragwürdig – die Gesichtserkennung beim Finale der Football-Meisterschaft getestet, indem sie alle ZuschauerInnen filmte und mit einer Verbrecherkartei verglich. Das Verfahren ist jedoch alles andere als zuverlässig: Eine im Frühjahr veröffentlichte US-Studie kam zu dem Ergebnis, dass die Gesichtserkennung selbst unter Idealbedingungen nur eine Identifikationsquote von etwa 90 Prozent aufweist, bei Außenaufnahmen sind es sogar nur 50 Prozent.

Da bleibt noch der gute alte Fingerabdruck: Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Menschen den gleichen haben, wird auf weniger als eins zu einer Milliarde geschätzt. Der digitale Fingerabdruck ist nicht zuletzt bei militärischen Einrichtungen und Forschungszentren der Rüstungsindustrie verbreitet, aber auch bei Banken kommt die Technologie zum Einsatz – trotz einer Fehlerrate von etwa zehn Prozent. Dass das System relativ einfach zu überlisten ist, bewies ein japanischer Wissenschaftler, der es mit Hilfe eines Kunstfingers täuschte. Die Schwächen des digitalen Fingerabdrucks bekam auch der deutsche Innenminister Otto Schily zu spüren, als er die Bundesdruckerei in Berlin besuchte. Der Versuch, den Politiker an seinem Fingerabdruck zu identifizieren, scheiterte drei Mal.

Bedenken äußern zudem die DatenschützerInnen: Gesichtsbilder und Fingerabdrücke könnten unabsichtlich hinterlassen werden und deshalb auch leichter willkürlich gesammelt werden. Besonders bei einer zentralen Speicherung besteht nach Ansicht der DatenschützerInnen die Gefahr einer Verletzung der Privatsphäre – und des Missbrauchs durch privilegierte Super-User. Die BürgerInnen würden zu „digitalen Untertanen“. So meint Tony Bunyan von Statewatch zum Vorschlag der EU-Kommission: „These proposals are yet another result of the ‚war on terrorism‘ which show that the EU is just as keen as the USA to introduce systems of mass surveillance which have much more to do with political and social control than fighting terrorism.“

Eine bundesweite Datei werde in Deutschland nicht eingerichtet, entwarnt Ira van Wahl, Pressesprecherin des Bundesbeauftragten für Datenschutz. In Luxemburg werden hingegen sämtliche Pässe zentralisiert. Doch die Gefahr eines Überwachungsstaates sieht Minister Frieden freilich nicht.


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