Die luxemburgischen LehrerInnen sind überwiegend zufrieden mit ihren Schulen.
Das hat zumindest eine Untersuchung des Unterrichtsministeriums ergeben.
Allerdings wurden Teile davon der Öffentlichkeit vorenthalten
Für den Lehrer Martensson ist jeder Tag eine Qual. Seine Schulklasse terrorisiert ihn und lauert nur auf Fehler und Schwächen des Pädagogen. In jeder Unterrichtsstunde sehnt er das Läuten der Pausenglocke herbei. Martensson ist nur eine Figur aus dem 1967 entstandenen Film „Raus bist du“ des schwedischen Regisseurs Jan Troell. Der Streifen zeigt das tragische Scheitern pädagogischer Bemühungen.
Der Berufsalltag der meisten luxemburgischen LehrerInnen hingegen scheint harmonischer zu sein. Bei ihnen herrscht allgemeine Zufriedenheit, das hat zumindest eine Studie des Unterrichtsministeriums ergeben, die am Dienstag vorgestellt wurde. An der Umfrage „Votre école et vous“ vom Mai und Juni vergangenen Jahres der Abteilung Script des Unterrichtsministeriums beteiligten sich knapp tausend LehrerInnen von 29 staatlichen und privaten Lycées und Lycéees techniques sowie 35 Direktionsmitglieder.
Das ist zwar nur etwa ein Viertel der insgesamt 3.812 LehrerInnen, die zu den Themenkreisen Berufsbild, Weiterbildung, neue Informationstechnologien sowie berufliche Zufriedenheit, befragt wurden. Anne Brasseur bewertete den Rücklauf der Antworten aber positiv: Die Repräsentativität sei gegeben, so die Unterrichtsministerin.
Doch warum hielten sich überhaupt LehrerInnen beim Ausfüllen des Fragebogens zurück? Aus Angst, sie hätten bei kritischen Antworten negative Konsequenzen zu fürchten, oder weil sie nicht glauben können, dass sich mit der Studie auch wirklich etwas am beruflichen Alltag ändert? Laut Studie schätzen viele LehrerInnen ihren Stellenwert in der Gesellschaft eher gering ein. Im klassischen Sekundarunterricht sind dies 63 Prozent, im technischen Sekundarunterricht dagegen überwiegt leichter Optimismus in dieser Einschätzung.
Von Friede, Freude, Eierkuchen kann gleichwohl keine Rede sein, weisen die Resultate doch allerhand Differenzen auf. So zum Beispiel zwischen den einzelnen Lehrergenerationen: Während 76 Prozent der Befragten mit weniger als fünf Dienstjahren ihre Erwartungen bestätigt sehen, die sie zu Beginn ihrer Laufbahn mit dem Beruf verbunden haben, überwiegt bei den LehrerInnen mit mehr als 20 Berufsjahren der Frust. Eine Erklärung dafür gibt die Studie nicht.
Wissen und Logik wenig erwünscht
An den SchülerInnen dürfte es der Umfrage zufolge kaum liegen, äußerte sich die Mehrheit der Luxemburger LehrerInnen doch überwiegend positiv über ihre SchülerInnen. In einer Beliebtheitsskala von 1-4 erzielten die PennälerInnen immerhin mit 3,14 Punkten einen relativ hohen Wert. Dabei rangieren SchülerInnen mit Eigenschaften wie Verantwortungsbewusstsein, Kommunikationsfähigkeit und Unabhängigkeit, aber auch Arbeitswillen und Disziplin in der Gunst des Lehrpersonals offenbar ganz oben. Diese Werte seien für die Zukunft eines Schülers enorm wichtig, urteilte ein Großteil der Lehrer – dass Schüler aber auch tatsächlich Verantwortung an ihrer Schule übernehmen, bestätigen nur knapp 38 Prozent der Befragten. Merkwürdig ist zudem, dass sowohl die Fähigkeit zu lernen, logisch zu denken als auch Wissen anzuwenden, auf der Prioritätenliste der Pädagogen weiter unten angesiedelt sind. Sollte das schlechte luxemburgische Abschneiden also doch auch etwas mit den LehrerInnen zu tun haben?
Gar nicht gut schneiden derweil die Eltern ab. In der Beliebtheitsskala des Lehrpersonals rangieren sie am unteren Ende. Offensichtlich fürchten sich neben der Ministerin auch viele LehrerInnen vor allzu kritischen Eltern: Mehr als die Hälfte sieht ihre Autorität gegenüber den Eltern schwinden. Schulterklopfen haben die LehrerInnen hingegen für ihresgleichen übrig: Das Verhältnis zu den KollegInnen wird insgesamt überwiegend bewertet. Freundschaften unterm Lehrpersonal, gegenseitige Ratschläge und Anregungen und Treffen auch außerhalb der Dienstzeiten sind keine Seltenheit. Präzisere Nachfragen darüber, wie eng LehrerInnen tatsächlich zusammen arbeiten, etwa indem sie ihren Unterricht gegenseitig besuchen und Methoden gemeinsam reflektieren, tauchen im Fragebogen gar nicht erst auf.
Werbung für Schulen ja, Kritik nein
Und es gibt weitere Lücken. Unveröffentlicht, obwohl vorhanden, bleiben Antworten auf die Fragen, die den einzelnen Schulen galten. Man wolle dies intern mit der jeweiligen Schulleitung besprechen, sagte Ministerin Brasseur. Schließlich gehe es nicht darum, eine Hitparade zu erstellen und Schulen zu stigmatisieren, die im Vergleich mit anderen bei der Umfrage schlechter abschnitten. „Die luxemburgische Schullandschaft ist für ein Ranking der Schulen zu klein und zu differenziert“, so die DP-Politikerin. Doch wenn dieses Argument stimmt, warum dann überhaupt Schulen an einem nationalen Durchschnitt messen, wie es das Unterrichtsministerium vorhat?
Auf Drängen von JournalistInnen hatte Nicole Zewen, Co-Autorin der Studie, nur eine dünne Antwort auf die Frage parat, was denn die LehrerInnen an ihren jeweiligen Schulen konkret auszusetzen haben? Einmal sei etwa die schlechte Parkplatzsituation angeprangert worden; als wären bessere Parkmöglichkeiten der entscheidende Punkt bei der schulischen Qualität.
„Es wundert mich nicht, dass das in Luxemburg so gehandhabt wird“, kritisierte Raymond Heijnsbroek den intransparenten Umgang. Der Präsident der Elternvereinigung Fapel vermutet: Mit einem Schulvergleich würde sich der Druck gegenüber schlecht ausgestatteten Schulen und mangelhaften Lehrerleistungen erhöhen.
Wie viel das Ministerium in puncto Transparenz weiterhin dazuzulernen hat, zeigt noch ein Beispiel: So sollen an der Umfrage beteiligte Schulleitungen erst aus der Presse von der Veröffentlichung erfahren haben.