Es ist schlecht bestellt um die kleinen Bauern, die mit ihren Produkten einer globalisierten Ökonomie gegenüberstehen. Welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um mehr Arbeitsplätze in einer nachhaltigen Landwirtschaft zu schaffen, erläuterte der französische Bauernführer José Bové bei seinem Luxemburg-Besuch.
Anfang der Woche ist es den EU-Regierungen, darunter Luxemburg, erneut gelungen, die Vorschläge der europäischen Kommission zur Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzenkulturen, darunter vieler Maissorten, abzulehnen. Dennoch wurden bisher in Europa zwei dieser Pflanzenarten auf einer Fläche von rund 100.000 Hektar angebaut. Dabei handelt es sich um den Gentechnik-Mais MON 810 des US-amerikanischen Agrarkonzerns Monsanto und um die Stärke-Kartoffelsorte Amflora des deutschen Konzerns BASF.
Ein Landwirt, der sich seit mehr als zehn Jahren öffentlichkeitswirksam gegen Monsanto und den die Genforschung unterstützenden französischen Staat stemmt, kam nun auf Einladung von Déi Gréng nach Luxemburg: Es handelt sich um José Bové, den französischen Bauernführer, bekanntgeworden als führende Persönlichkeit der Protestbewegung, die sich in den 70er Jahren gegen die Erweiterung des auf dem Larzacplateau gelegenen Truppenübungsplatzes gebildet hatte. Ergebnis dieses 10 Jahre währenden Protests war nicht nur, dass die Pläne unrealisiert blieben und infolgedessen die Schafbauern des Larzac weiterhin über ihr Weideland verfügen konnten, sondern auch, dass ein neues System der Landverwaltung eingeführt wurde: Bauern konnten fortan Land pachten, wodurch zahlreiche neue Einkommensquellen in der Landwirtschaft geschaffen wurden.
„José Bové – Le retour au Luxembourg“ – lautete der Titel des Veranstaltungstages, an dem Bové in der Ackerbauschule in Ettelbruck und noch an anderen Orten auftrat – im Mittelpunkt der Diskussionen standen die Zukunft der Landwirtschaft in Europa, die Subventionen und insbesondere die Milchquoten. Am Rande der Veranstaltungen suchte Bové auch Vianden, den Heimatort seiner Großmutter, auf. Denn bei seinem Luxemburg-Besuch ging es nicht nur um die Entwicklung der Landwirtschaft im Kontext der globalen Ökonomie, sondern auch um die Biografie von Bové selbst: Der Franzose nahm die Gelegenheit wahr, sein neues Werk „Du Larzac à Bruxelles“ vorzustellen.
Der mittlerweile 58-jährige hat einen bemerkenswerten Aufstieg zu verzeichnen: Bis vor zwei Jahren war er noch praktizierender Landwirt auf dem rauen Larzacplateau. Auf seinen 250 Hektar Weideland nannte er sein eigen, auf denen ein Schaf pro Hektar weidete, von denen jedes pro Saison annähernd 300 Liter Milch für die Herstellung des bekannten Roquefort-Käse lieferte. „Es sind vor allem die guten Preise, 1.20 Euro pro Liter, die die ansässigen Bauern für die ungenügenden Futtervorräte entschädigen“, erläuterte Bové den Schülern der Ackerbauschule. Denn auch das Larzacplateau werde aufgrund der Klimaerwärmung von längeren Trockenzeiten heimgesucht, was den Anbau von Futterpflanzen für den Winter erschwere. Seit 2009, als er als Spitzenkandidat des Bündnisses „Europe Ecologie“ in das Europäische Parlament gewählt wurde und dort seither als stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Landwirtschaft fungiert, überlässt Bové anderen das Landwirtschaften. Ist er damit nun im politischen Mainstream angekommen?
Anhänger des zivilen Ungehorsams
Zu Beginn seiner Karriere war Bové vom Mainstream denkbar weit entfernt. Damals bediente er, der eigentlich aus bürgerlichen Kreisen stammt und eine Jesuitenschule besuchte, sich ganz populärer und medienwirsamer Mittel: Mistgabel, Sense, Hammer, erhobene Fäuste – am liebsten mit Handschellen ? vor laufenden Kameras, das waren seine Waffen. Als Anhänger des zivilen Ungehorsams nannte er einmal den US-amerikanischen Philosophen Henry David Thoreau, der das Standardwerk für den gewissensgeleiteten, gewaltfreien Widerstand gegen die Obrigkeit geschrieben hatte, eines seiner Vorbilder. Den Kampf für eine naturnahe Landwirtschaft – und damit verbunden auch den gegen das Monopol großer Agrarkonzerne – führte Bové von Beginn an nicht alleine, sondern in einer Solidargemeinschaft mit anderen Landwirten. Mit der Gewerkschaft „Confédération paysanne“, die die kleinen Bauern vertritt, entwickelt er 1980 sogar ein kämpferisches, alternativ-linkes Gegenstück zum etablierten und mächtigen Bauernverband „Fédération nationale des syndicats d`exploitants agricoles“ (FNSEA). Das Motto dieser Gewerkschaft: „Für eine nachhaltige Bauernlandwirtschaft in einer solidarischen Welt“. José Bové kämpfte gegen den brutalen Produktivismus, die Handelsabkommen des Gatt (General Agreement on Tariffs and Trade) und gegen die „Malbouffe“, die durch eine neokolonialistische Globalisierung begünstigt wird. Statt billige, industriell „veredelte“ Nahrungsmittel sollten die Menschen ökologische Produkte kaufen, wenn möglich aus der Region und im Einklang mit den Jahreszeiten – so die Botschaft von Bové.
Im Jahre 1999, als Europa den Import von Hormon-Rindfleisch verbot und die US-Regierung darauf mit Strafzöllen für Roquefortkäse reagierte, demolierte Bové zusammen mit ein paar Genossen die Baustelle einer McDonalds-Filiale in Millau. Bové wurde als Anstifter dieser Aktion zu mehreren Monaten Gefängnis verurteilt. Aber sein Kampf gegen die Multis und ihren „Fraß“ endete nicht bei McDonalds. 2005 wurde er wegen der Verwüstung von Genmais-Plantagen erneut zu Gefängnis- und hohen Geldstrafen verurteilt. In seinem ersten Bestseller „Le Monde n`est pas une marchandise – des paysans contre la malbouffe“ bezeichnet Bové die Gentechnik als eine Form des Totalitarismus: Konventioneller Anbau werde infolge des Pollenfluges der Genpflanzen automatisch kontaminiert – den Landwirten werde so eine bestimmte Art des Anbaus aufgezwungen und das Prinzip der Biodiversität verletzt. Die großen Konzerne standardisierten die Lebensmittelerzeugung zum Vorteil ihres Profits und zerstörten damit den lokalen Anbau. Bové wandte sich massiv gegen diese Art des globalen Handelskapitalismus.
Als Mittel gegen transnationale Agrofirmen befürwortete er schon damals das gemeinsame Eintreten der einzelnen Länder gegen gentechnisch veränderte Pflanzen und forderte einen verstärkten Einsatz der EU für die Qualitätssicherung und für den Bioanbau. Dazu gehört nach seiner Überzeugung auch der Ausbau der Forschung. Auch plädierte Bové schon damals dafür, dass die einzelnen Länder ihre eigenen Landwirtschaften bewahren, um die Gefahr von Abhängigkeiten zu verringern.
Abhängigkeiten in der Landwirtschaft
Um Abhängigkeiten in der Landwirtschaft ging es Bové denn auch bei seinem Vortrag vor den SchülerInnen der Ackerbauschule, wobei schnell klar wurde, dass Bové zwar seinen Bauernkittel, nicht jedoch seine Überzeugungen an den Nagel gehängt hat.
Besorgt zeigten sich die dreißig SchülerInnen der Ackerbauschüle vor allem hinsichtlich der Milchquoten, die Ende 2015 abgeschafft werden sollen. „Auf die Frage was nach den Milchquoten kommt, hat die EU-Kommission noch keine schlüssige Antwort gegeben“, kritisierte Bové. Gerade die kleinen Bauern, die 40 Milchkühe besitzen und nach traditioneller Art wirtschaften, könnten heute kaum mehr mithalten, wenn der Milchpreis sinkt. Schuld daran sei auch das ungleiche Kräfteverhältnis zwischen den verarbeitenden Erzeugerbetrieben und den grossen Ketten, die die Gewinne einfahren.
Laut einem Bericht der EU-Kommission sei der Anteil der Bauern an der Wertschöpfung in den vergangenen zehn Jahren von 31 Prozent auf unter 20 Prozent gefallen.Selbst Verträge zwischen den Landwirten und den einzelnen Milchverarbeitern reichten nicht mehr aus, um den Preisverfall auf einem globalen Milchmarkt aufzuhalten. Deshalb befürwortet Bové in einem ersten Schritt angebotssteuernde Maßnahmen, wie eine Indexierung, und beurteilt das Bestreben der Kommission, die Milchquoten abzuschaffen, als kontraproduktiv.
Auch sollten die Bauern sich in eine bessere Verhandlungsposition bringen, indem sie sich in einem Verband organisieren oder sich um die zu beliefernden Firmen gruppieren. Das könnte es der Industrie erschweren, stets nur die Minimal-Preise zu zahlen. Übereinstimmend mit dieser Auffassung riet Bové den SchülerInnen davon ab, die Abhilfe für Preisverfall in einer Vergrößerung der Höfe und noch intensiverer Technisierung zu suchen. „Wenn die Kühe nicht mehr weiden können, so ist das ein finanzieller Mehraufwand. Besser sind weniger Technik und weniger Beton“, so Bové.
Bioanbau in der Ackerbauschule
Als Biolandpionier stieß der Franzsose bei seinem Besuch in der Ackerbauschule eher auf Brachland: Die Bemühungen der Ackerbauschule ihre SchülerInnen auch in den Bioanbau einzuführen, stecken noch ziemlich in den Kinderschuhen. Wie Tom Delles, Attaché à la Direction der Ackerbauschule, erläutert: Es gebe zwar eine Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe, die den Bioaktionsplan gestaltet, der Bioanbau sei auch Thema innerhalb einiger Schulfächer – doch erst an der neuen Ackerbauschule seien Flächen für den Bioanbau vorgesehen. „Die meisten Schüler kommen aus konventionell geführten Betrieben. In Luxemburg ist der Bioanbau nicht so fortgeschritten wie etwa in Österreich“, versucht Delles die Verzögerungen zu rechtfertigen. Und: „Bioanbau polarisiert noch immer sehr stark. Gerade die jungen Schüler sehen im Bioanbau nicht unbedingt eine Alternative“. Zukünftig bestehe die größte Herausforderung der Ackerbauschule darin, überhaupt Jugendliche zur Tätigkeit als Landwirt zu motivieren und dabei auch neue Nischen im Anbau zu besetzen. „Es können nicht alle Milchbauern werden“, so Delles.
Insgesamt liegen die Herausforderungen der Landwirtschaft heute darin, die Menschen sowohl quantitativ als auch qualitativ ausreichend zu ernähren und den Landwirten ein gutes Einkommen zu sichern, ohne die Konsumenten mit steigenden Lebensmittelpreisen zu überlasten. Zusätzlich ist die Landwirtschaft zunehmend mit Fragen des Umweltschutzes konfrontiert. „Das Grundwasser, verseucht durch Nitrate oder gesundheitsschädliche Pestizide, ist das erste Opfer der industriellen Agrikultur“, erläuterte Bové in der anschließenden Pressekonferenz. Aber auch der Beschaffenheit des Bodens werde nach wie vor zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Zudem werde es für die Landwirtschaft immer schwieriger, Nachwuchs zu gewinnen. So gebe es in Frankreich rund 40 Prozent weniger Bauern als noch vor 15 Jahren. Von den restlichen 600.000 Höfen sollen – nach rezenten Plänen des Landwirtschaftsministeriums – nur 200.000 Agrarfabriken übrig bleiben. „Wie schafft man neue Arbeitsplätze in der Landwirtschaft angesichts dieser Entwicklungen?“, fragt Bové und betont, dass erst mit der Erfüllung dieser Bedingungen das Budget für Landwirtschaft, das sich zurzeit auf 43 Prozent des Gesamtbudgets der EU belaufe, gut sei.
Ansätze zu einer Verbesserung lieferte der am 18. November 2010 publizierte Vorschlag des rumänischen Landwirtschaftskomissars Dacian Ciolos, der zurzeit in der EU-Kommission diskutiert wird und als Richtschnur für die aktuellen Verhandlungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik-Reform (GAP) gilt. In diesem Papier geht es auch um Landwirtschaftssubventionen. Diese haben nicht nur eine wichtige Funktion in der Lenkung der Landwirtschaft auf Nachhaltigkeitsfaktoren, sondern auch bei der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen. „Heute erhalten 25 Prozent der Landwirte rund 70 Prozent der finanziellen Zuwendungen. Das ist untragbar“, kritisiert Bové. Insbesondere die ohnehin privilegierten Höfe würden hoch subventioniert, damit sie ihr Getreide zu Dumpingpreisen exportieren können.
Biodiversität in der Landwirtschaft
Durch die so geförderte Überproduktion würden die Weltpreise zusätzlich zerstört und vor allem die kleineren Höfe benachteiligt. Es fehlten faire, stabile Preise, die sich nicht nur an der Größe eines landwirtschaftlichen Betriebes bemessen. Auch sei wünschenswert, dass die Bemühungen um nachhaltige Landwirtschaft, wie das Rotationsprinzip bei den Anbaukulturen oder der Schutz des Grundwassers, in der Zumessung der Subventionen ihren Niederschlag fänden. „Begrüssenswert ist, dass ein Kommissionsbericht das erste Mal von der Unterstützung der kleineren Höfe spricht“, freut sich Bové. 12,5 Millionen Betriebe der EU seien nämlich auch heute noch kleiner als 5 Hektar. Gerade die kleinen Betriebe stünden für Biodiversität und lokale Nähe zum Verbraucher.
Negativ am Vorschlag von Dacian Ciolos sei insbesonders das Fehlen von Mechanismen zur Preisregulierung. Bové erinnerte daran, dass er selbst kürzlich im Europaparlament einen Initiativbericht eingebracht hatte, in dem es um faire Preise für die Erzeuger, eine Preis-Transparenz innerhalb der Lebensmittelkette und eine Unterbindung der Spekulation mit Agrarrohstoffen ging. Rund 93 Prozent der Transaktionen mit Agrarrohstoffen sind gegenwärtig rein spekulativen Charakters, und nur sieben Prozent haben eine direkte Verbindung zur physischen Produktion. Gerade die Spekulation bewirkt einen Anstieg der Rohstoffpreise und macht es vielen armen Ländern unmöglich, ihre Bevölkerung ausreichend mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Zum anderen haben die hohen Preise einen Einfluss auf die Situation innerhalb Europas, und zwar bei den Futtermitteln. Hier gibt es Preisanstiege bis zu 40 Prozent, was dazu führt, dass viele Schweine- und Geflügelhalter in finanzielle Not geraten, umso mehr, als sie selbst für ihre tierischen Produkte keinen korrekten Preis erhalten. „Es sollte allgemein verboten sein, Landwirte unter dem Niveau der Produktionskosten zu bezahlen. Das ist eine prinzipielle Frage“, ärgert sich Bové. Insbesondere unter dem Einfluss der ultraliberalen dänischen Vorgänger-Kommissarin Fischer-Boel, seien viele Regulierungsmaßnahmen abgebaut worden. „Es ist eine Lüge, zu behaupten, die Märkte könnten sich selbst regulieren; sie sind ihrem Wesen nach chaotisch, und die Marktteilnehmer sind zu ungleich. Der Markt muss dem Menschen dienen, nicht umgekehrt“, empört sich der Bauernführer aus der „republikanischen Monarchie Frankreich“, wie er sein Land in Anspielung auf Sarkozy nannte.
Aber auch den Konsumenten, die oft nicht wissen, wo die natürlichen Grundlagen des Lebens geschaffen werden und wie gefährdet diese sind, kommt eine Verantwortung zu. Hinter den billigen Preisen stehen eben auch Existenzen.