ÖKOSTROM: Nicht alles was grün ist …

Drei NGOs haben die Ökostrom-Angebote in Luxemburg untersucht. Nach welchen Kriterien man seinen Stromlieferanten auswählt, hängt davon ab, was man mit der Wahl bewirken will.

Strom sparen ist mindestens so wichtig wie der „grüne“ Netzanschluss.

Dienstag vergangener Woche, Punkt sechs Uhr: Sirenengeheul und Glockenläuten, akustisches Symbol für die landesweite Ablehnung des AKW Cattenom und der Nuklearindustrie im allgemeinen. Wie groß der Atomstromanteil bei der Erzeugung dieses symbolischen Getöses war, ist nicht bekannt. Sicher ist allerdings, dass der Unfall in Fukushima das Interesse an „grünem Strom“ vervielfacht hat. Eine Bewertung solcher Stromangebote in Luxemburg hatten die drei NGOs Greenpeace, Mouvement écologique und Eurosolar bereits am Freitag zuvor vorgestellt.

Bei ihrer Einschätzung wendeten die Umweltorganisationen die bereits 2007 von ihnen definierten Kriterien an, und auch die Resultate waren dieselben wie schon 2008: „eida.green“ gilt als bestes Angebot, „nova naturstroum“ von Enovos und „green_energy“ von LEO entsprechen ebenfalls den Kriterien der NGOs. Geändert hat sich dagegen so manches bei den Firmenstrukturen: Die Cegedel, die bereits 2003 „nova naturstroum“ eingeführt hat, ist im neu gegründeten Konzern Enovos aufgegangen, und aus den Stadtwerken LEO wurde ein Tochterunternehmen von Enovos. Verändert haben sich auch die Akzente, die von den NGOs gesetzt werden – in einer Materie, die technisch und politisch immer noch hochkompliziert ist. Ein Grund, warum die woxx, wie bereits 2007, den eindeutigen Empfehlungen der NGOs skeptisch gegenübersteht.

Verbrauchen und Investieren

„Entscheidend ist, dass der Verkauf von Ökostrom verbunden ist mit dem Bau neuer Anlagen“, erläuterte Martina Holbach von Greenpeace am vergangenen Dienstag das wichtigste Kriterium. Als Mogelpackung sehen die NGOs Angebote an, die zum Beispiel den Strom aus alten Wasserkraftwerken aus dem allgemeinen Mix herauslösen und gewinnbringend als „grün“ vermarkten. Wichtig ist ihnen auch die Beratung zur Senkung des Stromverbrauchs. Die mache es möglich, trotz des geringfügig höheren Kilowattpreises am Ende Geld zu sparen, unterstrich Guy Weiler von Eurosolar.

Die Firma Eida verdankt ihren ersten Platz ihrer umfassenden Unterstützung von Energiesparmaßnahmen und vor allem ihrer Geschäftspolitik: Sie bietet ausschließlich grünen Strom an. Enovos und LEO dagegen verkaufen auch Atom- und Kohlestrom, und bei Enovos ist etwa ein Drittel der Aktien im Besitz internationaler Atom- und Kohlestromkonzerne. Die aus den Escher Stadtwerken hervorgegangene Firma Sudstroum dagegen hat keine solche Verbindungen. Pol Polfer vom Mouvement écologique lobte sogar die Geschäftspolitik von Sudstroum, die ihren gesamten Kundenstamm auf erneuerbaren Energien umgestellt hat. Mangels konkreter Informationen zu den Investitionen in neue Anlagen wird das „Terra Invest“-Angebot der Sudstroum noch nicht von den NGOs empfohlen. Die anderen derzeit vorliegenden Angebote von „grünem Strom“ disqualifizieren sich dadurch, dass sie überhaupt keinen solchen „zusätzlichen Umweltnutzen“ erbringen.

Eine kleine, aber pikante Veränderung hat es beim „nova naturstroum“ gegeben: Der wird nicht mehr von der deutschen Firma „Greenpeace energy“ geliefert. Man sei auf weniger teure Angebote umgestiegen, um sicherzustellen, dass Ökostrom für jederman erschwinglich bleibe, so Danny Manso, Pressesprecherin von Enovos. Dass der „nova“-Strom, bei seiner Einführung von Greenpeace Luxemburg angepriesen, weiterhin empfohlen wird, trägt sicher zur Glaubwürdigkeit der NGO-Bewertung bei. Für viele umweltbewussten Menschen werden, anders als für die NGOs, die gelben und schwarzen Anteile im Strommix der Firmen Enovos und LEO weiterhin ein Ausschlusskriterium sein.

Schwer verständlich ist auch der Ausschluss von Strom aus Pumpspeicherkraftwerken bei den NGO-Vorgaben. Energieexperten wie der Europaabgeordnete Claude Turmes betonen die Wichtigkeit dieser Anlagen für den Ausbau erneuerbarer Energien: Sie erlauben es nämlich, überschüssigen grünen Strom zu speichern und ihn in dem Moment ins Netz zurückzuspeisen, wo er wirklich benötigt wird. Allerdings erfolgt der Verkauf von Ökostrom derzeit meistens „mengengleich“. Das bedeutet, dass zwar für jede verbrauchte Kilowattstunde eine Kilowattstunde grünen Stroms erzeugt wird, aber möglicherweise zu einem anderen Zeitpunkt. Garantiert der Stromlieferant dagegen eine „zeitgleiche“ Einspeisung, so muss die verbrauchte Kilowattstunde zu genau diesem Zeitpunkt erzeugt werden.

Konsum gegen Atom?

Seinerzeit hatte Greenpeace diese nur von „nova naturstroum“ erbrachte Leistung als „Zusatzkriterium“ durchgesetzt. Der „nova“-Strom wird immer noch zeitgleich eingespeist, doch für Greenpeace scheint das kein Thema mehr zu sein. „Eine zeitgleiche Einspeisung gibt es nicht, weil die AKWs die Netze blockieren“, so Martina Holbach auf Nachfrage.

Doch die Frage der zeitgleichen Einspeisung hat nichts von ihrer Relevanz verloren. Schließlich lautet eines der Hauptargumente gegen erneuerbare Energien, dass der Ertrag von Windrädern und Solarzellen zu sehr von Wetterbedingungen, Jahres- und Tageszeit abhängt. Eine zeitgleiche Einspeisung beweist, dass solche Schwankungen ausgeglichen werden können – nicht unwichtig, da in Deutschland gerade darüber gestritten wird, ob man kurzfristig dreizehn Reaktoren vom Netz nehmen kann, oder nur vier.

Erstaunlich war auch die Aussage der Greenpeace-Vertreterin zur Erzeugung grünen Stroms in Luxemburg: „Wir wollen den Strommix auf europäischer Ebene verändern, da ist es relativ egal, wo die erneuerbare Energie herkommt.“ Tatsache ist, dass der in Luxemburg angebotene Strom fast gänzlich im Ausland produziert wird. Das liegt allerdings daran, dass der geförderte Ökostrom nicht separat mit Aufpreis verkauft werden darf, sondern in den allgemeinen Mix einfließt. Wo Ökostrom herkommt, ist allerdings zumindest einer der Partner-NGOs nicht „egal“: Eurosolar fordert nämlich, dass 2020 ein Fünftel des nationalen Strombedarfs durch erneuerbare Energie aus Luxemburg gedeckt wird – fast das Doppelte der von der Regierung als „gerade noch möglich“ konzedierten elf Prozent.

Um solche Ziele zu erreichen, sind politische Mittel vonnöten. Doch um die ging es bei der Vorstellung der Ökostromangebote durch die drei NGOs nicht: „Nutzen Sie Ihre Macht als Verbraucher – kaufen Sie grünen Strom! Helfen Sie den erneuerbaren Energien ? sagen Sie Nein zu Atom und Kohle?, so das „Kauf mich“ im Pressekommuniqué. Dass Konsumentenmacht und Liberalisierung die Ökologisierung der Energiewirtschaft kaum voranbringen, erklärt die woxx seit zehn Jahren (Dossier in Nr. 740). Mittlerweile ist die Begeisterung der Umwelt-NGOs auch abgeflaut, wie Martina Holbachs Aussage zum Stellenwert der staatlichen Förderung zeigt: „Der Ausbau der erneuerbaren Energien durch Einspeisetarife ist das beste System, und Luxemburg bietet sehr günstige Bedingungen. Zusätzlich gibt es eben Angebote für Leute, die schon jetzt 100 Prozent Ökostrom wollen. Beides ergänzt sich.“

Alles in allem hat der Kauf von grünem Strom vor allem symbolischen Wert und richtet gegen die Atomindustrie etwa so viel aus wie ethisches Sparen gegen den Finanzkapitalismus. Vielleicht wird die Katastrophe von Fukushima dazu führen, dass wieder über ein politisches Vorgehen gegen Kernkraft diskutiert wird. So ist zum Beispiel der Mouvement écologique überzeugt, dass es möglich ist, den Import von Atomstrom zu verbieten. Noch vor wenigen Wochen hatte Präsidentin Blanche Weber erklärt: „Die Regierung kann solche Importe unterbinden, schon vor Jahren hat der Mouvement dem Minister eine juristische Position dazu mitgeteilt“. Es wäre spannend zu sehen, wie weit ein solcher Versuch, nationale Anti-Atom-Politik zu betreiben, mit der EU-Stromliberalisierung kompatibel ist. Vielleicht müssen dafür die Sirenen noch ein paarmal heulen. Wenn sie dabei ein letztes Mal mit Atomstrom betrieben werden, ist das wohl nicht so wichtig.

Informationen unter www.greenpeace.lu, www.oeko.lu, www.eurosolar.lu.

Die woxx wird auf die verschiedenen Ökostromangebote zurückkommen, sobald eine endgültige Bewertung des „Terra Invest“-Stroms vorliegt.


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