UNIVERSITÄT: Zwischen Sein und Schein

Eine Diskussion von Forum beschäftigte sich mit der Zukunft der Geistes- und Sozialwissenschaften an der Universität Luxemburg – und förderte wieder alte, leidige Kontroversen zutage.

„Wieviel Kilogramm wiegt der zweite Weltkrieg?“ fragte ein Zuhörer ironisch den Rektor der Universität Luxemburg, Rolf Tarrach. Und gab damit den Ball zurück: Der Zweck und der Wert von Forschung bemesse sich an den Ausgangsfragen und den Methoden eines Fachs – nicht am Fach an sich. Die Geisteswissenschaften beschäftigten sich mit dem Unwägbaren der menschlichen Entwicklung, etwa den sozialhistorischen Komponenten, die zu einem Krieg führten – dies könnten die Naturwissenschaften trotz ihrer „Exaktheit“ nicht leisten. Der Uni-Rektor hatte sich im Vorfeld auf die Seite der Naturwissenschaften gestellt und als „Avocat du diable“ den konkreten Nutzen der Geistes- und Sozialwissenschaften in Zweifel gezogen: Die Naturwissenschaften produzierten messbare Grundlagenforschung – etwa im Bereich der neuen Technologien oder bei der Bekämpfung von Krebs -, etwas Vergleichbares suche man bei den Geisteswissenschaften vergebens, so Tarrach.

Austragungsort der Kontroverse war eine Forums-Podiumsdiskussion zur Stellung und Zukunft der Geistes- und Sozialwissenschaften an der Universität Luxemburg, an der neben Tarrach auch Michel Margue, Dekan der „Fakultät für Sprachwissenschaften und Literatur, Geisteswissenschaften, Kunst und Erziehungswissenschaften“, sowie Dieter Ferring, Leiter der Forschungseinheit INSIDE der Uni Luxemburg und die CSV-Abgeordnete Diane Adehm, Mitglied der Hochschulkommission teilnahmen.

Ausgangpunkt waren die Reform des Hochschulgesetzes und das kürzlich erschienene Buch „Les défis de l’Université du Luxemburg“ von Henri Entringer, der persönlich zwar nicht anwesend war, dessen Thesen im Laufe des Abends jedoch kritisch erörtert wurden.

So ging es unter anderem um die Frage, ob die Universität durch den Ausbau der Geisteswissenschaften nicht Gefahr laufe, zu einer Wald- und Wiesen-Uni zu werden. Es wurden viele Argumente für die Geistes- und Sozialwissenschaften vorgebracht: Geisteswissenschaftler schafften Jobs – es sei erwiesen, dass der Kulturbereich allgemein größer sei als der der Automobil- oder Chemieindustrie. Die analytischen und synthetischen Kompetenzen von Geisteswissenschaftlern würden in vielen atypischen Arbeitsfeldern sehr geschätzt. Auch wenn ein Benchmark im Bereich der Geisteswissenschaften komplizierter sei, erzielten die Forscher dennoch – wenn auch manchmal erst auf lange Sicht – konkrete Ergebnisse und könnten Lösungsansätze zu gesellschaftlichen Problemen, wie zum Beispiel der Multikulturalität im Luxemburger Schulsystem oder dem Generationenkonflikt, erarbeiten. Dies war sehr aufschlußreich – umso bedauerlicher, dass die Diskussion letztlich doch wieder in die leidige Debatte Geisteswissenschaften versus Naturwissenschaften abglitt.

Einig waren sich die Adepten beider Lehren nur darin, dass interdisziplinäre Zusammenarbeit sehr wichtig ist. Ebenso wurde die Uni einhellig dazu aufgefordert, ihre Wissensproduktion noch stärker der Gesellschaft zugänglich zu machen. Interessanter wäre freilich gewesen, wenn die Diskussion stärker das Verhältnis von Politik und Uni beleuchtet hätte. Schlecht weg kam an diesem Abend hierbei der erste Regierungsberater im Erziehungsministerium, Germain Dondelinger, dem vorgeworfen wurde, nicht genug Zeit für die Belange der Uni aufzuwenden. Bemängelt wurde aber an der Politik im Ganzen, dass sie der Universität und ihren Problemen generell zu wenig Beachtung schenke. Auch der durch das neue Hochschulgesetz geschaffene „Conseil de gouvernance“ sah sich der Kritik ausgesetzt. Dieses Gremium soll künftig die Hochschulpolitik alleine beaufsichtigten, ohne von einer politischen Stelle kontrolliert zu werden. Rolf Tarrach meinte dazu nur lapidar: „Knowledge speaks, wisdom is silent“. Der Dekan Michel Margue bemühte sich zu beschwichtigen, indem er auf den „Conseil universitaire“ verwies, der gegenüber dem „Conseil de gouvernance“ immerhin noch eine beratende Funktion wahrnehmen könne. So liege das Initiativrecht aufgrund der Vierteljahrespläne noch immer bei der Uni.


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