Arm sind immer die Anderen

Die beiden aktuellen Ausstellungen in Trier und in Luxemburg, die sich mit dem Thema Armut beschäftigen, geben Aufschluss darüber, wie konsequent sich unsere Gesellschaft noch immer ein Tabuthema vom Halse hält.

Nach all den Essayisten, Artikelschreibern und politischen Sonntagsrednern haben nun endlich auch die Museen sie entdeckt: die Armut. Ein Thema, das, wenn es auch nicht ganz und gar omnipräsent ist, doch immer häufiger zwischen den Zeilen der aktuellen Geschehnisse auftaucht. Sei es der drohende Absturz der Euro-Zone infolge der Überschuldung Griechenlands, sei es die immer alltäglicher werdende Prekarisierung der jungen (und älteren) Generation – die Armut, oder die Angst vor ihr, ist zu einem unüberhörbaren Nebenton in unserem sozialen Lebensgefühl geworden.
Nun haben sich sowohl das Simeonsstift in Trier als auch das Geschichtsmuseum der Stadt Luxemburg des Themas angenommen und zeigen ihre Herangehensweise an ein Phänomen, das so alt ist wie die Zivilisation selbst. Sie präsentieren es mit allen seinen Folgen und Nebenerscheinungen: der Ausgrenzung, der Idealisierung, der Instrumentalisierung als Mitleidserreger usw. Doch welche Schlussfolgerungen ziehen die beiden Museen aus ihrer Konfrontation mit der Armut? Wer sich eine Annäherung an aktuelle Phänomene erhofft hat, wird sicherlich enttäuscht aus beiden herauskommen. Während sich das Trierer Simeonsstift der historischen und künstlerischen Darstellung der Armut widmet, versuchen sich die Luxemburger Kollegen an lokaler Sozialgeschichte und erklären die Geschichte der Armut und der Einstellung zu ihr im Großherzogtum. Sicherlich sind dadurch sehr interessante Kombinationen von hochkarätigen Exponaten aus Jahrhunderten Kunstgeschichte entstanden, doch kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Armut hier auf ein Podest gestellt wird. Die Glasscheiben, hinter denen die Ausstellungsstücke stehen, wirken oft als Abgrenzung zu den Besuchern – ganz so, als seien diese gar nicht betroffen, Dass dies einen perversen Nebeneffekt haben kann, merkt man oft erst, wenn man ein paar Minuten nach dem Verlassen des Museums auf der Straße angebettelt wird. Denn Armut ist alltäglich geworden, und doch bleibt sie für die meisten von uns ein Tabu – und unverkennbar auch für die beiden Kuratoren. Arm sind immer nur die Anderen. Mit dieser Feststellung soll jedoch die Qualität der Ausstellungen nicht geschmälert werden, denn letztlich ist es Sache des kritischen Besuchers, Schlüsse aus dem Gesehenen zu ziehen.
Aber einen Armutsbefund gibt es auch bezüglich der Ausstellungen selbst: Die Koordination zwischen ihnen ist so gut wie nicht vorhanden. Sie haben verschiedene Ausrichtungen und überschneiden sich mit ihren Laufzeiten nur knapp. Wo ist sie also, die vielgepriesene Zusammenarbeit in der Großregion? Haben die kostspieligen, nach 2007 ins Leben gerufenen interregionalen Instanzen wieder einmal gepennt? Es scheint so, denn auch wenn das Geschichtsmuseum der Stadt Luxemburg versichert, dass diese Parallelität eher ein Zufall war, so bleibt doch die ärgerliche Tatsache bestehen, dass hier eine große Chance verpasst wurde, die kulturelle, grenzüberschreitende Kulturzusammenarbeit zu fördern.


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