Manche sagen, jedes Klischee enthält ein Körnchen Wahrheit. So ist es auch mit „Wild Beasts“, deren Musik genauso weitgreifend und schön ist wie der Lake District, aus dem die Band stammt. Aber wie es Klischees so an sich haben, ist die ganze Wahrheit viel komplexer. Und wo das Klischee aufhört, fängt für „Wild Beasts“ erst alles an.
2002 schlossen sich die Schulfreunde Hayden Thorpe, Sänger und Gitarrist, und Ben Little, ebenfalls Gitarrist, zu dem Duo „Fauve“ zusammen, aus dem zwei Jahre später durch Beitritt des Schlagzeugers und Sängers Chris Talbot das Trio „Wild Beasts“ wurde. Im gleichen Jahr nahmen sie ihre erste, selbst-betitelte EP auf. Bald darauf zog die Band nach Leeds, wo sie den Bassisten und Sänger Tom Fleming rekrutierte, um die Band zu vervollständigen.
Seitdem haben „Wild Beasts“ drei Alben aufgenommen, die zu allererst durch ein Charakteristikum auffallen: den Falsett-Gesang Hayden Thorpes. Von Tiny Tim über Kate Bush bis hin zu seinem Landsmann Mika hat Thorpe deshalb zu teils absurden wie irre führenden Vergleichen inspiriert. Denn „Wild Beasts“ ist bei weitem mehr als nur das zugegebenermaßen auffällige Gesangsregister Thorpes.
Die Stücke der Band sind vielschichtig und kompliziert: Die verschiedenen Gesangsregister der Sänger agieren als Charaktere, die von der Musik hin- und hergeworfen werden und so eine Art Dialogstruktur bilden. Und obwohl diese Eigenschaften auf allen drei Alben in unterschiedlichem Maße vorhanden sind, ist immer wieder eine eindeutige Entwicklung von einem zum nächsten zu erkennen.
Das Debut „Limbo, Panto“ (2008) ist das bisher pompöseste, oft vereinfacht als „Barock-Pop“ bezeichnete Album der Band. Trotz der vom Art-Rock angehauchten Struktur der meisten Songs finden sich hier auch Elemente, die dem eher einfachen Indie-Rock angehören. Dies ist insbesondere in dem als Single ausgekoppelten Song „Brave Bulging Buoyant Clairvoyants“ zu hören, der man die jugendliche Freude der Band am Spielen so richtig anhört. Nicht umsonst sagt Thorpe heutzutage über das Album, es klinge „wie ein Zwanzigjähriger“.
Im Jahr 2009 wurde „Two Dancers“ veröffentlicht. Dieses Album war der logische, wenn auch ruhigere, groovigere, vielleicht erwachsenere Nachfolger. Unter Kritikern und Fans schlug das Album große Wellen. Die Rezensionen waren so positiv, dass es konsequenterweise für den Mercury Prize nominiert wurde.
Seitdem haben die Jungs von „Wild Beasts“ ein drittes Album veröffentlicht, das im Mai dieses Jahres erschienene „Smother“. Die Texte hierzu entstanden sozusagen im „Schreib-Camp“ während eines sechswöchigen London-Aufenthalts, die Musik wurde anschließend binnen eines Monats auf einer abgelegenen nordwalisischen Insel aufgenommen.
Und – Achtung, Klischee – das zeigt sich. „Smother“ vereint musikalisch gesehen das Beste der ersten Alben und wächst gleichzeitig darüber hinaus. Das gesangliche Zusammenspiel und Zu-Spiel unterstreicht exzellent die Dramaturgie der Texte und die Musik ist noch sphärischer und weiter, als sie es je zuvor war. Die Texte, die sich im weitesten Sinne mit Liebe, besonders aber mit deren erotischer Seite auseinandersetzen, fangen die Verruchtheit und die Machtspiele, für die der Osten Londons historisch bekannt ist, ein, und geben sie in einer sehr intimen Version der „Wild Beasts“ wieder.
„Smother“, ein Album, das man nicht verpassen sollte, von einer Band, die man definitiv nicht verpassen darf!
Am 10. August im Exit