WOLFGANG MURNBERGER: Sein schlimmster Freund

Noch ein Nazi-Film mit Moritz Bleibtreu wäre eigentlich eine Zumutung, wenn es dem Regisseur mit „Mein bester Feind“ nicht gelungen wäre, den richtigen Ton zu treffen.

Wer ist hier
der Nazi?

Zugegeben, Moritz Bleibtreu in einer SS-Uniform zu sehen, weckt böse Erinnerungen, zum Beispiel an den monumentalen Flop „Jud Süß“, in dem „everybody’s darling“ des neuen deutschen Kinos sich hölzern wie eine Marionette von Klischee zu Klischee schleppte. So ist es in „Mein bester Feind“ glücklicherweise nicht. Vielleicht liegt das daran, dass Bleibtreu hier eigentlich den jüdischen Kunsthändler Victor Kaufmann spielt, der nur im Zuge einer Verwechslungskomödie in die Rolle eines Obersturmbannführers schlüpft, um seine Haut zu retten.

Man schreibt das Jahr 1938, als den Kaufmanns, einer lang etablierten und reichen Wiener Kunsthändlerfamilie, langsam aber sicher die Luft zu dünn wird. Zwar glaubt der Patriarch noch, dass Hitler nur ein Narr sei – „aber sicher nicht so bekloppt, einen Krieg anzufangen“ -, doch sein Sohn und dessen bester Freund Rudi Smekal, der Ziehsohn der Familie, spüren bereits, dass der psychopathische Postkartenmaler aus Braunau die Welt in den Untergang stürzen könnte. Zumal Rudi, obwohl Teil der Familie und fast wie Victors Bruder betrachtet, inzwischen der NSDAP beigetreten ist und bald sogar den Totenkopf der SS an der Mütze tragen wird. Dummerweise hatte Victor seinem Freund verraten, welcher Schatz sich im Besitz der Familie befindet: Eine Originalzeichnung von Michelangelo Buonarotti, die im Mittelalter aus den Gemächern des Papstes gestohlen wurde und seitdem als vermisst gilt. Um sich bei seinen neuen Kameraden von der SS anzubiedern, verrät Rudi das Versteck der Zeichnung, und das Unglück nimmt seinen Lauf. Da die Nazis die Zeichnung an den „Achsenverbündeten“ Mussolini weiterreichen wollen, werden die Kaufmanns kurzerhand ins KZ gesteckt. Doch haben sie nicht mit der Chuzpe des Patriarchen Jakob Kaufmann gerechnet, der vor seiner Deportation eine ganze Reihe von Kopien des Bildes anfertigen ließ, mit denen die Nazi-Kunsttölpel nun an der Nase herumgeführt werden. Aber dies wird den Übermenschen erst Jahre später bewusst, als es endlich zur feierlichen Übergabe der Zeichnung kommen soll. In ihrer Not schicken sie Rudi, inzwischen Obersturmbannführer, nach Polen mit dem Auftrag, seinen alten Freund im KZ aufzutreiben und ihm irgendwie das Original abzupressen. Doch Victor ist schlau und verlangt als Gegenleistung die Ausreise seiner Mutter in die Schweiz – den Vater kann er nicht mehr retten. Smekal willigt ein und besteigt mit Victor ein Flugzeug, um die Mutter abzuholen. Unterwegs wird das Flugzeug jedoch von polnischen Partisanen vom Himmel geholt, und die beiden Freunde sind die einzigen Überlebenden. Um Rudi vor der sicheren Erschießung durch die Partisanen zu retten, bietet Victor ihm an, seine Sträflingsuniform zu teilen. Aber dann kommt alles doch ganz anders, und es beginnt eine fröhliche Charade, die sich noch bis über das Kriegsende hinauszieht.

Es ist äußerst schwierig, eine Komödie zu drehen, die sich mit deutscher Nazi-Vergangenheit befasst, zumal mit Benignis „La vita è bella“ ein Meisterwerk vorliegt, das nur schwer übertroffen werden könnte. Aber diesen Anspruch hat „Mein bester Feind“auch gar nicht. Statt auf die ständigen Spannungen zwischen dem absolut Unmenschlichen und dem quirligen Rest Humanität zu setzen, wie Benigni es tut, wird der Zuschauer hier in eine an sich klassische Verwechslungskomödie verwickelt von der Art, wie man sie vom Theater kennt. Niemand weiß wirklich, was das Gegenüber als Nächstes im Schilde führt, und keiner kann sagen, wer am Ende die Oberhand behalten wird. Das macht „Mein bester Feind“ zu einem sehenswerten Film, bei dem man lachen kann, ohne sich dabei zu verschlucken.

Im Utopia.


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