SAATGUT: Landwirtschaft als Dienstleister der Industrie

Wer das Saatgut kontrolliert, kontrolliert das Lebensmittelsystem. In der Praxis der Züchtung und in den Eigentumsverhältnissen im Saatzucht-Bereich ist eine Kehrtwende nötig, wenn die Vielfalt der landwirtschaftlichen Pflanzensorten erhalten und die Landwirtschaft umwelt- und menschenverträglich gestaltet werden soll.

In der Saatgutindustrie trägt jedes Pflänzlein seinen Barcode. Die Saatzucht ist aufwendig, eine Pflanze braucht meist rund zehn Jahre beim Züchter bevor ihre Qualität den Kriterien der Saatgutzulassung entspricht.

Basis der Pflanzennutzung ist das Saatgut. BäuernInnen und GärtnerInnen haben Pflanzen und Sorten über Jahrtausende weiterentwickelt. Wurde das Saatgut bis Mitte des 20. Jahrhunderts weitestgehend selbst gewonnen, ausgesät und weitergegeben – so sind seit geraumer Zeit Kräfte am Werk, die diese Gewohnheitsrechte und Traditionen abzuschaffen versuchen. Die ersten Saatgutgesetze, die Anfang des 20. Jahrhunderts erlassen wurden, sollten vor allem festlegen, dass das Saatgut keimfrei und sauber sein sollte. Diese Konsumentenschutzbestimmungen verwandelten sich jedoch im Laufe der Zeit in Instrumente, mit denen das gesamte Geschehen um das Saatgut reglementiert wird.

Saatgut entwickelte sich zunehmend zu einer Handelsware zwischen einander fremden Marktteilnehmern. Nur noch wenige Bauern verfügen heute über ihre eigene Hofsaat, die sie mit ihren Nachbarn tauschen – die meisten kaufen – auch unter ökonomischem Druck – ihre Saat bei Züchtern, die durch Kreuzung immer effizientere und ertragreichere Sorten schaffen. Diese Optimierung des Saatguts geht jedoch letztlich zu Lasten der Biodiversität. Saatgut darf nur unter der Voraussetzung vermarktet werden, dass die betreffenden Sorten zugelassen und in den nationalen bzw. den EU-eigenen Sortenkatalog eingetragen sind. Insgesamt hat diese Regulierung der Zulassung nach bestimmten Kriterien – die Sorten müssen homogen, unterscheidbar und stabil sein – zu einem enormen Rückgang der Vielfalt und zur Abnahme der genetischen Breite innerhalb der Sorten geführt. Die Hürden für die Zulassung sind oft so hoch, dass nur kommerzielles Saatgut sie schafft, bäuerliches jedoch an ihnen scheitert, da es nicht ausreichend homogen und beständig ist. Zudem streben Züchterorganisationen heute auch auf EU-Ebene eine Ausweitung ihrer geistigen Eigentumsrechte an Sorten an. Bedroht sind hierdurch vor allem die osteuropäischen Länder in denen man die reiche bäuerliche Vielfalt, die in den anderen EU Ländern schon weitgehend verschwunden ist, noch antrifft. Befürchtet wird auch, dass die EU-Freihandelsabkommen Klauseln enthalten, die die Teilnehmerländer zwingen, Patent- und Sortenschutz umzusetzen. So sind in der Türkei noch viele Menschen in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft aktiv. Die vorhandene Biodiversität – Anatolien verfügt über rund 4.000 endemische Pflanzensorten – droht zu schrumpfen.

Unter dem Motto „Freies Saatgut für alle!“ wurden vor vier Monaten in Brüssel die „Internationalen Aktionstage für Saatgut-Souveränität“ der KleinbäuerInnenaktion La Via Campesina abgehalten, die sich gegen die anstehenden EU-Reformen der Saatgutgesetzgebung richteten. Während der Veranstaltung fand auch die erste europäische Saatgut-Tauschbörse statt, bei der über 30 Saatgut-Initiativen aus zehn europäischen Ländern Saatgut alter bäuerlicher Sorten zum Tausch anboten. Ziel war es, für die Vielfalt des Saatgutes in der Hand von BäuerInnen und GärtnerInnen einzutreten und Widerstand zu mobilisieren gegen durch die Saatgutindustrie betriebene Privatisierung und Monopolisierung des Saatgutes mittels Gentechnik, Hybridkulturen, Patenten, Nachbaugebühren etc.

Grund für die Besorgnis ist jedoch vor allem, dass die EU-Kommission 2008 begonnen hat, das EU-Saatgutverkehrsrecht zu überarbeiten, das festlegt, welche Eigenschaften Sorten aufweisen müssen, um für den Markt zugelassen zu werden. Unter der Bezeichnung „Better Regulation“ sollen beim Saatgutrecht bürokra-tische Prozeduren abgebaut und Gesetze vereinheitlicht werden. Denn zurzeit wird der Saatgutverkehr in der EU durch 12 Richtlinien geregelt, die in den EU-Ländern unterschiedlich umgesetzt werden. Befürchtet wird jedoch, dass bei dieser Harmonisierung des Saatgutverkehrsrechtes einseitig die Saatgutindustrie und die Agrochemie begünstigt werden. Nach deren Willen soll sich der Staat aus dem Saatgutbereich weitgehend zurückziehen und die Kontrolle von Keimfähigkeit, Homogenität und landeskulturellem Wert weitgehend den Laboren der Privatwirtschaft überlassen. Zudem droht die Einführung einer europäischen „Saatgutpolizei?. Deren Aufgabe soll die Kontrolle des Saatgutes sein, das sich in den Händen der Bauern befindet – ein weiterer Angriff auf die bäuerliche Selbstbestimmung.

„Wenn die EU-Kommission von einer bürokratischen Vereinfachung redet, dann kommt am Ende etwas viel Komplizierteres heraus“, kritisiert Marc Weyland, Abteilungsleiter im Bereich Pflanzenbau bei der „Administration des services techniques de l`état“ (Asta). „Letztlich müssen sich fünf nationale Verwaltungen zukünftig mit dieser Erneuerung befassen, wie soll das gehen?“. Der Pflanzenfachmann, der die Umsetzung der Reformen des EU-Saatgutverkehrsrechtes in den verschiedenen EU-Gremien begleitet, befürchtet besonders, dass die Einwirkungsmöglichkeit des Staates schrumpfen und die Privatwirtschaft den Saatgutbereich weitgehend selbst kontrollieren wird. Alle kleinen Saatgutproduzenten, die sich diese Kontrollen nicht leisten können, würden dadurch den Anschluss verlieren. „Wir sehen die Gefahr, dass das Ganze so aufgeweicht wird, dass am Ende nur noch die Hofsorten und das Saatgut von großen Firmen überdauern werden“, so Weydert. Betroffen hiervon wäre dann auch die Luxemburger Saatgutwirtschaft mit ihren kleinen und mittelständischen Betrieben. Sie riskiert, zwischen den beiden Tendenzen aufgerieben zu werden.

Hierzulande ist vor allem die Luxemburger Saatbaugenossenschaft (L.S.G.) für den Saatgutbereich zuständig. 1960 gegründet mit dem Agrocenter in Mersch als bisheriges Zentrum, umfasst die L.S.G. mittlerweile ca. 90 Vermehrungsbetriebe von Saatgetreide (95 Prozent konventionell, 5 Prozent Bio). Bis zur Gründung der L.S.G. wirtschafteten die Bauern vornehmlich mit ihren eigenen, selbstgezogenen Haus- und Hofsorten, die sie mit anderen Landwirten tauschten. Erst die L.S.G hat zu einer Auslagerung dieser Tätigkeit geführt und zu einer stärkeren Professionalisierung im Saatgutbereich.

„Einerseits kann man bedauern, dass durch das zunehmende Verschwinden der Hofsorten die Sortenvielfalt unter die Räder gekommen ist. Andererseits haben spezialisierte Zuchtbetriebe wesentlich dazu beigetragen, neue Sorten einzubringen und die Erträge zu steigern und zu stabilisieren“, meint Marc Weyland. Ein wesentliches Element dieser Professionalisierung ist der Sortenschutz. „In Europa kann Saatgut nur gehandelt werden, wenn es zertifiziert ist. Um eine Zulassung zu erlangen, muss das Saatgut im Vorfeld verschiedene Kontrollen durchlaufen“, erklärt der Fachmann.

Wenn die Lizenzen der kleinen und mittleren Züchter in Europa nicht mehr bezahlt werden, droht der Saatgutmarkt in die gleiche Richtung abzugleiten wie in den USA.

Die Saatzucht ist eine aufwendige Sache. Eine Pflanze braucht meist rund zehn Jahre, bis ihre Qualität den Kriterien der Zulassung entspricht. Neben der Zertifizierung können Züchter beim Sortenamt in Angers einen europaweiten Rechtsschutz für ihre Sorten beantragen oder sie national schützen lassen. Wenn sie den Rechtsschutz erhalten haben, können sie die Vermehrung ihrer Sorten unter Schutz betreiben. „Dieser Schutz ermächtigt den Züchter, beim Vertrieb seiner Saat Zuchtlizenzen von den Nutzern zu fordern“, erläutert Weydert das System. „Wenn die Lizenzen der kleinen und mittleren Züchter in Europa nicht mehr bezahlt werden, droht der Saatgutmarkt in die gleiche Richtung abzugleiten wie in den USA“, glaubt Weydert. Denn dort sind die kleinen und mittelgroßen Betriebe bereits unter die Räder gekommen: Neben dem Eigenanbau sind vor allem multinationale Firmen übrig geblieben, die insbesondere in Hybridkulturen und gentechnisch veränderte Pflanzen investieren. So wurden in den letzten 10 bis 15 Jahren – parallel zu einer Ausweitung des Patentschutzes beim Saatgut – viele mittelständische Züchterfirmen von internationalen Konzernen der Gentechnik-, Pestizid- und Künstdüngerproduktion aufgekauft, die kein Interesse an genügsamen und lokal angepassten Sorten haben. Patente ermöglichen es den Konzernen darüber hinaus, den Anbau, die Vermehrung des Saatguts und die Ernte komplett zu kontrollieren.

Ganze Sorten patentieren zu lassen, ist in Europa bisher noch nicht möglich. Patentieren lassen sich jedoch bereits modifizierte Genfrequenzen. „Wenn die unabhängige mittelständige Saatgutindustrie in Europa nicht mehr da ist, dann müssen wir bei transnationalen Saatmultis einkaufen, und dann ist es nicht mehr weit bis zur Gentechnik“, so Weydert.

Ob die Hofsorten, die aufgrund der Entwicklung der Saatindustrie heute kaum noch eine Rolle spielen, mit der neuen EU-Regelung eine größere Öffnung erfahren was die Zulassung anbelangt, wird sich zeigen. Die Hofsorten können nicht im klassischen Sinne vermarktet werden. Der Bauer darf sie nur für den Eigenanbau benutzen. Meistens genügen die Hofsorten den strengen Prüfkriterien der Zertifizierungsprozedur nicht. Doch wird ihre tatsächliche Bedeutung weiterhin verkannt: Zumindest für die Entwicklungsländer erscheint es mittlerweile erwiesen, dass Kleinbauern und -bäuerinnen mit ihren Hofsorten im Gegensatz zur Chemie- und Saatgutindustrie den größten Beitrag zur Welternährung leisten.

Auch in Europa wollen Bauern weiterhin das Recht behalten, Saatgut aus ihrer Ernte in ihrem eigenen Betrieb zu nutzen. 50-60 Prozent ihres Ertrages und mehr können die Bauern laut EU-Gesetz zurückbehalten. Für Großbetriebe lohnt es sich, eigenes Saatgut zu produzieren, für den kleinen Bauer wird es zu teuer – deshalb haben in Luxemburg zumindest in den letzten Jahren bis zu 90 Prozent der Landwirte eher zertifiziertes Saatgut gekauft. „Es ist keine Rede davon, diese Rechte beschneiden zu wollen“, versichert Weydert. Jedoch könnten mit der neuen EU-Regelung die Kontrollen zunehmen. Ein solche Zunahme der Kontrollen wäre ganz im Sinne der L.S.G., die als Vermehrerin klar für zertifiziertes Saatgut eintritt. So arbeitet die L.S.G mit rund 15 Saatgutzüchtern in Europa zusammen – darunter auch Firmen wie KWS Lochow, die in den USA Gentechnik anbauen. Aufgabe der L.S.G. ist die Vermehrung und Vermarktung von Saatgetreide, Bohnen und Erbsen sowie der Verkauf von Klee, Gras, Raps, Mais und Zwischenfrüchten. Daneben übernimmt sie die Einlagerung, Aufbereitung, Beizung und Versackung des Saatgetreides in der eigens hierfür eingerichteten Saatgutstation in Mersch. „In Europa gibt es wahrscheinlich kein Haus, das so viele Sorten aufbereitet wie wir. Wir vermehren bis zu 60 Sorten, das ist unsere Daseinsberechtigung“, stellt Henri Noesen, Geschäftsführer der L.S.G. und erklärter Gentechnik-Gegner fest. Da in Luxemburg die Landwirtschaft im Gegensatz zum Ausland noch kleinteilig ist, können hier noch spezielle Kulturen angebaut werden. Im Moment sei er voll damit beschäftigt, rund 35 verschiedene Sorten auf die 1.200 ha der Genossenschaftsmitglieder zu verteilen.

Die L.S.G bezieht von den Züchtern sogenanntes Basis- oder Vorstufensaatgut, das an die Genossenschaftsmitglieder zur Aussaat ausgegeben wird. Das geerntete Saatgut wird bei der L.S.G. aufbereitet und auf Reinheit, Unkrautbesatz, Keimfähigkeit [etc.] kontrolliert. Genügt es den Kriterien, wird es als zertifiziertes Saatgut in den Export geschickt. Vom Handel beziehen die Bauern dann das Konsum-Saatgut für Brotweizen, Braugerste, Futterweizen, und Futtergerste. „Das Problem fängt an, wenn einzelne Bauern zertifiziertes Saatgut, das sie gekauft und weitervermehrt haben, zurückbehalten und unter dem Deckmantel der Hofsorten später weiter vermarkten“, ärgert sich Noesen. „Der Bauer will den qualitativen Vorteil einer Zuchtsorte, aber er ist nicht bereit, dafür zu zahlen. Das ist unlauterer Wettbewerb“. Für jede Tonne Saatgut muss die L.S.G. dem Züchter zwischen dreißig und 100 Euro Lizenzgebühren bezahlen. Sie ermöglichen es diesem, seine Arbeit zu refinanzieren. Um ihre eigenen Sorten vor dem Nachbau zu schützen, greifen die Zuchtfirmen – soweit sie die Mittel dazu haben – inzwischen zu einem noch wirkungsvolleren Mittel – dem Hybridanbau.

Um die eigenen Sorten vor dem Nachbau zu schützen, greifen die Zuchtfirmen – soweit sie die Mittel dazu haben – inzwischen zu einem noch wirkungsvolleren Mittel – dem Hybridanbau.

Hybridpflanzen, die aus Kreuzungen aus speziellen Zuchtlinien (Inzuchtlinien) stammen, sind leistungsfähiger als normale Saatgutsorten. Binnen eines Jahres können Hybridpflanzen zu einer Verdopplung der Erträge führen. Dementsprechend ist der Anteil der Hybridsorten in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen.

„Hybridsorten beherrschen mittlerweile den Maisanbau zu hundert Prozent, beim Raps sind es achtzig – Tendenz steigend“, so Noesen. Jedoch hat die Verwendung von Hybriden für die Landwirte den großen Nachteil, dass Nachkommen von Hybriden deutlich an Fitness verlieren und nicht mehr ausgesät werden können – der Bauer büßt also sein ursprüngliches Recht ein, Getreide aus eigener Ernte zurückzubehalten. Das ist der Preis der intensiven Landwirtschaft, die zunehmend unter Zugzwang steht, die Produktionsstandards weiter zu erhöhen und im Schnitt 6 bis 8 Tonnen Getreide vom Hektar herunterzuholen. Auch Hybridkulturen bewirken letztlich eine Einschränkung der Pflanzenvielfalt.

Die L.S.G. gehört zu einer der wenigen Firmen in Europa, die von einem Hybridzüchter die Erlaubnis erhalten hat, die Hybridsaat in Luxemburg zu vermehren – da sie eine spezielle Anbautechnik erfordert, die die kleineren lokalen Bauernbetriebe noch leisten können. „Bisher werden noch wenig Hybridkulturen angebaut – jedoch ist der Weg bereits vorgezeichnet“, so der L.S.G.-Geschäftsführer. Niemand sei verpflichtet, Hybrid zu kaufen. Wenn sich jedoch die Ertragszuwächse auf 10-20 Prozent gegenüber normalen Linien belaufen, dann ist die Rechnung schnell gemacht. „Mit Hybridkulturen schützen sich die kleinen und traditionellen Züchter vor dem Nachbau. Schließlich haben auch sie eine Sorte entwickelt“, argumentiert Noesen weiter. Denn es dauert oftmals rund zehn Jahre, um eine Pflanzenart neu auf den Markt zu bringen – ein großer Aufwand. Dass sie marktreif ist, bedeutet aber noch lange nicht, dass sie vom Markt auch angenommen wird. „Viele kleine und mittlere Züchter können sich nur auf diese Art refinanzieren“, so Noesen. Um den Züchtern entgegenzukommen wünscht sich die L.S.G. mehr staatliche Kontrollen im Bereich der Eigenwirtschaft, um dem Eigennachbau von Zuchtsorten – rund 15 Prozent der nationalen Saatgut – einen Riegel vorzuschieben. Hierfür wird auch das Argument der Lebensmittelsicherheit vorgebracht: Gerade Hof- und Biosaat seien krankheitsempfindlicher und könnten andere Sorten anstecken. Um die Keimlinge gegen Samen- und bodenbürtige Krankheiten zu schützen, benutzt auch der individuelle Bauer ein Pflanzenschutzmittel. „Man muss wissen, welche Beizmittel zugelassen sind, und es muss professionell ausgeführt werden“, so Noesen. Für diese Aufgabe sei die L.S.G. ausgestattet und verfüge über spezielle Absauganlagen, die verhindern, dass Mittel, die beim Beizen angewendet werden in die Umwelt gelangen.

Bauern- und Hofsorten entsprechen dem eigentlichen Bild vom Biolandbau. Aender Schank, Geschäftsführer der Biog und Präsident von Demeter, sieht die aktuelle Entwicklung der Landwirtschaft im Zeichen der Industrialisierung der Pflanzenzucht. „Das System entwickelt sich dahin, dass die Bauern ihr Saatgut in Genbanken legen, wo der Züchter es dann immer wieder herausholt und vermehrt. Wenn man dagegen vorgehen will, muss man die Basis der Biodiversität stützen“, so Schank. Auch in der Biolandwirtschaft hat sich vieles verändert. Zwar gibt es die Pioniere, die die Gesamterzeugung vom Anfang bis zum Ende in der Hand behalten und über Hofsorten verfügen, die an den Betrieb angepasst sind, weil sie dort weiterentwickelt wurden. Dennoch gerät auch der Biobereich immer mehr unter Druck, eine bestimmte Leistung zu erbringen. „Für Hofsorten braucht es schon eine gewisse Kompetenz. Wenn ein Biobetrieb das nicht machen will oder kann – dann befinden sich die Biobauern im Bereich der Ökonomie“, so Schank. Deshalb wurde eine biologische Saatgutvermehrung in Zusammenarbeit mit der L.S.G. organisiert. Mittlerweile ermöglicht die EU-Gesetzgebung den Biobauern, zwei Jahre lang konventionelles Saatgut biologisch anzubauen, bis es dann als Saatgut im Körner- und Gemüsebereich für den Biobereich eingesetzt werden kann. „Das ist eine Kompromisslösung“, erklärt Schank. Außer den Hofsorten gibt es keine Züchtung für den Bio-Landbau in Luxemburg. Biolandwirte können jedoch Bio-Saatgut aus dem Ausland beziehen: Es gibt auch spezielle Züchtungen für den Bio-Landbau – etwa von Peter Kunz in der Schweiz – von denen auch einige Sorten offiziell zugelassen sind. „Der Markt fordert jedoch auch vom Biolandbau immer mehr, dass die Produkte standardisiert sind“, meint der Demeter-Präsident. So verlangt der Bäcker immer die gleiche Qualität und dieselben ernährungsphysiologischen Eigenschaften beim Getreide ? es kann schließlich nicht sein, dass das Brot an einem Tag aufgeht und am anderen nicht.

Das System entwickelt sich dahin, dass die Bauern ihr Saatgut in Genbanken legen, wo der Züchter es immer wieder herausholt und vermehrt. Wenn man dagegen vorgehen will, muss man die Basis der Biodiversität stützen.

Im Gemüseanbau gibt es einerseits noch die klassische Zucht mit den samenfesten Sorten, solche, die sich reproduzieren und die Hybridzucht. Bei den Hybridpflanzen gibt es eine besondere Form, die sogenannten CMS-Hybride, die durch ein Einfgreifen in die Zellsubstanz erzeugt werden. „Diese Technik bestimmt zurzeit den Markt im Gemüsebau“, so Schank. Auch im Gemüsebau steht Bio unter Druck, denn auch hier verlangt der Kunde eine gewisse Standardisierung – zum Beispiel, dass die Saat zu 80 Prozent keimfähig ist. Das erfordert Züchtung. „Ich kenne die Zucht des Bio-Labels Bingenheim. Da steckt richtig Arbeit dahinter“, meint Schank. So verschwinden etwa gewisse samenfeste Möhren- und Rosenkohlsorten immer mehr, da die Kunden die homogenen CMS-Hybridsamen bevorzugen. Dagegen unterstützt Demeter die Organisation „Kultursaat“ in Deutschland, die samenfeste Nachzüchtungen erzeugen, die es fast nicht mehr auf dem Markt gibt.

Insgesamt ist der Hybridanbau im Biobereich nicht grundsätzlich verboten, hier gibt es nur EU-weite Mindestnormen, an die sich die Erzeuger halten müssen.

„Demeter war die erste Organisation, die hier gesagt hat, wir tolerieren keine Hybrid-Saat, keinen CMS-Hybridsamen und keine Gentechnik mehr.“ Die zwei deutschen Verbände Bioland und Naturland haben mittlerweile nachgezogen. Jedoch fehlt es insgesamt an einem Engagement gegen diese Entwicklungen, wie es überhaupt allgemein an Landwirten und Gärtnereibetrieben fehlt: Gerade einmal 1 Prozent des Luxemburger Obstes und Gemüses wird lokal produziert. „Und wenn dann die Bauern und Gärtner hingehen und rationale Methoden anwenden, die eine hohe Produktion ermöglichen, wem soll man das denn dann vorwerfen – den Landwirten, dem System oder den Menschen, die sich nicht mehr um die Landwirtschaft kümmern?“, fragt Schank.

Hier könnte die Überarbeitung des Saatgutverkehrsrechts die Chance bieten, mehr Transparenz zu schaffen und die Methoden, die bei der Züchtung einer Sorte verwendet wurden, bekannt zu machen. So fehlt auf den meisten Gemüsesaatgutpackungen der Hinweis, dass es sich um Hybridzüchtungen handelt.

Auch könnte die EU-Saatgutverkehrsrechtsreform eine neue Agrarpolitik (auch gegenüber dem Welthandel) fördern, die statt energieintensiver Großbetriebe und Monokulturen vielseitig wirtschaftende Bauernhöfe begünstigt, die dann auch vermehrt Arbeitsplätze schaffen würden.

Zum Thema Saatgut gibt es viele Filme …
„Zukunft säen – Vielfalt ernten, Saatgut bleibt Gemeingut“. Ein Film von Ella von der Haide über die Nutzpflanzenvielfalt und die Ernährungssouveränität.
Bei: info@arche-noah.at
„Hijacked Future“ von David Springbrett. Ein Film über die Kontrolle des Saatgutes und die Zukunft der Ernährung.
Bei: www.agrarkoordination.de
„Mother Earth, a New Future For Small Farmers“ von Paul Enkelaar & Jan Paul Smit. Über Bauern in Indien.
„Seed Warriors“ von Mirjam von Arx.
Über die Herausforderungen des Klimawandels und der Ernährung.
www.seedwarriors.org

… und interessante Links:
www.saatgutkampagne.org,
www.saveourseeds.org,
www.no-patents-on-seeds.org,
www.vielfalt-fuer-alle.ch,
www.semencespaysannes.org,
www.kokopelli-blog.orgw

 

Zukunft säen
Unter dem Motto „Zukunft säen“ organisiert die Initiative „Luxemburg ohne Gentechnik“ zusammen mit den zwei Bioverbänden Demeter und Biolabel sowie der Saatbaugenossenschaft am 2. Oktober um 15.00 im Demeterbetrieb Meyers-Weiss auf Wandhaf einen Aktionstag zum Thema Gentechnik.
„Gentechnik bedeutet große Konzerne, Patente, den Bauern ihre Freiheit rauben“, so Maurice Losch, Koordinator der Initiative „Luxembourg sans OGM“. „Eine kleinteilige und unabhängige Landwirtschaft ist die beste Garantie für die Erhaltung der Biodiversität. Es ist dramatisch wie in den letzten Jahrzehnten die Artenviefalt in den Kultursorten zurückgegangen ist, weil große Saatgutkonzerne gezielt nur ein paar Sorten entwickelt haben und andere verkümmern ließen. Wenn wir die Vielfalt der Sorten verlieren, geben wir eine wesentliche Karte aus der Hand, um in Zukunft die Weltbevölkerung zu ernähren.“ Das Saatgut soll patentfrei bleiben, und das Recht, Saatgut zu vermehren soll den Bauern nicht genommen werden. 


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